Keine Industriesträusse
Blüemlisex pflanzt Blumen für Bienen, Schnecken und Nein-Sager

Wer Blumen möchte, die ohne Chemikalien auskommen, ist bei «Blüemlisex»-Gärtnerin Ulrike Schumann (41) an der richtigen Adresse. Allerdings muss man dafür auch für die von den Schnecken gefressenen Pflanzen bezahlen.
Publiziert: 30.06.2022 um 16:09 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2022 um 16:40 Uhr
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Ulrike Schumann (41) hat vergangenes Jahr mit dem Anbau von Blumen begonnen und verkauft diese unter dem Namen Blüemlisex.
Foto: Raphaela Pichler
Barbara Ehrensperger

«Nein zu Chemikalien, Nein zu Konservierungsmitteln, Nein zu fragwürdigen Arbeitsbedingungen, Nein zu CO₂-Emissionen von Flugzeugen, Nein zu unnötigen Transporten, Nein zu Steckschaum, Nein zu Einmal-Plastik – einfach Nein zu allem, was beim Anbau echter Blumen komplett fehl am Platz ist.» Diese Neinsagerin ist Ulrike Schumann (41), die Frau hinter den Blumen von Blüemlisex. Sie sagt dafür Ja zu mehr Arbeit, Ja zu mehr Insekten, aber auch Ja zu wenig Lohn.

«Die Blumen wären enorm teuer», sagt Schumann, wenn sie im Blumenverkaufspreis ihre Arbeit als Gärtnerin richtig verrechnen würde. «Das bezahlt heute niemand.» Die Blüemlisex-Blumen kosten mindestens so viel wie ein Strauss aus einem Blumengeschäft und deutlich mehr als beim Detailhändler – und doch sind die Kosten damit bei weitem nicht gedeckt.

Schnecken fressen die Hälfte

Denn auf dem Feld in Niederneunforn – Nidernüüfere – im Kanton Thurgau wachsen die Blumen nicht als Monokultur oder im Gewächshaus. Sondern sie werden aus Samen gezogen, und als Setzlinge ausgebracht. «Je nach Hunger der Schnecken muss ich die Hälfte der Setzlinge nochmals setzen», sagt Schumann. Sie beklagt sich aber nicht, denn sie findet: «Auch Schnecken müssen leben.» Selbst wenn der Anblick der leer gefressenen Stellen «anstrengend» sei.

Wenn die Setzlinge zu Blumen werden, kommen Bienen und andere Insekten. Und so kam auch der Name: «Blüemlisex impliziert die Insektenfreundlichkeit von meinen Blumen gleich mit», erklärt Schumann. Und zudem seien natürlich gewachsene Blumen «von Natur aus sexy, echt, sinnlich, betörend, eigenwillig».

Blumen per Bus und Post

Wenn die Blumen dann gewachsen sind, geht die Arbeit weiter. «Meist sind quasi über Nacht alle Pflanzen am Blühen und ich muss schauen, dass ich es schaffe, diese zu schneiden», sagt die gelernte Werbetexterin, die ursprünglich aus Berlin kommt, aber schon seit langem in Zürich wohnt. Weil im letzten Jahr, ihrem ersten Jahr als Gärtnerin, eben alle Blumen aufs Mal blühten, kam sie – nachdem sie viele Blumen via Instagram verschenkt hatte – spontan auf die Idee, diese einfach beim Büro ihres Partners draussen als «Sträusse zum Mitnehmen» anzubieten.

Da Schumann nicht Auto fährt, reist sie mit den Blumen mit dem Bus von Niederneunforn nach Frauenfeld TG und von dort weiter mit Zug und Tram nach Zürich Albisrieden. Zu den Kundinnen und Kunden mit einem Blumen-Abo kommen die Blumen auch per Post. Geht das? «Die Blumen, die man sonst so kauft, haben einen viel, viel weiteren Weg hinter sich, als einen Tag im Karton mit Wasser bei der Schweizer Post», erklärt sie.

So sieht ein Blumenpaket von Blüemlisex aus.
Foto: Barbara Ehrensperger

Keine Zeit, Geld auszugeben

Ausser effizienter werden dank mehr Erfahrung und dem Wissen, was verlässlich wächst, sieht Schumann keine Möglichkeit, ihre «Slowflowers» wirklich kostendeckend anzubieten – aber das ist auch nicht ihr Ziel. Sie möchte aufzeigen, wie schön und duftend Blumen von hier sind, die auch der Natur guttun.

Lachend erklärt sie zudem: «Die Blumen-Arbeit kostet mich so viel Zeit, dass ich gar keine Zeit mehr habe, um Geld für Ferien oder Kleider auszugeben.» Ab und zu gönne sie sich mit ihrem Partner den Luxus eines feinen Essens auswärts. «Blumen sind schon Luxus, das geniesse ich sehr.» So arbeitet sie nur noch so viel, wie finanziell unbedingt nötig, als Werbetexterin.

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Fragwürdiges Geschenk

Neben Schnecken und Blattläusen kann auch Hagel die Arbeit zunichtemachen. «Letztes Jahr war schrecklich: Hagel und viele Stürme. Und dieses Jahr sieht es nicht besser aus… Ausser nachsichtig gegenüber der Natur sein und ab und zu mal rumstampfen, kann ich nichts machen», erzählt sie. Auf der anderen Seite sei es wunderbar zu sehen, wie sich die Pflanzen auch wieder erholen und weiter wachsen.

Viele Kundinnen und Kunden sind «irritiert vom Duft der Blumen». Die meisten konventionellen Schnittblumen seien eben auf Perfektion und Transportfähigkeit ausgerichtet und weniger auf den natürlichen Duft. Sie fragt rhetorisch: «Schon jemals in einem Garten eine rote Rose mit langem Stiel wachsen sehen, wie sie in den Läden aber üblicherweise verkauft werden?»

Knallhart fügt sie hinzu: «Blumen verschenkt man oft. Doch wenn man es sich genau überlegt, ist es kein Geschenk. Denn die Blumen kommen überwiegend nicht aus Europa. Sondern von irgendwo, wo Herbizide und Pestizide – die bei uns verboten sind – erlaubt sind und angewandt werden. Kurzum: Mit einem solchen Blumenstrauss schenken wir Chemie, ausgebeutete Natur und Menschen, sowie Transporte, die allen schaden.»

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