Am liebsten wolle er die ganze Welt retten, erzählt Jojo Linder (37) im Gespräch mit Blick. «Etwa so naiv bin ich vor ein paar Jahren nach Indien gereist, wo wir mit Spendengelder zwei Schulhäuser bauten», erzählt der Stadtzürcher, der heute in Wila ZH wohnt.
Linder arbeitete damals in der Entwicklungshilfe. Permakultur, also dauerhafte Landwirtschaft, die darauf basiert, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe in der Natur nachzuahmen, war damals ein grosses Thema.
In einem Kurs, in dem Kompost-Toiletten gebaut wurden, lernte Linder, wie aus Fäkalien, oder dem «human output», wie Linder es nennt, wertvolle Erde entsteht, die man zum Pflanzen nutzen kann.
Den Kreislauf schliessen
Linder war begeistert, dass man aus «Abfall» etwas Wertvolles herstellen konnte. Für die Menschen in Indien ist eine gute Erde lebenswichtig, weil sie damit Essen anbauen konnten.
Aus der Not wurde für ihn eine Tugend und er fragte sich: Warum machen wir das nicht auch in der Schweiz? Warum spülen wir «unsere Wertstoffe» in die Kanalisation, wo sie verloren gehen?
Linder war so angetan von der Idee, dass er verschiedenen Leuten davon erzählte. Unter anderem Marcos García Tomé, einem Umweltingenieur. Die beiden bauten dann zusammen das erste WC, bei dem Kompost entsteht. Es entstand ein heimeliges WC-Häuschen aus Holz, das viel angenehmer ist als die herkömmlichen Plastik-/Chemietoiletten.
Die Fäkalien werden nicht entsorgt, sondern zum «Bodenverbesserer», wie Linder erklärt: «So schliesst sich ein wichtiger natürlicher Kreislauf»
Toiletten für Events
Vor rund zehn Jahren bauten die beiden die ersten Kompotoi – wie sie die Holzhäuschen nennen – für ein Surfer-Büro, das rund 500 Leute zu einem Event einlud. «Da ging vieles schief», erzählt Linder lachend. «Es war eine Herausforderung, aber wir blieben dran», sagt er.
Jeder Event bekam neue, verbesserte Toiletten. «Wir schauten jedes Mal, was gut funktionierte, was nicht und verbesserten», sagt er. 2016 war es so weit: Diese Toilette funktionierte überall und für alle.
Für Benutzerinnen oder Benutzer ist es simpel: Auf die Toilette gehen, Einstreu über sein Geschäft streuen, fertig. «Wir haben gemerkt, dass es ganz einfach sein muss, sonst sind die Leute unzufrieden. Wenn 50 Prozent es richtig benutzen, funktioniert es», sagt Linder. Und 2016 war es eben soweit und Tomé und Linder gründeten die Firma Kompotoi.
Mehr als ein Plumpsklo, das stinkt
«Wenn wir von unseren WCs erzählen, gibt es zwei Arten von Reaktionen darauf», sagt Linder. «Die einen finden es genial, die anderen denken, es sei nur ein moderneres Plumpsklo, das stinkt.»
Stinken tut zum Glück nichts. Weil «Flüssiges» (Urin) und «Festes» wo immer möglich getrennt oder mit den Holzspänen gebunden wird, wird ein Geruch vermieden. Stinken tue das Ammoniak im Urin, wenn er dampft, erklärt Linder. Die Holzspäne vermeiden das. Und er gibt gleich noch ein weiteres anschauliches Beispiel: «Nicht jeder Kuhfladen stinkt – nur diejenigen, deren Oberfläche offen ist».
In grossen Tonnen sammelt das Unternehmen den «Human Output». Dann geht es zum Kompostbetrieb, wo er zu Dünger und Erde weiterverarbeitet wird.
Alles aus der Schweiz
Dünger und Erde werden in der Schweiz wieder gebraucht. Dass alles lokal hergestellt wird, ist für Linder wichtig. Auch das Einstreu, also die Holzspäne, stammen als Abfallprodukt von einer Sägerei.
Die Haupteinnahmequelle von Kompotoi ist die Vermietung und der Verkauf der WCs. 400 Stück waren letztes Jahr über die ganze Schweiz verteilt in Betrieb und gerade bauen sie weitere 400 Stück. «Wir wachsen ganz organisch – wie eben alles bei uns», erzählt Linder schmunzelnd.
Holz-Häfi für die Kinder
Auch privat lebt Linder gerne nachhaltig, aber nicht extrem. «80 Prozent erreichen ist gut, die letzten 20 Prozent sind schwer», findet er.
Seine Partnerin sei in Sachen Nachhaltigkeit viel konsequenter – was er sehr schätze. Die beiden sind Eltern von zwei Mädchen im Alter von drei und fünf Jahren. Gewickelt wurden sie mit Stoffwindeln. «Aber ich bin froh, dass das schnell vorbei war», lacht Linder. Und fügt an: «Das war bestimmt, weil sie so ein schönes Holz-Häfi hatten».