Auf einen Blick
David Fäh, immer wieder erlebe ich, wie Freundinnen von mir Saftkuren machen. Nicht als Diät, betonen sie, sondern zum Entgiften.
David Fäh: Kein Wunder, hinter solchen Produkten steckt viel Marketing. Saftkuren, Säure-Basen-Kuren, Kurhotels – eine ganze Industrie. Sie verspricht Wellness, Wohlbefinden, ein besseres Körpergefühl. Die Angebote sind hübsch verpackt, der Treiber ist aber häufig derselbe: Angst.
Gift im Körper!
Klingt «gfürchig», oder? Auffällig ist, dass nirgendwo beschrieben wird, um welche Gifte es bei diesen «Schlacken» geht. Ich habe schon nachgefragt; die Hersteller konnten mir keine einzige chemische Substanz nennen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Dann sind Giftstoffe im Körper ein Mythos?
Ganz so einfach ist es nicht – die Dosis machts. Es gibt Stoffe, die uns nicht guttun. Alkohol ist zum Beispiel ein Zellgift. Unser Körper ist aber ausgeklügelt. Leber und Niere sorgen dafür, dass schädliche Substanzen abgebaut und ausgeschieden werden. Oder sie bleiben im Fettgewebe gebunden.
Was ist mit Umweltgiften?
Unsere Nahrungsmittel und das Trinkwasser enthalten Rückstände von Pestiziden, Medikamenten und vielem mehr, das stimmt. In der Schweiz ist die Konzentration aber so gering, dass sie wahrscheinlich nicht gesundheitsrelevant ist. Der Effekt wird stark überschätzt. Viele machen sich Sorgen um Giftstoffe im Wasser, nicht aber über das eigene schädliche Verhalten.
Es ist einfacher, die Verantwortung abzuschieben.
O ja. Ultraverarbeitete Produkte, Bewegungsarmut, unzureichender Schlaf – das ist Gift für die Gesundheit. Da nützt auch eine zweiwöchige Saftkur nichts.
Kann sie denn schaden?
Menschen mit Stoffwechselstörungen und Senioren sollten aufpassen, es besteht das Risiko einer Stoffwechselentgleisung respektive einer Mangelernährung. Oft enthalten die Säfte erstaunlich viel Zucker, und alle sind mehr oder weniger verarbeitet. Auch Schwangere und solche, die es werden wollen, sollten aufs Fasten verzichten. Schlimmstenfalls kann es dadurch zu irreversiblen Entwicklungsstörungen beim Ungeborenen kommen. Wer gesund ist, kann das aber ruhig mal ausprobieren. Das habe ich auch schon gemacht.
Ein Ernährungswissenschaftler, der Saftkuren macht? Das überrascht mich. Aus reiner Neugier! Es ging mir aber überhaupt nicht gut damit. Einige berichten ja von Energieschüben – ich war schlapp. Solche Kuren reduzieren die körperliche und die mentale Leistungsfähigkeit. Es ergibt also Sinn, den Zeitpunkt clever zu wählen. Die Faszination kann ich aber gut verstehen. Das kann eine spannende, vielleicht sogar spirituelle Erfahrung sein. Muster werden aufgebrochen, die Sinne geschärft.
Und ganz nebenbei nimmt man ab?
Klar: Wer nur Säfte trinkt, verliert Gewicht. Vor allem aber Wasser und Muskeln. Weder Saftkuren noch andere Arten von Fasten haben einen nachhaltigen Effekt, das zeigen Studien.
Was bringt mehr?
Dauerhafte Verhaltensänderungen. Wer täglich joggen und die ganze Ernährung umstellen will, scheitert vermutlich. Sinnvoller sind kleine, realistische Ziele: einen Teil des Arbeitswegs zu Fuss gehen. Auf Zucker im Kaffee oder gesüsste Getränke verzichten. Weniger Snacks aus Langeweile, weniger Desserts aus Routine. Solche Umstellungen brauchen Geduld, manchmal unzählige Versuche. Aber es lohnt sich.