Gleich vorweg: Umgebaut wurde die denkmalgeschützte «Villa Freienstein» in Glarus praktisch nicht. Das war auch nicht der Plan der neuen Besitzer, Reto und Tina Fuchs, die 2018 das historische Gebäude mit dem Park in der Kernstadt von Glarus kaufen konnten. Einzig die Bibliothek wurde erneuert, das Elternschlafzimmer gestrichen und der geschützte Garten so weit als möglich und nötig umgestaltet.
Das Glarner Ehepaar mit den beiden Kindern Julian (6) und Jael (4) wollte auf dem 3500 Quadratmeter grossen Areal viel mehr einen Ort der Gemeinschaft schaffen. Das ist ihnen gelungen. Wo zuletzt noch drei Personen lebten, haben jetzt 27 Personen, darunter neun Kinder, ein Zuhause. «Bei uns herrscht immer reger Betrieb», sagt Reto Fuchs dazu lachend.
Moderne Reiheneinfamilienhäuser im geschützten Park
Im Herrenhaus Freienstein wohnt Familie Fuchs. Reto Fuchs hat im ersten Obergeschoss inzwischen sein eigenes Architekturbüro. Das Au-pair der Familie wohnt im Dachgeschoss, wo auch ein Gästezimmer ist. «Wir haben immer wieder spontane Besucher, die gern bleiben möchten. Zum Beispiel, wenn ich Stadtführungen durch Glarus anbiete. So haben sich auch schon einige Freundschaften ergeben.» Im Westflügel des Herrenhauses sind zwei weitere Familienwohnungen.
Im südlichen Teil des historischen Parks, mit geschützten Bäumen wie kalifornischen Mammutbäumen, Thuja und Blutbuchen, hat Architekt Fuchs vier neue und moderne Reihenhäuser für Familien geplant und verkauft.
Der ehemalige englische Garten wird seither von den Bewohnern im Alter von einem Jahr bis zu 90 Jahren gemeinschaftlich genutzt und gepflegt. Er wurde zum Naturgarten, wo alle Kinder herumtollen können und im Sommer gemeinsam gefeiert wird. Das ist ganz im Sinn der Besitzerfamilie. Reto Fuchs: «Für uns allein wären das Haus und der Park viel zu gross. Wir wollten, dass an diesem besonderen Ort wieder neues Leben einzieht.»
Gemeinschaftliche Nutzung statt Blockrandsiedlung
Mit seinem Projekt der gemeinschaftlichen Nutzung des Parks und dem geplanten Neubau der Reihenhäuser konnte Fuchs die ehemaligen Besitzer sowie die Denkmalpflege überzeugen und bekam 2018 den Kaufzuschlag. Er konnte sich damit gegen Investoren durchsetzen, die eine Blockrandsiedlung mit vierzehn Wohneinheiten auf dem Grundstück planten.
«Meine Frau war von Anfang an begeistert von der Idee, die Villa zu kaufen, während ich doch etwas Respekt hatte, als ich die Anfrage für den Kauf erhielt», sagt der Familienvater, der in Glarus auch Stadtführungen anbietet und in der kantonalen Kulturkommission tätig ist.
Zusammenarbeit mit Denkmalpflege und Heimatschutz
Dennoch hat er sich umgehend an sein Gesamtkonzept gemacht, das überzeugte. Der frühe und gute Austausch mit der kantonalen Denkmalpflege habe ihm sein Vorhaben erleichtert, meint Fuchs.
Sein ehrliches Anliegen und Interesse am Erhalt von historischen Gebäuden war in Glarus auch durch Fuchs Stadtführungen und seine Erschaffung des virtuellen Stadtmodells «Altglarus» bekannt. «Dieses Projekt war für mich jedoch auch Neuland auf mehreren Ebenen, aber als Architekt spannend und für die Familie eine einmalige Chance», so Reto Fuchs.
Für Denkmalpflege und Heimatschutz hat Fuchs nur lobende Worte: «Wir wurden gut unterstützt und haben sehr konstruktive Verbesserungsvorschläge erhalten. Die äusserst schwierige Aufgabe konnte dank der Unterstützung der Behörden ohne Einsprachen in Rekordzeit umgesetzt werden.»
Auszeichnung erhalten
Der Umgang mit bestehendem Kulturgut ist eine Herzenssache des Architekten. Mit einer durchdachten Integration der modernen, dreigeschossigen Reihenhäuser in seinem Park liefert er den Beweis, dass verdichtetes Bauen nicht im Widerspruch zur Denkmalpflege und dem Erhalt von Kulturgut stehen muss.
Dafür wurde er inzwischen auch ausgezeichnet und konnte weitere Architekturaufträge von historischen Bauten ausführen. «Ein bisschen stolz bin ich schon, dass sich renommierte Architekten für dieses Projekt, das weit über die klassische Architektur hinausgeht, interessieren und uns in Glarus besuchen», sagt Fuchs.
Geschichte der Villa erforscht und dokumentiert
Seine Leidenschaft für historische Gebäude ist dem Glarner deutlich anzumerken, wenn er von der Geschichte seiner Villa erzählt, die er über Jahre erforscht und dokumentiert hat. Der älteste Teil stammt vermutlich aus dem frühen 16. Jahrhundert.
Nach 1800 wurde der Bau stark erweitert und diente im Westflügel als Fabrikationsgebäude der Familie Trümpy. Als eines der weniger herrschaftlichen Häuser überstand die Villa den verheerenden Stadtbrand von 1861 in Glarus und gilt daher als schützenswert. 1914 bekam das Haus den Namen «Villa Freienstein». Das Areal verblieb bis zum Verkauf 2018 im Besitz der Erben Trümpy.
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Finanzierung und Kosten
Unmittelbar nach dem Kauf 2018 ist die Familie im Herrenhaus eingezogen und hat bis auf das neue Mobiliar und die Bibliothek alles beim Alten belassen.
Finanziell unterstützt wurde Fuchs bei seinem Projekt von seinen Eltern, wie auch von seinem damaligen Arbeitgeber, einem ortsansässigen Architekturbüro. Gegen fünf Millionen Franken belief sich der Kaufpreis für das Herrschaftshaus inklusive der Nebengebäude.
2021 konnten die vier dreistöckigen Reihenhäuser mit eigener Dachterrasse im Park gebaut und an Familien verkauft werden, womit ein Teil des Kaufpreises wieder gedeckt war. Durch die Vermietung der beiden Wohnungen im Herrenhaus sind die Kosten für die Glarner Familie tragbar.
Geteilte Freude
«Es ist schon schön, wenn Wohnen und Arbeiten unter einem Dach möglich ist», so Reto Fuchs. Besonders freut ihn und seine Familie aber, dass sie für sich und ihre neuen Nachbarn im Park mit der historischen Liegenschaft einen wunderbaren Ort der Gemeinschaft mitten in der Stadt Glarus geschaffen haben.