Im Weiler Masauns in Camuns GR leben noch sieben Personen. Bald wird es mit dem Ehepaar Cordilia Derungs (59) und Daniel Cathomen (62) aus Oetwil an der Limmat ZH zwei weitere Einwohner im stark von der Abwanderung betroffenen Bündner Dorf haben. Für Cordilia Derungs ist es ein Heimkommen. Sie ist in Camuns aufgewachsen. Auch Ehemann Daniel Cathomen stammt unüberhörbar aus dem Kanton Graubünden. Immer wieder diskutieren die beiden im Gespräch mit Blick untereinander auf Rätoromanisch. «Wir waren nie Fremde hier und haben uns im Dorf immer engagiert und Kontakte gepflegt», sagt Cordilia Derungs.
Miteigentümer durch Erbschaft
Die beiden Heimweh-Bündner konnten 2017 in Camuns das 320-jährige Haus von Derungs verstorbener Grossmutter Maria Elisabet kaufen. «Ein Teil gehörte uns bereits, und weil die anderen Erben kein Interesse am Haus hatten, haben wir sie ausbezahlt», sagt Cordilia Derungs. Mit den zusätzlichen Nebengebäuden und einem Grundstück musste das Ehepaar aus dem Kanton Zürich für den Erwerb insgesamt rund 200’000 Franken bezahlen.
Zuletzt lebte eine junge Bauernfamilie in einem einfach renovierten Hausteil des ursprünglich vermutlich als Zweifamilienhaus erbauten Hauses. Als die Bauernfamilie andernorts auf einem Bauernbetrieb ein Angebot annahm, änderte das neue Besitzerpaar sein erstes Umbauprojekt. «Wir hätten die junge Familie weiterhin im Haus wohnen lassen. Mit ihrem freiwilligen Wegzug mussten wir aber keine Kompromisse eingehen oder Rücksicht nehmen, sondern konnten ganz nach unseren Ideen umbauen», sagt Daniel Cathomen.
Umbau ohne Baupläne
Für ihr Umbauprojekt engagierten Derungs und Cathomen einen Architekten vom Büro Huonder Bisquolm aus Disentis – mit viel Erfahrung im Umbau von Gebäuden mit alter Bausubstanz und zusätzlicher Schreinerausbildung. «So ein altes Haus ist wie eine Wundertüte, da weiss man nie, was zum Vorschein kommt, und Baupläne gab es vom Haus nicht», sagt Cathomen.
Ohne entsprechende Erfahrung könne so ein Umbauprojekt mit teuren Überraschungen enden, ist sich das Besitzerpaar einig. Ziel war, das Haus der Grosseltern nachhaltig umzubauen, mit zeitgemässem Komfort auszustatten und es dabei möglichst authentisch zu erhalten. Oder, wie es Daniel Cathomen, Marketingleiter in einer Beleuchtungsfirma, umschreibt: «Wir wollten ein modernes Haus, das heimelig bleibt. Die Berge und die Lebensqualität dieser Gegend sollten spürbar bleiben.»
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Mithilfe von Verwandten zurück zur Grundsubstanz
Den Rückbau hat das Ehepaar 2020 gemeinsam mit Verwandten an den Wochenenden und in den Ferien selbst vorgenommen. Zurück zur Grundsubstanz war die Idee, nachdem das alte Haus über die Jahre mehrfach renoviert und umgebaut wurde. «Das waren ganz schön intensive Arbeiten, aber wir können anpacken und haben handwerkliches Geschick. Ich bin das auch gewohnt aus meiner Kindheit. Da wurden Renovationen am Haus noch selbst vorgenommen», sagt Derungs, die selbständig als Logopädin und Autismusberaterin tätig ist.
2021 konnten die lokalen Handwerker mit den Bauarbeiten starten. Der Grundriss der beiden Wohnungen wurde mehrheitlich belassen. Neu wurde die einst offene Veranda der oberen Wohnung zu einem erweiterten, komplett neuen Wohnraum mit Bodenheizung. Das Haus wurde neu isoliert und verfügt jetzt über eine Wärmepumpe.
Einschränkungen durch alte Bauweise und Heimatschutz
Die Fenster in der Erdgeschosswohnung inklusive den typischen Vorfenstern blieben, wie von der Denkmalpflege verlangt, erhalten. Eine geplante Fotovoltaikanlage auf dem Hausdach entsprach nicht dem Denkmalschutz. «Auf dem Dach eines unserer Nebengebäude können wir das aber realisieren und unterirdisch die entsprechenden Leitungen zum Wohnhaus ziehen. So können wir künftig eigenen Solarstrom für die Wohnungen und unser Auto nutzen», sagt Cathomen.
In der Wohnung im Obergeschoss, wo das Ehepaar seit dem Umbau fast die Hälfte des Jahres lebt, wurden neue Sprossenfenster eingebaut. «Die konnten altersbedingt trotz sorgfältiger Renovierung nicht mehr gebraucht und mussten passend ersetzt werden», sagt Derungs. Im neuen halboffenen Dachstock über dem Schlafzimmer ist jetzt ein zusätzlicher Wohnraum mit angenehmen Lichtverhältnissen, dank eines zusätzlichen Fensters. Genutzt wird dieser gemütliche Dachraum vom musikbegeisterten Ehepaar beispielsweise als Musik- oder Leseraum.
Vorteile durch lokale Handwerker
Sowohl die Küchen in beiden Wohnungen als auch alle Bäder im Haus sind neu und modern. Sämtliche Umbauarbeiten wurden von lokalen Handwerkern ausgeführt. «Einerseits ist es uns ein Anliegen, dass die wenigen Betriebe in der Gegend Arbeit haben, aber es ist auch ein Vorteil für die Bauherrschaft, wenn die Handwerksbetriebe erprobt und erfahren in der Zusammenarbeit und in den Arbeitsabläufen sind. Das spart Zeit und Geld», erklärt der Ehemann.
Wo immer möglich wurde Holz des Gebäudes sandgestrahlt und wiederverwendet. Was ersetzt wurde, stammt aus Fichtenholz aus der Gegend, und selbst von den uralten Möbeln findet sich vieles aufgefrischt in den beiden Wohnungen wieder. Nach rund einem Jahr konnte die Bauherrschaft im Dezember 2021 in ihr umgebautes Haus ziehen. Sowohl die Erdgeschosswohnung als auch die Wohnung des Ehepaars im Obergeschoss sind komplett eingerichtet.
Investitionen für eine Herzenssache
Die Umbaukosten für das kinderlose Paar beliefen sich auf über eine Million Franken. «Das Haus wäre ohne Umbau nicht mehr bewohnbar gewesen. Jetzt ist es wieder für viele Jahre in gutem Zustand», sagt die Hausbesitzerin. Ausserdem soll der Zweitwohnsitz für das Ehepaar in etwa drei Jahren, je nach beruflicher Möglichkeit des Ehemanns, zum festen Wohnsitz des Ehepaars werden und deshalb über entsprechenden Komfort verfügen. Cordilia Derungs kann schon jetzt von Camuns aus arbeiten, während Daniel Cathomen nur teilweise vom Bündnerland aus arbeiten kann und momentan noch häufig in der Firma im Unterland anwesend sein muss.
Mit dem fertigen Hausumbau ist nicht nur das Ehepaar glücklich. Auch die Denkmalpflege zeigte sich erfreut über das Resultat. Der Wert des Hauses konnte durch die getätigten Investitionen auf jeden Fall gesteigert werden. «Wir sind aber keine Spekulanten, unser Haus und das Dorf Camuns sind für uns vor allem eine Herzenssache mit Liebhaberwert. Wir möchten, so lange es möglich ist, im Haus leben, wie es schon meine Grossmutter bis ins hohe Alter getan hat», sagt Cordilia Derungs. Das Ehepaar hält fest, dass sie den Umbau nicht nur für sich, sondern auch für das aussterbende Dorf gemacht haben. «Während viele hier abgewandert sind, weil Arbeit fehlt, ziehen wir zurück in dieses Bergdorf und hoffen, dass künftig wieder mehr Leben nach Camuns kommt», so Daniel Cathomen.