Trotz Abdeckung
In 25 Jahren hat es am Titlis keinen Gletscher mehr

Fast fünf Meter dick ist der sichtbare Unterschied. So viel Gletscher ist auf dem Titlis diesen Sommer abgeschmolzen im Gegensatz zum Gletscher, der den Sommer unter einer Abdeckfolie verbrachte. Was dies bedeutet.
Publiziert: 05.01.2023 um 12:02 Uhr
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Hier wird ein Teil des Gletschers am Titlis im Sommer 2022 abgedeckt...
Foto: Titlis Bergbahnen
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Barbara EhrenspergerRedaktion Green

«In 25 Jahren gibt es wahrscheinlich keinen Gletscher mehr am Klein Titlis», sagt Urs Egli (46), Marketing-Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung von Titlis Bergbahnen, Hotels & Gastronomie. Für Egli ist das Szenario, dass der Gletscher «stirbt», seit Jahren klar: «Am Titlis haben wir einen Hanggletscher. Die Nährzone ist oben unterhalb vom Gipfel des Gross Titlis, doch diese ist im Vergleich zum übrigen Gletscher sehr klein. Das heisst, wir wissen, dass der Gletscher sich laufend verkleinern wird, bis nicht mehr da ist», erklärt er.

Aufwändig und teuer

Trotzdem wird der Gletscher gehegt und gepflegt. Seit 2012 wird ein Teil des Gletschers mit einem Vlies aus einem UV-beständigen Geotextil im Frühling abgedeckt und im Herbst wird das Vlies wieder entfernt. Was das bringt? Dieses Jahr betrug der Höhenunterschied vom nicht-abgedeckten Gletscher zum abgedeckten Teil fast fünf Meter – so gross war der Unterschied noch nie. «Es war den ganzen Sommer lang sehr heiss und bis tief in den Herbst hinein blieben die Temperaturen hoch», sagt Egli.

Die abgedeckte Fläche betrug dieses Jahr 14 Fussballfelder, im Jahr zuvor waren es 10 Felder. Das entspricht rund einem Fünftel der gesamten Gletscheroberfläche. Die Abdeck-Arbeiten sind aufwändig und damit teuer.

«Je weisser, sauberer die Abdeckung, umso besser ist der Gletscher darunter geschützt. Wenn das Vlies dreckig ist, ist die Reflexionsfähigkeit reduziert», erklärt der Marketingleiter. Grundsätzlich kann das acht Millimeter dicke Vlies mehrere Saisons verwendet werden. Entsorgt werden muss es nicht, denn es ist reines Polyester, das gut recycelt werden kann.

200 Tage Saison

Warum nehmen die Titlis-Bergbahnen so viel Mühe und Kosten auf sich, um den Gletscher zu schützen? «Es ist nicht so, dass wir nachhaltig sind, weil wir grundsätzlich nett sind – sondern weil es sich lohnt», sagt Egli mit einem Schmunzeln.

Lohnen heisst konkret: Dank dem Abdecken müssen sie nicht auf kühle Temperaturen hoffen, damit sie beschneien können im Herbst, um als erstes Skigebiet in der Zentralschweiz eröffnen zu können. Dank dem Abdecken hat es am Titlis genügend Schnee für eine Skisaison von Mitte Oktober bis ungefähr Mitte Mai. «Dieses Jahr werden wir bereits am 7. Mai schliessen, damit wir rechtzeitig mit dem Abdecken beginnen können», sagt Egli. Zudem habe das Titlis-Skigebiet den Vorteil, dass es nordseitig liege. Früher ein Nachteil, weil zu wenig sonnig – heute ein Vorteil, weil der Schnee besser liegenbleibt.

Dank dem Trübsee Energie und Wasser

Dass auch Skitouristen sich Gedanken über die Nachhaltigkeit ihres Lieblingssportes machen, merke man, meint der 46-Jährige: «80 Prozent der Gäste finden es positiv, dass wir möglichst nachhaltig arbeiten, bei 53 Prozent der Gäste ist die Nachhaltigkeit bereits ein Teil des Kaufentscheides».

Dank dem Trübsee verfügt das Gebiet über erneuerbare Energie und kann auch von dort das Wasser fürs Beschneien nutzen. «Wir investieren in moderne Anlagen, weil wir diese umweltfreundlicher, also mit weniger Strom, betreiben können», zählt Egli die Bemühungen auf. Dazu kommen Photovoltaik-Anlagen, aber auch Gedanken an die Zukunft ohne Gletscher.

Wie weiter ohne Gletscher?

Denn 450 Arbeitsstellen bieten die Engelberg-Bahnen. Und was soll geschehen, wenn 2048 keine Gletschergrotte mehr zu besichtigen ist und es auf dem Gipfel nur noch Felsen und das Panorama zu bewundern gibt? Ein 50-Meter-Turm vom Basler Architekten-Duo Jacques Herzog und Pierre de Meuron soll dann die Attraktion sein.

Noch schätzt Egli den Gletscher und dass es sich betriebswirtschaftlich lohnt, diesen samt Schnee, der zusammengeschoben wird im Frühling, abzudecken. Denn: «Wir bieten ein grundsätzlich natürliches Produkt an, das künstlich ausgebaut wurde.»

Um zu zeigen, wie schön diese Abfahrt dank Gletscher ist, geht es auf die Ski und den Hang hinunter bis zum Gletscherlift. Schaden wir damit dem Gletscher? «Nein, im Gegenteil, vermutlich gibt es dank der Abdeckerei den Gletscher noch ein, zwei Jahre länger», sagt er. Gletscherschutz, weil es sich betriebswirtschaftlich lohnt.

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