«Gerade haben wir wieder einige Pflanzen gesetzt, denn die Schnecken haben alle Setzlinge aufgegessen», erzählt Jenny Agin (35), die in Bremgarten AG einen Gemeinschaftsgarten betreibt.
«Salate, Kürbise, Zucchetti, Kräuter, Randen, Krautstiel, Auberginen, Pak Choi, Bohnen – alles ist weg.» Nur vier Tomatenstauden und eine Artischocke stehen noch im Garten an der Ringstrasse, direkt beim Badi-Parkplatz.
Ein Ort für alle
Die Fläche des «Zukunftsgarten», wie Agin und die anderen Projektleitenden ihn liebevoll nennen, wurde ihnen vor fünf Jahren von den Ortsbürgen zur Verfügung gestellt. Er dient als Lebensraum für Tiere und als öffentlicher Treffpunkt für Bewohner.
«Jeder ist eingeladen, hier zu verweilen, Zeit zu verbringen und sich gärtnerisch zu betätigen», schreibt die Gruppe auf der Crowdfunding-Plattform Lokalhelden, wo sie versuchen, Geld für den Garten aufzutreiben.
«Jeder von uns investiert, was er kann»
«Damit wirklich jede und jeder mitmachen kann, erheben wir keinen Mitgliederbeitrag», erklärt Agin. Bisher hat die Kerngruppe alles aus dem eigenen Sack bezahlt. «Jeder von uns investiert, was er kann und möchte», sagt die gelernte Landwirtin.
Für grössere Anschaffungen wie Hügelbeete, Pflanzgut, Holzschnitzel, Mulchmaterial, Werkzeug und Baumaterialien, sammelt die Gruppe Spendengelder.
Ausserdem soll durch das Crowndfunding eine Obstbaum-Lebens-Gemeinschaft entstehen. Durch Obstbäume und Pflanzen, die wenig Licht brauchen, soll so eine Oase für Insekten entstehen.
Die Gruppe versucht aber, die Kosten so flach wie möglich zu halten. So wird zum Beispiel in Tonnen Regenwasser zum Giessen gesammelt.
«Ich bin im Garten – wer kommt auch?»
«Im Juni hatten wir viele Himbeeren und Kräuter», sagt Agin. Es sei immer etwas zum Mitnehmen da. Jede Woche sind rund zehn Personen im Garten aktiv. In einer Whatsapp-Gruppe organisieren sich die rund 35 Personen, wer am Abend Schnecken einsammeln geht oder am Samstag Unkraut jätet.
Der Zukunftsgarten hat keine Türe, aber ein Erkennungszeichen: eine grosse, von weitem sichtbare Ameise – ein Kunstprojekt von einem Künstler in der Altstadt. Wie der Garten ist auch die Ameise zum Anfassen gedacht.
Jeder, der beim Zukunftsgarten vorbeikommt, darf Himbeeren oder einen Salat mitnehmen. Wer im Garten mitarbeiten möchte, meldet sich bei Agins Partner Michael Gretener und landet in der Whatsapp-Gruppe, wo es heisst «Ich bin im Garten, wer kommt auch?».
In Gedanken immer im Garten
«Es ist Herzensprojekt», so Agin. Nach Feierabend drehe sie oft noch eine Runde im Garten. Und wenn es stürmt, denke sie sofort: «Hoffentlich knicken die Tomaten nicht ein.»
«Der Blickwinkel verändert sich, wenn man mit einem Garten lebt. Man freut sich über Regen, macht sich Sorgen, wenn es zu sehr stürmt. Man lebt mit der Natur – auch wenn man tagsüber im Büro sitzt.»
Ein Unfall veränderte alles
Die Freude am Gärtnern ist Jenny Agin anzusehen – und auch die Energie, die sie in das Projekt reinsteckt. Doch: «Seit einem Unfall kann ich nicht mehr so praktisch arbeiten, wie es früher gemacht und gerne getan habe», erzählt sie.
Im Dezember 2016 veränderte sich Agins Leben stark. Sie arbeitete damals in der Gandegghütte im Wallis und befeuerte am Morgen den Kaminofen in der Gaststube. Als sie mit einem Metallstück, das unter der Abluftregulierungsklappe eingespannt war, ein brennendes Holzstück in den Ofen schieben wollte, explodierte der Metallzylinder in ihrer rechten Hand. Die Kantonspolizei vermutete, dass es sich dabei um ein altes militärisches Munitionsbestandteil handelte.
«Dieser Unfall hat mein Leben umgekrempelt. Die rechte Hand fehlt mir und ich habe Verletzungen und Narben am ganzen Körper», so Agin. «Ich habe noch so viele Ideen, aber kann nicht alles machen».
Sein Essen selber anbauen
Heute arbeitet die studierte Landwirtin in der Geschäftsstelle der Firma Kompotoi, die Kompost-Toiletten herstellt und vermietet. «Es ist meine erste Bürostelle», erzählt sie. Die Arbeit bereite ihr Freude.
Ihre restlichen Kapazitäten setzt Agin für den Zukunftsgarten ein. «Es ist eine schöne Herausforderung, sein Essen selber anzubauen», sagt sie, bevor sie sich verabschiedet und Schnecken einsammeln geht.