Weihnachtsausstellung in Basel
Wie Protestanten aus Nikolaus das Christkind machten

Sinterklaas, Santa Claus, Santiglaus, Samichlaus: So viele Namen der heilige Nikolaus hat, so wechselvoll ist seine Geschichte wie eine Sonderausstellung im Basler Spielzeugwelten-Museum zeigt.
Publiziert: 04.12.2021 um 19:12 Uhr
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Das Spielzeugweltenmuseum Basel zeigt in seiner aktuellen Weihnachtsausstellung «HO HO HO» die Entwicklung vom «Heiligen Nikolaus zum Santa Claus» (bis 13. Februar 2022).
Daniel Arnet

«Santi Niggi Näggi, / hinderm Ofen stegg i, /gimmer Öpfel und Bire, / so kumm i wider füre.» Dieses Basler Nikolaus-Gedicht schaffte es schon 1961 in das legendäre Buch «Allerleirauh», die bis heute mustergültige Sammlung schöner deutschsprachiger Kinderreime, herausgegeben vom deutschen Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (92).

Wer «Allerleirauh» damals in den Händen hatte, könnte nun seine Enkelkinder morgen am 6. Dezember zum Santiglaus ins Basler Spielzeugwelten-Museum begleiten und den Nachwuchs dort «Santi Niggi Näggi» aufsagen lassen. Gleichzeitig liesse sich die neue Sonderausstellung «Ho Ho Ho – vom heiligen Nikolaus zum Santa Claus» bestaunen.

In neun Vitrinen präsentiert das Museum etwas mehr als hundert Objekte zum Thema: viktorianischer Christbaumschmuck mit Santa Claus aus dem England des 19. Jahrhunderts, ein Nikolaus im Fesselballon aus Deutschland, um 1890, oder deutsche Schokoladenformen mit dem Klausmotiv aus den 1930er-Jahren – mit Ausnahme dreier Stück allesamt aus der Sammlung des Museums.

Viele dieser Spielzeugraritäten aus Blech sind raffinierte Behälter für Bonbons: Da kann man einer Figur den Rucksack mit Schleckware füllen, dort lässt sich einem Esel der Kopf abnehmen, um an die Süssigkeiten darin ranzukommen. Solche speziellen Bonbonnieren sind zeitlos, wie Sibille Arnold, Gesamtleiterin vom Spielzeugwelten-Museum, weiss. «Im Moment sind Santas mit Esel als Candy Container sehr beliebt», sagt sie.

Verehrung, Verniedlichung und Vermarktung

Süss, diese Kläuse, bitter die Geschichte, die dahintersteht: «1500 Jahre fromme Verehrung, kitschige Verniedlichung, gnadenlose Vermarktung und pädagogische Vereinnahmung hat der grosse alte Mann mit dem roten Mantel und dem weissen Rauschebart bereits auf dem Buckel», so das Museum, das auf Schrifttafeln den Wandel vom heiligen Nikolaus im 4. Jahrhundert zum Santa Claus der Coca-Cola-Werbung im 20. Jahrhundert erzählt.

Nikolaus war Bischof von Myra, der heutigen türkischen Küstenstadt Demre, gut hundert Kilometer südwestlich des Mittelmeerbadeorts Antalya. Er ist der wohl berühmteste Heilige der Ostkirchen, doch zu seinem Leben gibt es wenig gesicherte Informationen: Er kommt zwischen 270 und 286 nach Christus in Patara unweit des heutigen Demre zur Welt; sein Onkel weiht ihn mit 19 zum Priester; 310 erleidet er Folter bei der Christenverfolgung und stirbt an einem 6. Dezember – je nach Quelle im Jahr 326, 343 oder 365.

Dafür ranken sich viele Legenden um Nikolaus: «So besänftigt er einen Sturm, erweckt Tote zum Leben und bewahrt Frauen vor der Prostitution», steht im Spielzeugwelten-Museum zu lesen. «Schon im Mittelalter wird er in Europa als Schutzpatron der Kinder verehrt.» Und das «Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens» weiss zu berichten, dass Nikolaus «in seiner Stellung unter den übrigen Heiligen hinsichtlich seiner räumlichen Verbreitung und volkstümlichen Verehrung nahe an die Marias» heranrückte.

Das veranlasst süditalienische Kaufleute, die Reliquien aus der St.-Nikolaus-Kirche von Myra kurz vor dem Sturm durch muslimische Truppen im Jahr 1087 zu stehlen und die heiligen Gebeine ins heimatliche Bari zu überführen; dort entsteht bis 1107 ihm zu Ehren die Basilica di San Nicola. Doch schon bald droht dem heiligen Nikolaus neues Ungemach – dieses Mal von christlicher Seite in Nordeuropa.

Reformation gegen Heiligenverehrung

Bringt der gutmütige Alte bis ins 16. Jahrhundert Kindern Geschenke, darf er das in reformierten Gebieten fortan nicht mehr, denn der Protestantismus lehnt Heiligenverehrung ab. «1535 beschenkt in der Familie von Martin Luther noch Nikolaus die Kinder», steht zur Ausstellung «Ho Ho Ho» zu lesen. «Zehn Jahre später sind in den Rechnungen Ausgaben für den ‹heiligen Christ› vermerkt.»

Aus ihm gehe das Christkind hervor, das Nikolaus als Gabenbringer ablöst. Im 19. Jahrhundert kehrt er in seiner alten Funktion zurück – nun aber in weltlicher Gestalt: Schon 1820 schreibt das Grimmsche Wörterbuch von «Weihnachtsmann» als «geschichtslosem Wort», das mancherorts synonym für «Christkind» stehe. Und August Hoffmann von Fallerslebens (1798–1874) Lied «Morgen kommt der Weihnachtsmann» belegt: Schon 1835 bringt der Weihnachtsmann die Geschenke.

Derweil gelangte Sinterklaas mit holländischen Auswanderern nach Amerika. «Fern der Heimat verliert er seine religiösen Wurzeln. Aus Sinterklaas wird Santa Claus, der kaum mehr etwas mit dem Bischof aus Myra zu tun hat», steht zu lesen. Lange bevor Coca-Cola ihn ab 1931 alljährlich für Werbekampagnen zur Weihnachtszeit einsetzte, verbreitet sich im 19. Jahrhundert das Bild vom stets fröhlichen Mann im roten Mantel – mit grossem Bauch, Rentieren, und mit neuem Namen kehrt er nach Europa zurück.

Rot gewandet sind sie mehrheitlich, die Nikolausfiguren in der Ausstellung, doch es hat auch solche in Grün, Braun oder Blau mit weissem Pelz – wie es sich für das russische Väterchen Frost gehört. «Ho Ho Ho» zeigt eindrücklich: Der Mann aus der heutigen Türkei hat die ganze Welt erobert.

«Ho Ho Ho – vom heiligen Nikolaus zum Santa Claus» im Spielzeugwelten-Museum, Basel, bis 13. Februar 2022
Besuch vom Santiglaus morgen Montag, 6. Dezember 2021, 13–17 Uhr

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