«Thomas ist zu alt», erzählt Nicolas Hänny (29), Mitgründer der nachhaltigen Kleidermarke Nikin und grinst dabei verschmitzt, wie man es unter Freunden tut, wenn man sich neckt. Thomas Burkard ist 32 Jahre alt und darum als einziger der Nikin-Geschäftsleitung nicht berücksichtigt auf der Forbes-Liste «30 under 30» in der Kategorie Social Impact.
Auf der Liste mit Hänny stehen der Mitgründer und Jugendfreund Robin Gnehm (28) und Carla Vilela Gonzaga Hänny (28), Miteigentümerin und Ehefrau.
Umsatz von 13 Millionen Franken
Total überrascht klingt Hänny, als er erzählt, was sie alles geschafft haben: 2017 haben Robin Gnehm und er die Firma gegründet – mit 5000 Franken Startkapital. 2020 haben sie einen Umsatz von 13 Millionen Franken erwirtschaftet und 40 Stellen geschaffen.
«Das hört sich unglaublich an, wenn ich das so erzähle», findet Hänny. Am meisten begeistert ihn aber, dass sie über eine Million Bäume mit ihrem Unternehmen gepflanzt haben – für jedes verkaufte Produkt pflanzt Nikin einen Baum. «Im Dezember 2020 haben wir dies mit unseren Kundinnen und Kunden und unserer Community geschafft», sagt Hänny.
Als Vergleich haben sie ausgerechnet: Eine Million Bäume bedecken ungefähr eine Fläche von 81 Quadratkilometern. Die Stadt Zürich weist eine Fläche von 88 Quadratkilometern auf. Oder anders gesagt: Eine Million Bäume bedecken eine Fläche von 11'345 Fussballfeldern. Zur Feier dieses Meilensteins haben die Inhaber eine mächtige Buche am Fünfweiher in Lenzburg AG, dem Sitz von Nikin, adoptiert.
Baum als Logo, Baum als Nutzen
Der Wald und Lenzburg sind zwei feste Bestandteile von Nikin. Denn die Gründer Gnehm und Hänny kennen sich, weil sie in Lenzburg zusammen in die Pfadi gingen und bereits ihre Eltern sich schon kannten. 2016 wollte Hänny «etwas Eigenes» machen und traf sich am 20. Oktober mit Robin Gnehm, der gerade aus Kanada zurückkam, auf ein Bier – in Lenzburg.
Zuerst hatten sie die Idee, gemeinsam ein T-Shirt zu produzieren. Das schien ihnen dann aber zu kompliziert. So kamen sie darauf, einen Beanie, also eine Mütze, zu lancieren. Das Baum-Logo war eine Idee von Gnehm, die er aus Kanada mitbrachte. «Stil und Nutzen sollte unser Produkt haben», erzählt Hänny.
Und da war die Idee rasch zur Hand: Wenn wir schon einen Baum als Logo haben, dann setzen wir doch für jede verkaufte Mütze einen Baum.
Die ersten 60 Mützen trafen bald in Lenzburg ein, und die Mutter von Robin Gnehm setzte sich an die Nähmaschine und nähte auf jede das Baum-Logo. So starteten sie 2016 und investierten ihr ganzes Vermögen von 5000 Franken.
Im September jeweils fast pleite
Von da an ging es rasant weiter: Im Januar 2017 stiegen die Geschwister von Gnehm und die Frau von Hänny ein, dann wurden mehr Produkte entworfen, alles wuchs und wuchs.
Aus der einfachen Gesellschaft wurde eine Gmbh und seit 2020 sind sie eine Aktiengesellschaft. Was blieb: 5000 Franken Startkapital – sie haben nie einen Kredit aufgenommen, sondern alles aus ihren Gewinnen finanziert. Aus einem Umsatz 2017 von 300'000 Franken wurden 2020 13 Millionen Franken. «Und doch sind wir im September jedes Jahr quasi pleite», sagt Hänny. Denn für die Vorräte für das Weihnachtsgeschäft geht immer das ganze Vermögen der Firma drauf.
Kleine Schritte, aber mit möglichst vielen Menschen
«Wir sind nicht die nachhaltigste Firma der Schweiz», sagt Hänny direkt. «Wir suchen das Gleichgewicht zwischen ökologisch, sozial und einem Preis, der total okay ist.» Es sei auch nie ihr Ziel gewesen, das nachhaltigste Unternehmen zu sein. Und noch viel wichtiger ist ihnen, dass sie «nicht missionieren», sondern einfach jede Gelegenheit packen, etwas nachhaltiger zu machen. «Wir wollen kleine Schritte in die richtige Richtung machen. Aber dafür die Massen begeistern.» Die Umsatzzahlen zeigen, dass sie das wohl schaffen.
Obwohl sie gerade ein neues Produkt lanciert haben, einen umweltfreundlichen Schuh, ist ihr Ziel, «mehr zu fokussieren». Weniger Artikel, dafür mit diesen näher beim Hersteller und mit möglichst transparenter Herstellerkette. Zudem möchten sie in Deutschland und Österreich Fuss fassen.
Bio-Gemüse und Restaurant-Besuche
«Noch kein einziges Mal haben wir uns einen Gewinn oder eine Dividende ausbezahlt. In einem guten Jahr gabs einen dreizehnten Monatslohn», sagt Hänny. «Aber ich kann mir alles leisten, was ich möchte.» Bio-Gemüse vom Bauer und zweimal pro Monat auswärts essen sind für ihn der Luxus, den er schätzt.
Und nach Brasilien fliegen zu können – zur Verwandtschaft seiner Frau. «Natürlich ist das nicht ökologisch, aber für uns so wichtig, dass wir gerne auf anderes verzichten», sagt er.
Neben all den Erfolgen zählt aber für Hänny noch etwas anderes: «Robin und ich haben in der ganzen Zeit nie gestritten und meine Frau ist immer noch meine Frau.»