«Das Haus abzureissen und ein neues zu bauen, wäre etwa gleich teuer gekommen wie unser Hausumbau», erzählt Cécile Hirt (38) über ihr Umbauprojekt. Möglich wäre es gewesen, denn das Walserhaus mit Jahrgang 1847 steht nicht unter Heimatschutz. Für Pascal und Cécile Hirt kam ein Abriss des alten Holzhauses aber nicht infrage. Mit Stolz erzählt das Ehepaar, dass Tschiertschen GR mit seinen typischen Walserhäusern zum schönsten Dorf Graubündens ausgezeichnet wurde.
Vor 20 Jahren ist die Zugerin Cécile Hirt in das Walserdorf gezogen. Sie besitzt und führt dort ein Coiffeurgeschäft. Nicht nur in den Ort hat sie sich verliebt, sondern später auch in Pascal, der in Tschiertschen aufgewachsen ist. Seit drei Jahren wohnten die beiden mit ihren Töchtern Ursina (7) und Anuk (3) und mit dem kleinen Jagdhund Gerro im komplett umgebauten Haus des Grossvaters Anton Hassler.
Zögern wegen hoher Kosten
Auf das kostspielige Umbauabenteuer hat sich die Familie eingelassen, weil sie mehr Platz brauchte und die Aufstockung ihres kleinen Chalets ausserhalb der Bauzone von Tschiertschen nicht bewilligt wurde.
Der Grossvater – oder Neni, wie die Bündner Familie ihn liebevoll nennt – kaufte das Walserhaus in den 60er-Jahren. Damals gab es noch keinen Strom und nur ein Plumpsklo im Haus. Der gelernte Schlosser baute es zu einem damals zeitgemässen dreistöckigen Wohngebäude um. Weil dem Grossvater das Haus irgendwann zu gross wurde, zog er in das «Stöckli» nebenan.
Schätze und viel Abfall bei der Hausräumung
Für rund 200’000 Franken kaufte das Ehepaar Hirt ihrem Neni im September 2017 das unbewohnte Haus ab. Den Kauf und Umbau konnten sie knapp mit dem Verkauf ihres Chalets finanzieren.
Bei der Hausräumung kamen neben sieben Container Abfall auch einige Schätze wie Spinnräder, Uniformen, antike Bauerngeräte und Hornschlitten zum Vorschein, die mit einem Antiquitätenhändler aussortiert und teilweise behalten wurden.
Für Pascal Hirt, der zu seinen mittlerweile verstorbenen Grosseltern ein enges Verhältnis gepflegt hat, war die Räumung nicht ganz einfach. «Bei der Entrümpelung war ich etwas radikaler, weil es für mich weniger emotional war als für meinen Mann», gibt die Ehefrau zu.
Rund 700'000 Franken für den Umbau
Geplant wurde der Hausumbau vom ortsansässigen und mit Altbauten erfahrenen Architekten Roderick Galantay, der inzwischen auch Gemeindepräsident von Tschiertschen ist. Bei der Umbauplanung wurde darauf geachtet, dass das Walserhaus seinen Charme nicht verliert.
Wo es ging, hat Pascal Hirt, der als Instandhaltungsfachmann arbeitet, am Umbau mitgearbeitet, um Kosten einzusparen. Der Familienvater schliff in der Freizeit tagelang Wände ab und riss mit Freunden die Küche, Bäder und Leitungen raus. Dennoch musste das Ehepaar rund 700’000 Franken zusätzlich zu den Eigenleistungen in den Umbau investieren.
Die Fassade des Walserhauses blieb fast unverändert. Nur die Aussenmauer in der Küche musste ersetzt und das Haus darum zwischenzeitlich gestützt werden. Der Hausspruch und die Fensterläden wurden nur neu gestrichen.
Erneuert wurden aber alle alten Fenster. «Da der Zwischenboden für die Stabilität des Hauses sorgte, musste jeder Boden im Haus einzeln mühsam entfernt werden», erklärt Pascal Hirt zu den weiteren aufwendigen Umbauarbeiten und Herausforderungen.
Neue Raumeinteilung auf allen Etagen
Im Erdgeschoss befand sich früher das Wohnzimmer, ein Büro, die alte Küche und ein angrenzendes Bad. Neu steht im Erdgeschoss eine offene und moderne Küche mit einem hellen Ess- und Wohnbereich und ein Gäste-WC.
Den alten Kachelofen hat die Familie durch einen Bündner Specksteinofen ersetzt. Beheizt wird das ganze Haus neu mit Pellets, die in der Scheune eingelagert sind. Aus den vier kleinen Zimmern im Obergeschoss und dem Bad entstanden drei Schlafzimmer und ein Bad mit Dusche.
Die tiefe Decke im Badezimmer musste vom Schreiner um 30 Zentimeter angehoben werden, damit auch Pascal Hirt mit seiner Grösse von 1,89 m aufrecht stehend duschen kann.
Im Dachgeschoss befindet sich wie schon zu Grossvaters Zeiten eine Ferienwohnung. Darin stehen den Gästen zwei Schlafzimmer mit neuer Küche, Wohnzimmer und Bad zur Verfügung. «Die Ferienwohnung wurde bei der Berechnung von der Bank einkalkuliert. Durch die Mieteinnahmen bekamen wir überhaupt erst die Zusage für die Finanzierung durch die Bank», erklärt Cécile Hirt.
Einzug kurz vor der Geburt des zweiten Kindes
Im April 2019 wurde der komplette Umbau fertiggestellt, und die Familie konnte in ihr Traumhaus ziehen. Kurz bevor im Juni die zweite Tochter Anuk zur Welt kam. Die jungen Eltern sind glücklich in ihrem alten Haus in neuer Frische, auch wenn ihnen die eingeschränkten Finanzen schon etwas Mut für den Kauf und den Umbau abverlangt haben.
Die beiden hoffen, dass später vielleicht eine ihrer Töchter Nenis Walserhaus übernimmt und es so weiter im Familienbesitz bleibt. «Wir sind stolz darauf, ein modernes Haus mit altem Charme zu haben, das noch immer sehr gut in unser schönes Walserdorf Tschiertschen passt.»