Erfinder des erfolgreichen Fingerfoods
300 Jahre Sandwich

Eine Füllung zwischen zwei Brotscheiben: Diese Erfindung geht auf den englischen Grafen John Montagu zurück, der am 13. November seinen 300. Geburtstag feiern würde. Betrachtungen über den erfolgreichsten Fastfood.
Publiziert: 31.10.2018 um 12:51 Uhr
|
Aktualisiert: 02.11.2018 um 07:31 Uhr
1/12
John Montagu, vierter Earl of Sandwich (1718–1792), gilt als Erfinder des Eingeklemmten.
Foto: Getty
Daniel Arnet

Das Eingeklemmte ist eine komplexe Materie. Das erkannte schon Mani Matter (1936–1972): «Was isch es Sändwitsch ohni Fleisch? S’isch nüt als Brot, was isch es Sändwitsch ohni Brot? S’isch nüt als Fleisch», sang er 1972 im Chanson «Betrachtige über nes Sändwitsch».

Der Berner Troubadour schloss daraus: «Erscht wenn d’mit Fleisch dys Brot beleisch, erscht wenn d’mit Brot umgisch dys Fleisch   ’berchunnsch es Sändwitsch: Brot und Fleisch; lue, dass däm geng Rächnig treisch.»

Diesem Umstand tragen die ­Amerikaner Rechnung, mehr noch: Sie ehren ihn jeweils am 3. November, dem nationalen Sandwich Day. Und wie Halloween aus den USA zu uns rüberschwappte, so ­ent­wickelt sich dieser Gedenktag ­allmählich zu einer internationalen Institution.

Spielsucht oder Arbeitswut führte zum Sandwich

Weshalb die Feier ausgerechnet auf den 3. November fällt, ist nicht ­auszumachen. Vielleicht handelt es sich bloss um einen Zahlenirrtum. Denn Tatsache ist, dass der Brite John Montagu, der vierte Earl of Sandwich, nicht am 3., sondern am 13. November zur Welt kam und dieses Jahr seinen 300. Geburtstag hat.

Montagu – sein Grafentitel lässt es erahnen – gilt als Erfinder des Sandwichs, der weltweit erfolgreichsten Fastfood-Kreation. Denn um schnelles Essen geht es ihm 1762. Der französische Historiker Pierre-Jean Grosley berichtet davon in seinem 1770 in Lausanne veröffentlichten Buch «Londre».

Der englische Aristokrat wollte das Kartenspiel nicht fürs Essen ­unterbrechen. Er orderte deshalb bei seinen Bediensteten einen praktischen Fingerfood: eine Scheibe gesalzenes Rindfleisch zwischen zwei Scheiben Toastbrot. Das faszinierte seine Mitspieler, worauf sie «ein Brot wie Sandwichs» bestellten. Ein Wort machte die Runde.

Der britische Marinehistoriker Nicholas Andrew Martin Rodger (68) liefert 1993 in seinem Buch «The Insatiable Earl» ein weniger ehrenrühriges Bild als das eines spielsüchtigen Adligen: Der Erste Lord der Admiralität sei derart mit Amtsgeschäften überhäuft ­gewesen, dass er sich ein Ein­geklemmtes ans Pult bestellt habe.

Die Füllung ist für Schweizer das grösste Kaufkriterium

So oder so: Das Oxford English ­Dictionary weist «Sandwich» fürs Jahr 1762 nach. Dieser Eintrag ist einem Zufall geschuldet, denn der Urgrossvater von Montagu sollte ursprünglich den Ehrentitel Earl of Portsmouth bekommen, weil er 1660 den englischen König Charles II. aus dem holländischen Exil auf die Insel ­zurückgeholt hatte. Charles II. disponierte kurzfristig um.

Und so bestellen wir heute kein Portsmouth, sondern – vorzugs­weise zur Mittagszeit – ein Sandwich, «Grossbritanniens grössten Beitrag zur Gastronomie», wie das «Wall Street Journal» schreibt. Im Mutterland des Sandwichs ist es denn auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: 300 000 Menschen arbeiten dort in der Branche, verkaufen jährlich 3,5 Milliarden Faustbrote und ­erzielen damit ­einen ­Umsatz von 7,5 Milliarden Franken.

Auch bei uns sind Sandwichs sehr beliebt und haben Hamburger hinter sich gelassen. Eine dieses Jahr vom Verein Schweizer Brot veröffentlichte Link-Studie zeigt, dass sich 53 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer regelmässig mit Sandwichs ernähren. Bei der jüngsten Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen ist die Tendenz gegenüber dem Vorjahr sogar steigend.

Die Studie zeigt weiter: Noch vor der Einfachheit zum Essen und der Frische der Brotscheiben sind die Zutaten dazwischen das wichtigste Kaufkriterium – die machen schliesslich den Unterschied aus.

Das längste, das schwerste, das teuerste

735 Meter misst das längsteSandwich. Für den Rekord vom 22. Mai 2011 in der libanesischen Hauptstadt Beirut brauchten 775 Personen 22 Stunden.

2,5 Tonnen wiegt das schwerste Sandwich, das am 17. März 2005 in der US-Stadt Roseville (Michigan) produziert wurde. Die 1,6 Tonnen Brot umfassen allein 65 Kilogramm Senf.

214 Dollar kostet das teuerste Sandwich, welches das New Yorker Restaurant Serendipity 3 serviert. Die Füllung besteht aus rarem Käse, den man in Hummerbisque dippt.

735 Meter misst das längsteSandwich. Für den Rekord vom 22. Mai 2011 in der libanesischen Hauptstadt Beirut brauchten 775 Personen 22 Stunden.

2,5 Tonnen wiegt das schwerste Sandwich, das am 17. März 2005 in der US-Stadt Roseville (Michigan) produziert wurde. Die 1,6 Tonnen Brot umfassen allein 65 Kilogramm Senf.

214 Dollar kostet das teuerste Sandwich, welches das New Yorker Restaurant Serendipity 3 serviert. Die Füllung besteht aus rarem Käse, den man in Hummerbisque dippt.

Heisst es im ersten Sandwich-­Rezept der Britin Charlotte Mason aus dem Jahre 1773 noch schlicht: «Lege einige sehr dünne Scheiben Rindfleisch zwischen zwei Scheiben Brot mit Butter», so veröffentlicht die US-Amerikanerin Florence A. Cowles bereits 1929 den Best­seller «Seven Hundred Sandwiches». 1936 doppelt sie mit dem Rezeptbuch «1001 Sandwiches» nach.

Märchenhaft wie aus 1001 Nacht muten manche Kreationen an: Die reichen vom Dagwood- über das Reuben- bis zum Lucullus-Sandwich. Letzteres hat eine exquisite Füllung von getrüffelter, mit Ma­deira-Wein aromatisierter Gänselebercreme – keine billige Variante. Doch gerade der Ruf, preiswerter Fastfood zu sein, reizt zu luxuriösen Sandwich-Ausführungen.

So bekommt man in den USA Brotscheiben, zwischen die rares Fleisch des japanischen Wagyu-Rinds gepresst ist. Kostenpunkt: 185 Dollar. Der Guinness-­Rekord für das teuerste Sandwich liegt bei 214 Dollar: Dessen Füllung besteht aus seltenem, grilliertem Cacio­cavallo-Käse aus Italien, weisser Trüffelbutter und 23-karätigen Goldflocken – serviert im Restaurant Serendipity 3 in New York.

Da mutet es seltsam an, dass englische Clubs ihren Mitgliedern ­früher kostenlos ein Sandwich anboten, wenn die ein alkoholisches Getränk bestellten – dies als Reaktion auf die Abstinenzbewegung im 19. Jahrhundert. Zwar ist es heute nicht mehr gratis, geblieben ist aber sein berühmter Name: Club-Sandwich.

Klimakiller Sandwich und Sandwichtöter Brexit

Die Briten erfanden und entwickelten das Sandwich nicht nur weiter, sie erforschten es auch ausführlich. So haben Wissenschaftler der University of Leeds in 1000 Stunden die mathematische Formel für das perfekte Bacon-Sandwich entwickelt: N = C + [fb (cm) x fb (tc)] + fb (Ts) + fc × ta.

N und C stehen für die Kraft, die man benötigt, um knusprigen Speck zu brechen repektive rohen Speck zu zerteilen. Specksorte (fb), Kochtechnik (cm), Bratdauer (tc), Serviertemparatur (Ts), Würz­stärke der Füllung (fc) sowie die ­benötigte Zeit, um das Brot zu belegen (ta), sind weitere Faktoren.

Ein dieses Jahr veröffentlichter Befund der University of Manchester könnte einem diese exakte Zubereitung vermiesen, denn er brandmarkt das Bacon-Sandwich als Klimakiller: Die Forscher errechneten, dass die Sandwich-Produktion auf der Insel so viel CO₂ verursacht wie der gesamte Strassenverkehr dort.

Doch der Brexit könnte dem Sandwich eh den Garaus machen: Das Magazin «Politico» deckte diesen Sommer auf, dass 60 Prozent des Schinkens, 80 Prozent der ­Tomaten und 93 Prozent der für Sandwichs verwendeten Salate aus dem Ausland kommen und mit den neuen Zollschranken nicht mehr frisch genug angeliefert werden.

Nur das Brot kommt zu hundert Prozent aus Grossbritannien. Aber wie sang Mani Matter: «Was isch es Sändwitsch ohni Fleisch? S’isch nüt als Brot.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?