Es ist ungemütlich im zweiten kalten Corona-Winter. Eine Müdigkeit hat sich übers Land gelegt, Ungeduld und Unzufriedenheit wachsen. Doch es gibt auch Licht im Dunkel. Gerade Weihnachten gibt Anlass, sich auf die schönen Dinge im Leben zu besinnen. Zusammenhalt, gutes Essen, Kinderlachen – und die Liebe. «Liebe ist aus meiner Sicht – so kitschig es auch tönt – die grösste Macht auf der Welt», sagt die Psychotherapeutin Dania Schiftan. «Wenn man liebt, ist gefühlt alles möglich.» Zu lieben oder geliebt zu werden, könne Menschen denn auch motivieren, schwierigere Phasen auszuhalten oder Aussergewöhnliches zu wagen.
Zum Fest der Liebe hat SonntagsBlick mit unterschiedlichen Menschen über die vielen Gesichter der Liebe gesprochen. Im Leben von Valentina Rossel (29) etwa hat die Tierliebe einen hohen Stellenwert – sie rettet unter anderem Nutztiere vor dem Tod. Sandra Hafner (33) erzählt, wie sie es geschafft hat, sich selbst liebevoll zu begegnen. Teresa Wintergerste (26) redet über die Liebe zu Gott. Und das Ehepaar Häusermann verrät, wie man die Liebe zueinander auch nach über 40 Jahren noch aufrecht erhalten kann.
Den eigenen Blickwinkel und das Herz öffnen. Auch darum gehe es an den Weihnachtstagen, sagt Dania Schiftan. «In dieser Zeit werden wir daran erinnert, uns auch mal Gedanken über Andere zu machen und zu merken: Es gibt da draussen unzählige Menschen mit unzähligen Geschichten, nicht nur mich und meine. Das ist doch wunderschön!»
«Ich werde zuerst vom Schwein begrüsst»
Tierliebe: Valentina Rossel (29), Hinteregg ZH
«Vor acht Wochen hat mir ein Landwirt, der aus der Schweinezucht aussteigen möchte, Lars in die Obhut gegeben. Lars ist ein sogenannter Kümmerling – er hat nicht genug Milch von seiner Mutter bekommen. Normalerweise würde er sterben oder noch im Betrieb getötet werden. Aber der Schweinebauer wollte keine Ferkel mehr töten. Kein Wunder: Lars war ein schutz- und liebesbedürftiges Baby.
Ich habe ihn schnell gern bekommen. Da steht er Hunden und Katzen in nichts nach. Wenn ich nach Hause komme, begrüsst mich Lars, erst dann der Hund. Er ist extrem intelligent und menschenbezogen. Ich bin froh, dass er den Millionen Schweinen ein Gesicht gibt, die hierzulande jedes Jahr geschlachtet werden. Lars beweist, dass Schweine genauso empfindungsfähig sind wie andere Tiere. Er braucht Liebe, fühlt Angst, will leben, sich entfalten können.
Natürlich gehört ein Schwein nicht in eine Wohnung. Sobald Lars gross genug ist, zieht er zu den anderen Schweinen auf unserem -Lebenshof, dem Hof Narr. Schweine leben in Gruppen, wollen in der Erde wühlen und im Matsch baden. Als -jemand, der ihn liebt, ist es meine Aufgabe, seinen Bedürfnissen gerecht zu werden – und Lars loszulassen.»
«Wir ziehen immer am gleichen Strick»
Beständige Liebe: Dora (63) und Werner (71) Häusermann, Schafisheim AG
«Nächstes Jahr am 1. Mai feiern wir unseren 40. Hochzeitstag. Darauf möchten wir mit unseren Söhnen in den Bergen anstossen. Wir haben uns nach einem Konzert von Peter, Sue & Marc kennengelernt. Drei Jahre später haben wir geheiratet. Es war ein schönes Fest. Fast auf den Tag genau kam ein Jahr später unser erster Sohn zur Welt, innert drei Jahren folgten die beiden Jüngeren. Hochzeit und Geburten sind unsere wertvollsten Erinnerungen – und heute sind unsere zwei über alles geliebten Grosskinder unser grösster Stolz.
Das Schönste an unserer Ehe ist, dass wir immer am gleichen Strick ziehen und uns den Rücken freihalten. Wir stehen immer hintereinander und würden nie schlecht übereinander reden. Unsere Beziehung gibt uns Sicherheit – wir sind nie alleine. Wir essen jeden Tag zusammen Zmittag. Tiefschürfende Gespräche haben wir nicht mehr, wir kennen einander mittlerweile sehr gut. Aber wir erzählen uns, was wir den Tag hindurch erlebt haben.
Einen richtig grossen Streit hatten wir in all den Jahren nie. Meinungsverschiedenheiten: klar. Aber Streit nicht. Und auch wenn es mal schwierig wird, ist es wichtig, nicht gleich aufzugeben. Wir haben viele Stürme erlebt – aber sie auch überstanden.»
«Gott gibt mir Halt»
Liebe zu Gott: Teresa Wintergerste (26), Greifensee ZH
«Meine Liebe zu Gott ist sehr prägend für mein Leben und ich würde sie als eine Art Urvertrauen beschreiben, eine treibende und beschützende Kraft. Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen. Speziell in einer schweren Krankheit vor ein paar Jahren habe ich den Glauben an Gott als eine tragende Stütze erfahren. Auch in der Pandemie gibt er mir und vielen anderen Halt.
Seit April bin ich im Kirchenparlament. Es ist wichtig, dass junge Menschen in der Kirche repräsentiert werden und mitentscheiden. Gott ist immer bei mir, ich spüre ihn insbesondere in den zwischenmenschlichen Begegnungen. Er ist ein fester Bestandteil meines Lebens, von dem ich sicher bin, dass er mich auch weiterhin begleitet. Das finde ich tröstend. Gleichzeitig ist er ein Kompass: Dank ihm hinterfrage ich meine Entscheidungen, ob das, was ich tue, tatsächlich meinem Weg entspricht.
An Gott und an die Wissenschaft zu glauben, ist absolut kein Widerspruch. Den Weg als Ärztin einzuschlagen bedeutet für mich als Christin, mich in den Dienst der Menschen zu stellen. Das bedeutet für mich letzten Endes auch Weihnachten, das Fest an dem Gott zu den Menschen gekommen ist. Das Fest der Nächstenliebe und der Gemeinschaft.»
«Aus Briefkontakt ist Liebe entstanden»
Frisch verliebt: Barbara Läuchli (67) und Annette Rafeld (63), Winterthur
«Wir sind frisch verliebt – ein sehr tolles Gefühl. Es stärkt einen, macht die schönen Dinge noch schöner und lässt einen die Widrigkeiten im Alltag besser verkraften.
Wir haben uns über eine Briefaktion der Lesbenorganisation Schweiz kennengelernt. Sie hat während Corona Brieffreundschaften vermittelt. Zuerst haben wir einander nur geschrieben. Als wir uns das erste Mal trafen, wussten wir nicht, wie die andere aussieht. Wir waren beide nervös, fanden uns aber auf Anhieb sympathisch. Danach haben wir immer wieder telefoniert, einander besucht und gemeinsam gekocht. Aus dem Briefkontakt ist Liebe entstanden.
Seit knapp einem Jahr sind wir ein Paar. Unsere Liebe erfüllt uns mit Vertrauen ins Leben, dank ihr wird es ganz warm um unsere Herzen, manchmal sogar hitzig. Uns ist es wichtig, als Paar sichtbar zu sein – auch, um zu zeigen, dass es ganz normal ist, was wir fühlen. In jedem Menschen steckt die Sehnsucht nach Nähe, Aufgehobensein, Liebe. Und wenn man schon vom Fest der Liebe spricht, sollte jede und jeder das Recht haben darauf.
Dass es nun auch für uns die Möglichkeit gibt, zu heiraten, ist wunderbar und so wichtig und richtig. Im Moment ist das zwar noch kein Thema – aber wir könnten uns vorstellen, irgendwann zu heiraten.»
«Ich möchte etwas zurückgeben»
Nächstenliebe: Arthur Bosshardt (77), Burgdorf BE
«Seit 18 Jahren unterstütze ich ‹2 x Weihnachten› ehrenamtlich. Meine Tochter arbeitet beim Schweizerischen Roten Kreuz des Kantons Bern und ist für die Koordination der Aktion im Emmental verantwortlich. Ich helfe ihr jeweils beim Entladen und Sortieren der Päckli. Das ist schön, ich arbeite gerne mit ihr zusammen. Die Päckli werden dann an Menschen in Not verteilt.
Meiner Familie und mir geht es gut – andere müssen jedes Fünfi umdrehen. Ich möchte etwas zurückgeben. Nächstenliebe und Solidarität sind mir wichtig, das gebe ich meinen Kindern und Enkeln weiter. Die Arbeit für die Aktion gibt mir auch eine Genugtuung. Ich kann am Ende sagen, dass ich etwas Sinnvolles gemacht habe. Es ist immer schön, wenn man helfen kann.
Wir stellen jeweils auch selbst ein Päckli zusammen. Ich hoffe, dieses Jahr machen wieder viele Menschen bei der Aktion mit – gerade in der Pandemie sollten wir noch mehr Acht geben auf
die Menschen, denen es weniger gut geht als uns. Es ist nicht immer eigenes Verschulden, wenn man in die Armut rutscht. Das kann allen passieren. Es ist wichtig, dass wir an diese Menschen denken.»
«Ich bin wertvoll – ohne Wenn und Aber»
Selbstliebe: Sandra Hafner (33), Basel
«Ich kann von mir sagen, dass ich mich liebe. Das war nicht immer so. Lange zweifelte ich an mir selbst und meinem Äusseren. Meine Teenagerjahre verbrachte ich damit, weniger, schlanker zu werden – und ich rutschte sogar in eine Essstörung.
Irgendwann wollte ich das nicht mehr. Ich habe viel zum Thema Gewichtsstigmatisierung gelesen. Da hat es bei mir klick gemacht: Nicht ich bin das Problem, sondern gesellschaftliche Normen und Strukturen, die gewisse Eigenschaften bevorzugen. Und auch wenn ich nicht in diese hineinpasse, bin ich gut genug.
Der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde, bin ich. Darum möchte ich ein gutes Verhältnis zu mir haben, mich gernhaben. Es ist nämlich sehr anstrengend, sich selbst blöd zu finden. Das führt nirgendwo hin. Selbstliebe hingegen gibt mir eine innere Sicherheit und Wärme – gerade in solch schwierigen Zeiten wie jetzt.
Auf dem Weg zur Selbstliebe half es mir, mich zu fragen, warum ich meine Lieblingsmenschen gern habe: Nicht wegen ihres Aussehens oder weil sie gut in ihrem Job sind, sondern einfach, weil sie existieren. Ich bin überzeugt, dasselbe gilt auch für mich: Ich bin wertvoll, ohne Wenn und Aber.»
«Oft versinke ich im Malen»
Liebe zum Beruf: Xenia Joss (26), Luzern
«Kreativ sein, mich in einem Thema vertiefen, ein fertiges Produkt in den Händen halten: Es gibt vieles, das ich an meiner Tätigkeit als freischaffende Illustratorin liebe.
Mein bisher grösstes Projekt war ein Kindersachbuch über Rabenvögel. Dabei durfte ich vieles über die Tiere lernen und mit Experten der Vogelwarte Sempach zusammenarbeiten, was sehr spannend war. Durch das Projekt nehme ich auch meine Umwelt aufmerksamer wahr – und sehe die Vögel mit anderen Augen.
Ich arbeite meistens mit Aquarell. Da ist es ganz normal, dass man stundenlang über einer Illustration sitzt. Oft vergesse ich mich dabei und versinke im Malen, ein sehr schönes Gefühl. Das Illustrieren gibt mir Raum zum Träumen.
Zeichnen war schon als Kind eine grosse Leidenschaft von mir – mir war immer klar, dass ich beruflich etwas in diese Richtung machen möchte. Aktuell mache ich noch noch einen Master, damit ich später zusätzlich Bildnerisches Gestalten unterrichten und mich finanziell absichern kann. Mir ist es wichtig, dass ich als Illustratorin an eigenen Projekten arbeiten kann. Am Ende steckt auch immer ein kleiner Teil von mir in jedem Projekt – das ist schön.»