In unserem Alltag sind wir umgeben von Reizen und Eindrücken, die in uns schnelle und kurze Glücksgefühle auslösen: Schokolade, Fast Food, soziale Medien, Musik, Alkohol, Koffein oder Masturbation. All diese Reize führen dazu, dass wir Dopamin ausschütten, das Hormon, das uns in freudige Erwartung auf eine mögliche Belohnung versetzt. Im Volksmund wird es deswegen oft als Glückshormon bezeichnet.
Und genau auf dieses vermeintliche Glückshormon verzichten immer mehr Menschen bewusst – unter dem Motto «Dopamin-Detox». Je nach Ausmass verzichten sie vorübergehend auf fast alles, was Freude bereitet: Musik, soziale Interaktionen, Fast Food, soziale Medien, Masturbation oder Sex. Was steckt hinter dem Trend? Martin Korte, Biologe und Neurowissenschaftler an der Universität Braunschweig, gibt Auskunft.
Martin Korte (59) studierte in Münster, Tübingen (D) und Washington, D.C. (USA) Biologie. Seit 2007 ist er Professor für zelluläre Neurobiologie und Direktor des zoologischen Instituts an der Technischen Universität Braunschweig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Lernen und Gedächtnis, zu denen er mehrere Bücher verfasst hat. Sein letztes Buch «Frisch im Kopf. Wie wir uns aus der digitalen Reizüberflutung befreien» erschien im Mai 2023 bei der Deutschen Verlagsanstalt in München.
Martin Korte (59) studierte in Münster, Tübingen (D) und Washington, D.C. (USA) Biologie. Seit 2007 ist er Professor für zelluläre Neurobiologie und Direktor des zoologischen Instituts an der Technischen Universität Braunschweig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Lernen und Gedächtnis, zu denen er mehrere Bücher verfasst hat. Sein letztes Buch «Frisch im Kopf. Wie wir uns aus der digitalen Reizüberflutung befreien» erschien im Mai 2023 bei der Deutschen Verlagsanstalt in München.
Ohne Dopamin geht nichts
«Der Begriff Dopamin-Detox ist irreführend», sagt Korte. «Dopamin ist lebensnotwendig. Wir können nicht einfach darauf verzichten oder uns davon entgiften.» Tatsächlich sei Dopamin kein Glückshormon, sondern ein wichtiger Botenstoff für unser Gehirn. Und dieser ist gar nicht für Glück verantwortlich, sondern gibt uns Motivation und treibt uns in unserem Alltag an. «Dopamin sorgt dafür, dass wir uns auf Belohnungen freuen.» Diese Erwartungshaltung sei zentral, sagt Korte. Experimente mit Mäusen hätten gezeigt, dass vollständiger Dopamin-Entzug fatale Folgen habe. Selbst wenn man den Mäusen Futter vorgelegt habe, seien diese mit der Zeit verhungert. Da sie kein Dopamin ausschütteten, hätten die Mäuse keinen Antrieb mehr gehabt, um zu fressen.
Dennoch kann Korte der Grundidee vom Dopamin-Detox einiges abgewinnen, auch wenn der Begriff nicht treffend ist. «Es wäre treffender, von Genuss-Verzicht zu sprechen.» Die Idee, auf die schönen Dinge des Alltags zu verzichten, sei so alt wie die Menschheit selbst, sagt der Neurowissenschaftler. «Wer zwischendurch angenehme Aspekte des Lebens aussen vor lässt, hat nachher wieder mehr Freude an ihnen.»
Vier bis sechs Wochen zur Entwöhnung
Da wir im Alltag derart vielen Reizen ausgesetzt seien, leide unser Dopamin-Haushalt darunter. «Ein zeitweiliger Verzicht kann sich hier lohnen», sagt Korte. Es gehe dabei vor allem darum, uns von ungesunden Verhaltensweisen zu entwöhnen. Nach vier bis sechs Wochen würde sich unsere Selbstkonditionierung von selbst regulieren. Das heisst: Unsere zuvor abgestumpften Dopamin-Rezeptoren haben sich dann wieder erholt, so dass wir keine allzustarken Reize mehr brauchen, um motiviert zu bleiben. Wo vorher drei Gläser Wein nötig waren, bis wir eine Belohnung – in Form von Entspannung – spüren, ist dann vielleicht nur noch eines oder gar keines mehr nötig.
Es sei beim Genussverzicht essenziell, dass man es nicht nur beim temporären Verzicht belasse, sondern sich in dieser Zeit auch überlege, wie man sein Verhalten nachhaltig verändern kann. «Sonst fällt man nach Ablauf der Fastenzeit rasch wieder in alte Muster zurück.» Insofern müsste man die Zeit des freiwilligen Verzichts dafür nutzen, sein Verhalten zu hinterfragen.
Verzicht muss individuell sein
In welchen Bereichen des Lebens man einen solchen Genuss-Verzicht ausübe, sei ein individueller Entscheid, sagt Korte. Klassische Verzichtsfälle seien dabei der Smartphone- oder Alkoholkonsum, Masturbation und Konsum pornografischer Inhalte, aber auch das Ess- und Schlafverhalten.
Laut Korte ist es zentral, dass der Verzicht freiwillig und autonom geschehe – und nicht einfach einem Trend oder den Erwartungen unserer Mitmenschen folge. Ein guter Indikator, ob sich ein Genussverzicht lohne, sei oft bereits ein diffuses Unbehagen über das eigene Verhalten – wenn man also bereits wisse, dass man zu viel am Smartphone hänge, zu viel Alkohol trinke oder sich zu oft selbst befriedige. «Wer auf dieser Grundlage ein paar Wochen Verzicht aushält und die Zeit für eine Neuausrichtung nutzt, kann langfristig stark vom Genussverzicht profitieren.»