Handgemacht in Saas-Fee VS
Aus alten Gleitschirmen werden Rucksäcke

Statt einfach neues Material zu verwenden, näht diese Textildesignerin aus alten Gleitschirmen und Kites leichte Rucksäcke. Ein Besuch in ihrem Mini-Atelier im Saastal.
Publiziert: 15.05.2023 um 10:44 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2023 um 17:09 Uhr
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Hier näht Häberle den Abschluss des Deckelbereiches eines Rucksacks in ihrem kleinen Atelier.
Foto: Schweizer Berghilfe / Yannick Andrea
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Barbara EhrenspergerRedaktion Green

Gleich viel wie vier Tafeln Schoggi – so viel wiegt ein 32-Liter-Rucksack, den Janine Häberle (36) selbst näht. Ein normaler Rucksack wiegt im Schnitt so viel wie 14 Tafeln Schokolade. «Ich könnte also zehn Tafeln Schoggi in den Rucksack einpacken und hätte erst das Gewicht eines leeren, normalen Rucksacks am Rücken», denke ich laut.

Janine Häberle schmunzelt ab meiner Rechnung. Wir sitzen an der Sonne, zu unseren Füssen Häberles Hund und vor uns die Aussicht das Saastal hinauf. Die Terrasse ist der Eingangsbereich von Häberles Atelier, das ein kleines Zimmer in der Ferienwohnung ihrer Mutter ist.

Mini-Atelier

«Dinge möglichst lange zu nutzen und auch vielfältig, das ist mir wichtig», sagt die 36-Jährige, die Textildesign in Luzern studiert hat und heute in Saas Fee lebt. Die Regale im Atelier waren früher ein Sofa.

Sie sieht mich schmunzeln, als wir vom Sonnenbalkon ins Atelier hineingehen. Ja, ich hatte mir den Arbeitsbereich grösser vorgestellt: Nur etwa zwei auf vier Meter gross ist der Nähraum. Auf dem Tisch haben die zwei Nähmaschinen Platz. Das Werkzeug hängt an der Wand, wie auch die Rucksack-Prototypen und das Material.

Erste Modelle immer noch in Gebrauch

«Den ersten Gleitschirm habe ich vom Freund meiner Mutter bekommen. Den Schirm habe ich ohne grosse Recherche einfach mal verschnitten und versucht, alles zu nutzen, um einen Rucksack zu bekommen», erzählt die in Wolfhausen bei Bubikon ZH aufgewachsene Textildesignerin. Die Gleitschirm-Leinen hat sie geflochten, damit Bänder entstanden.

«Sechs Prototypen brauchte es, bis es passte», sagt sie. Aber auch die ersten Modelle waren so gut, dass diese noch immer genutzt werden: «Ja, meine Mutter und eine Kollegin brauchen diese immer noch.»

Das war im Herbst 2020, als diese ersten Modelle entstanden. Auf die Idee kam sie durch einen Bekannten, der einen leichten Rucksack aus Ripstop-Gewebe nutzte. Gleitschirme und Kites sind aus demselben Material und diese werden ausrangiert, auch wenn der Ripstop-Stoff noch weiterverwendet werden kann.

Rund sieben Stunden Arbeit

Rund 100 Rucksäcke hat Häberle verkauft. Ungefähr sieben Stunden benötigt sie für die Herstellung eines Touren-Rucksacks. Heute hat sie zwei Modelle im Angebot: den Tagesrucksack «Mittaghorn», der 250 Gramm leicht ist und 22 Liter Platz hat, und den Tourenrucksack «Südlenz», der 400 Gramm wiegt und 32 Liter Volumen hat.

Weil das Atelier so klein ist und ein Gleitschirm ausgebreitet viel Platz benötigt, schneidet sie im Wohnzimmer der Ferienwohnung die Stücke zu. Aus einem Gleitschirm kann sie 12 bis 20 Produkte nähen. «So entstanden die kleinen Packtaschen und Necessaires. Ich hatte noch Material übrig und wollte dieses nutzen», sagt Häberle.

Eine Naht aus acht Schichten

Weitere Ideen hat die Textildesignerin schon: Ein Hundegeschirr und später vielleicht Kinderrucksäcke möchte sie unter ihrem Label «Schwarzberg Saasfee» herstellen. Von den genähten Stücken kann sie (noch) nicht leben. Starthilfe bekam sie von der Stiftung Schweizer Berghilfe. Heute reicht es, dank eines 50-Prozent-Jobs und ihrer sparsamen Lebensweise, zum Leben.

«Das Grundmaterial muss ich zwar nicht bezahlen, das schicken mir Freunde und Unbekannte zu», erklärt sie. Das Porto übernimmt sie und auch das Auftrennen und Waschen des Gleitschirms. Der Aufwand – die Aussennaht besteht aus acht Schichten, damit sie besonders stabil ist –, mit gebrauchtem Material zu nähen, ist höher, als bei neuen Materialien.

Kunden reisen nach Saas-Fee

«Einmal durfte ich einen kompletten Gleitschirm vernähen, von einem Paar, das auswanderte. Sie schenkten ihren Kindern, Enkeln und engen Freunden diese Rucksäcke und Taschen». Die Begeisterung, dass jemand auch so nachhaltig denkt, ist Häberle anzuhören. Und auch, dass Kunden zu ihr ins Saastal reisen, um eine neue Schnalle für ihren Rucksack zu bekommen.

Jedes Stück ist ein Unikat, aber: «Gefällt es einem Kunden, einer Kundin nicht, so kann man es retournieren», betont Häberle. Zufriedene Kunden nutzen das Produkt länger und das ist ihr das Wichtigste. Nachhaltig soll es sein. So nimmt sie eben auch die Einschränkungen beim Design mit gebrauchter Ware als bereichernde Herausforderung. Meine Herausforderung, ohne einen Rucksack zu kaufen, zurückzukehren, konnte ich allerdings nicht meistern.

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