Am Hang in Zürich-Höngg steht die altehrwürdige Villa Simmen mit einem grossen Garten. Es bietet sich eine wunderbare Aussicht auf die Stadt Zürich und bis hin zu den Alpen. Erbaut wurde das denkmalgeschützte Haus 1906 vom Architekten Max Müller für eine wohlhabende Stadtzürcher Familie.
Von 1994 diente die ehemalige Villa, die im Besitz der Stadt Zürich ist, als Drogenentzugsstation. Seit Oktober 2020 lebt eine Wohn- und Arbeitsgemeinschaft mit 18 Personen und zwei Hunden im Haus, das seither als «Jupiterhaus» im Frankental bekannt ist.
Mietzins wird nach Quadratmeter berechnet
Bis ein Termin für den Besuch des Blick-Teams feststand, dauerte es seine Zeit. «So ist das in einer Gemeinschaft. Es werden zuerst alle informiert und dann wird gemeinsam entschieden. Das dauert etwas länger», erklärt der gelernte Gärtner und Sozialpädagoge Andreas Föhr (56). Nicht alle WG-Bewohnerinnen und Bewohner möchten in Bild und Text erscheinen und ihre Zimmer zeigen.
Föhr wohnt seit Anfang an hier und hat wie, drei weitere Personen der WG, bereits im ehemaligen «Jupiterhaus» am alten Standort in der Stadt Zürich, beim Hegibachplatz gelebt.
Die Wohngemeinschaft hat einen für sechs Jahre befristeten Mietvertrag zur Zwischennutzung mit der Stadt Zürich. Momentan bezahlten sie rund 13’000 Franken Miete monatlich.
Der Mietpreis für die einzelnen Bewohner wird nach Grösse des Zimmers berechnet. Für Andreas, der in einer Beziehung ist, aber ohne seine Freundin im Haus wohnt, beläuft sich die monatliche Miete für sein eher kleines Zimmer auf 750.- Franken. «Ich bin ein Gemeinschaftsmensch. Für mich ist das Leben hier wie im Paradies», schwärmt er.
Ordnung und Sauberkeit muss sein
Beim Betreten der Halle wird schnell klar, dass im «Jupiterhaus» auf Ordnung und Sauberkeit wert gelegt wird. Hausschuhe stehen für Besucher neben dem Eingang bereit. Im Erdgeschoss sind die gemeinschaftlich genutzten Räume wie Küche, Ess- und Wohnzimmer.
Die Gastroküche aus der Zeit der Drogenentzugsstation ist für die grosse WG praktisch. Gemeinsames Kochen funktioniert dadurch gut. «Wir haben aber glücklicherweise einen guten Koch unter uns, der sehr oft kocht. Wer mitessen will, trägt sich im Vorfeld ein. Das klappt aber nicht immer», erklärt Föhr schmunzelnd.
Austausch in der Gemeinschaft
In der kleineren, angrenzenden Küche stehen zwei Kühlschränke. Das meiste des Inhalts ist vegan, der Rest vegetarisch. Am kleinen Küchentisch trifft man sich oft in wechselnder Besetzung auf einen Schwatz am Morgen. «Ich stehe früh auf und gehe meistens zuerst in den Garten zu meinem Lieblingsbaum. Das gibt mir Energie und inspiriert mich», so Föhr.
Es lässt sich erahnen, wie in den hohen Räumen mit den Stukkaturdecken früher vornehm getafelt oder gelesen wurde. Jetzt stehen gemütliche Sitzkissen, Sofas und Sessel im grossen Saal. Jeden Sonntagabend trifft sich hier im Kreis die Wohngemeinschaft und tauscht sich aus, plant und diskutiert. «Konflikte gibt es bei uns wie in jeder Beziehung, aber wir klären das in Gesprächen.»
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Nachhaltiger Lebensstil
Beim Besuch von Blick herrscht ein reges Kommen und Gehen im Haus. Ein Teil kommt von der Arbeit und zieht sich ins Zimmer zurück. Einige gesellen sich spontan zum Gespräch, andere rüsten in der Küche Gemüse, jemand arbeitet im Garten.
Unter den Bewohnern befinden sich auch drei Paare. Die jüngste Bewohnerin Laura Schneiter ist 23 Jahre alt. Sie lebt und arbeitet mit ihrem 25-jährigen Partner Johannes Kübel in der WG.
Nachhaltigkeit und ein respektvolles Miteinander verbindet die Gemeinschaft. Drei der Bewohner haben ein Auto. So auch Andreas. «Mein Auto können aber auch andere benutzen», sagt er. Teilen statt Besitzen fällt ihm leicht.
Wohnen und arbeiten im Haus
In den drei Obergeschossen sind die privaten Zimmer, sowie gemeinsame Duschen, Bäder und Toiletten auf zwei Stockwerken. Die praktischen sanitären Räume der ehemaligen Entzugsstation wurden belassen. «Wir wollten die Bäder mal in Angriff nehmen. Das war uns dann doch nicht so wichtig. Wir haben lieber in unser Seminarhaus investiert und in unseren Permakulturgarten», erzählt Föhr. Was auf den Tisch kommt, wird regional und bio eingekauft und aus dem eigenen Garten ergänzt.
Bis vor Kurzem hat Andreas ein grösseres Zimmer im zweiten Stock mit zwei Mitbewohnern geteilt. Das habe sich aber nicht so bewährt. «Für mich war es kein Problem. Ich bin flexibel. Wenn es mal zu laut war, habe ich meine Decke genommen und mir im Haus einen anderen Schlafplatz gesucht. Platz gibt es genug.»
Dennoch schätzt Andreas sein eigenes Zimmer inzwischen als Rückzugsort. Schrank, Sofa, Bett und Schreibtisch hat er. Wenn der Sozialpädagoge nicht auswärts arbeitet, organisiert und plant er im Zimmer seine Kurse wie Liebes-und Heil-Kreise oder Vision-Suche-Camps auf einer Alp in Italien. «Da bin ich zwei Monate als Visons-Suche-Leiter abgeschieden in der Natur.»
Kontakte und Verbindungen mit Gleichgesinnten
Als abgeschottetes «esotherisches Grüppchen» möchten weder Andreas noch seine Mitbewohner dargestellt werden. Föhr erklärt: «Unsere Philosophie ist ein achtsames, liebevolles Zusammenleben, mit geerdetem spirituellen Bewusstsein für eine regenerative Welt.»
Die Gemeinschaft ist offen für achtsame Begegnungen, Vernetzung, Mithilfe, Verbindungen zum Quartier und bietet regelmässig Möglichkeiten des Kennenlernens und Mitwirkens für Interessierte an.