Schweiss statt Helikopter
Materialtransport auf die Bietschhornhütte

660 Kilo Holz, Getränke und Fleisch aus dem Lötschental müssen auf die Bietschhornhütte hoch. Normalerweise erledigt das ein Helikopter. Nicht so bei der Aktion «TragBar»: 49 Personen schwitzen und schleppen im Wallis – darunter Blick-Redaktorin Barbara Ehrensperger.
Publiziert: 13.07.2021 um 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2021 um 19:04 Uhr
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Wegweiser im Ried im Lötschental VS: Hier gehts lang zur Aktion «TragBar», bei der statt eines Helikopter Menschen Material hochtragen.
Foto: Barbara Ehrensperger
Barbara Ehrensperger

Sieben Kilo Holz, das ist doch nicht so viel, oder? Wenn man sie nur von der Haustüre bis zum Grillfeuer im Garten tragen muss, bestimmt nicht. Wenn man sie 1000 Höhenmeter hochträgt hingegen schon!

Genau so weit habe ich die sieben Kilo Holz auf eine Berghütte im Wallis hochgetragen. Aber ich war nicht allein: Mit mir haben 48 weitere Teilnehmende Holz, Milch und Fleisch aus dem Lötschental auf die Bietschhornhütte geschleppt.

Zwischen zwei und 25 Kilo trugen die Teilnehmenden der Aktion «TragBar». Die Idee der Initianten: Mit Muskelkraft einen Helikopterflug sparen.

«Rund 660 Kilo Material wurden hochgetragen», sagt Anne Baumgartner (32), Mit-Initiantin der Aktion des Akademischen Alpenclubs Bern (AACB), dem die Bietschhornhütte gehört. Das entspricht ungefähr der Last, die ein Helikopter zur Hütte hochfliegt.

So wenig, so schwer

Noch ist der Rucksack leicht, als ich bei der Postautohaltestelle Ried im Lötschental aussteige. Nur meine persönlichen Sachen und Proviant sind drin. Damit wir ungefähr wissen, wie viel Ware wir tragen, wiegen wir unsere Rucksäcke. Die Waage zeigt bei mir aber schon ohne Zuladung rund sieben Kilo an. So trage ich insgesamt also knapp 15 Kilo hoch. Meine Trinkflasche habe ich nicht wiegen lassen, die sollte ja leer sein, bis wir oben sind.

Die ersten Höhenmeter wiegt das Holz im Rucksack noch nicht allzu schwer. Der Weg ist leicht zu finden, es geht in vielen Kurven ausschliesslich bergauf – und das bis zur Hütte auf 2573 Metern über Meer. In der Hälfte der Strecke beginnt der Rucksack schwerer zu werden.

«Ich wusste gar nicht, wie schwer so wenig Material ist», sagt eine Teilnehmerin. Und viele andere sind sich einig: «So schätzt man die Dinge oben deutlich mehr.» Trotz Schweissperlen auf der Stirn sind alle begeistert dabei.

Mineralwasser oder Holz?

Und nicht nur beim Tragen, sondern auch bei Diskussionen: Was soll es denn in einer Hütte alles geben? Was macht mehr Sinn: Holz, um Wasser abzukochen oder gleich Mineralwasser hochtragen? Wäre es möglich, regelmässig einen Helitransport zu ersetzen. Und was wäre dafür nötig?

Auch beim Schweizer Alpen-Club SAC ist das ein Thema. «Das meiste Essen in den Berghütten wird dorthin mit dem Heli geflogen, aber es gibt auch Projekte, die nach neuen Lösungen suchen», sagt Benno Steiner (41), Fachleiter Landschafts- und Klimaschutz beim Zentralverband des Schweizer Alpen-Club SAC. Auch sie suchen neben Aktionen den Dialog, wie mit der Aktion «Klimaspuren»: Ein Gruppe wanderte von Illanz GR nach Genf und bei ihren Stopps, wurde vielfältig über Thema Klima und Berge diskutiert. Oder auch mit der Veranstaltung «Klimaschutz auf dem Teller».

Zwei Mal 1000 Höhenmeter rauf

Mit dem Regen kommen wir in der Hütte an und sind froh, dass wir die Holzlast unter der Blache deponieren können. Mit einer feinen Suppe werden wir von der Hüttenwartin Cornelia Wüthrich (47) verwöhnt.

Die einen Teilnehmenden wandern am gleichen Tag wieder mit leerem Rucksack ins Tal, knapp 20 Personen geniessen eine Nacht in der Hütte, und ganz Trainierte laufen ein zweites Mal runter, um noch mehr Holz hochzutragen.

Holz statt Essenvorräte

«2019 kam diese Aktion erstmals zur Sprache. Ich fand es eine gute Sache – aber es musste auch in meinen Hüttenalltag passen», sagt die Hüttenwartin. Neben der Tragbar-Aktion sollten ja auch noch Tagesgäste versorgt werden.

Geplant war, die Zweitversorgung der Hütte mit Lebensmitteln sicherzustellen. Da oben aber noch lange viel Schnee lag, konnte Wüthrich erst Mitte Juni hoch. Somit reichten die Essenvorräte, und die Initianten mussten umplanen.

Die Idee der Aktion hatte Roman di Francesco, Präsident des AACB. Eine Arbeitsgruppe des Klubs, bestehend aus ihm, Anne Baumgartner, Christoph Blum, Marcel Spinnler und Adrian Strauss, setzte die Idee schliesslich in die Tat um. Es geht ihnen nicht darum, Helikopterflüge zu verbieten, sondern, dass sich alle, die in den Bergen Erholung suchen, mit den Auswirkungen ihres Konsums in den Hütten auseinandersetzen.

Tragbar für immer?

«Die Helikopter-Versorgungsflüge bezahle ich, daher schaue ich immer, dass der Flug vollgepackt ist», sagt Wüthrich. Lieber laufe sie mal ins Tal und hole, was fehle, statt einen halbvollen Flug zu organisieren – aus finanzieller Sicht, aber auch wegen der Umwelt. Die erste Ladung zum Eröffnen der Hütte wog 1,2 Tonnen. Darunter auch Lebensmittel, die man lange halten kann. Mehl, zum Beispiel. Denn Hüttenwartin Wüthrich macht alles, was möglich ist, vor Ort.

Wäre nicht Holz ideal, um von den Gästen transportiert zu werden und so weniger CO₂ zu generieren? «Ja», findet Anne Baumgartner. «Wäre machbar», meint die Hüttenwartin. Wie immer ist die konkrete Umsetzung einer Idee nicht ganz so simpel. Ein Aufbewahrungsort im Tal müsste gefunden werden, wo die Gäste so viel Holz einladen könnten, wie sie möchten. Doch wer schaut, dass es immer genügend Buchen- und Nadelholz da hat? Und wer zeigt den Gästen oben, wo das Holz hingehört, wenn die Hüttenwartin alle Hände voll zu tun hat?

An diesen Details wird man sich aber vermutlich nicht die Zähne ausbeissen, denn alle, die dabei waren, haben erlebt, wie viel möglich ist. Gemeinsam haben sie mit purer Muskelkraft einen Helikopter ersetzt.

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