Veranstaltungskalender Ron Orp wird 20
Die netten Vernetzer von nebenan

Christian Klinner und Romano Strebel vernetzten mit einer Idee, 7000 Franken und viel Gratisarbeit Schweizer Städter. Nach 20 Jahren generiert ihre Firma nicht nur Millionenumsätze, sondern ist generell eine gefreute Sache. Zeit für eine Liebeserklärung an Ron Orp.
Publiziert: 28.04.2024 um 16:18 Uhr
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Romano Strebel (l.) und Christian Klinner haben vor 20 Jahren Ron Orp gegründet.
Foto: Zvg

Wer ist eigentlich Ron? Also Ron mit Nachnamen Orp? Sicher ist nur dies: Irgendwo in einer Schweizer Stadt wird der ominöse, nie fotografierte Szenegänger auch diese Nacht sein Unwesen treiben – Ron Orp ist nächsten Samstag seit unglaublichen 20 Jahren im Schweizer Nacht- und Stadtleben unterwegs. Zunächst hauptsächlich in Zürich. «Er» weiss aber auf schier magische Weise stets, was auch in fast allen anderen Schweizer Städten inklusive Westschweiz gerade läuft: die angesagtesten Konzerte, die neusten Restaurants, wo welche Party steigt, welche Galerie eröffnet wird und wo die besten Secondhand-Kleider aufzustöbern sind. Dies sind nur einige der vielen Insider-Empfehlungen, die auf ronorp.net nachgelesen werden können. «Seine» vielen Tipps teilt «er» heute nicht nur mit täglich rund 500'000 Leserinnen und Lesern über «seine» Webseite, sondern schweizweit auch mit 250'000 Inboxen: Dorthin flattert täglich «sein» Newsletter.

Doch wer ist der unermüdliche und mysteriöse Szenegänger überhaupt? Und warum ist das alles in Anführungszeichen? Und wird er nach zwanzig Jahren nicht langsam ausgangsmüde? Christian Klinner (52), Co-Gründer der Agentur, hält sich bedeckt: «Ron Orps Äusseres ist ziemlich durchschnittlich, deshalb weiss auch niemand genau, wie er aussieht», sagt er mit einem halb versteckten Zwinkern im Auge. Für ein Interview könne «er» leider auch nicht zur Verfügung stehen – wie seit zwanzig Jahren nicht. «Er» sei gerade «unterwegs, um die neusten Tipps für seine Leserschaft zu finden».

Keine Bieridee beim Feierabendbier

Trotzdem sind einige Eckdaten bekannt: Geboren wurde Ron Orp Anfang 2004 beim Feierabendbier in der berühmt-berüchtigten Zürcher Olé Olé Bar: Den beiden WG-Gspänli Christian Klinner und Romano Strebel (51) schwebt ein Stadtmagazin mit kulturellen Geheimtipps abseits der Mainstream-Konzerte und -Partys vor. Weil aber die Gründung eines Magazins für die Jungwerber viel zu teuer ist und die beiden keine Berührungsängste gegenüber neuen Technologien haben, wird bald klar: Eine Webseite und ein Newsletter sollen es sein. Absender: der geheimnisumwitterte Ron Orp.

7000 Franken aus dem eigenen Sack nehmen die beiden dafür in die Hand, 5000 kostet die erste Webseite, 1500 der Markenschutz, und für die restlichen 500 drucken Klinner und Strebel Flyer, die sie eigenhändig verteilen. Der erste Newsletter flattert am 30. April 2004 in die Inboxen von hundert Bekannten. «Eineinhalb Jahre Fronarbeit folgten», sagt Klinner in seiner Agentur an der Ankerstrasse 3 im Zürcher Kreis 4: In diesem Zeitraum setzt sich täglich abwechslungsweise einer der beiden abends nach der Arbeit stundenlang hin, um den Newsletter für den nächsten Tag zusammenzustellen und zu schreiben. Eine harzige Sache: Die meisten Szenekenner wollen ihre Geheimtipps zunächst für sich behalten. Auch die Suche nach Anzeigenkunden gestaltet sich schwierig. Niemand kann sich in den Anfangszeiten des Internets vorstellen, auf einem rein elektronischen Medium wie einer Webseite Anzeigen zu schalten. Was denn auf der Rückseite eines solchen Werbebanners stehe, fragten potenzielle Kunden damals perplex.

Der sehr viel nettere Bruder von Facebook

Eine Bieridee, das zeigen aktuelle Zahlen, war all die Gratisarbeit nicht. Ron Orp sorgt mittlerweile dafür, dass rund fünfzig Angestellte ihre Miete bezahlen können, und sichert seit rund 18 Jahren auch Klinners und Strebels Existenz. Wobei «sichern» ein bescheidenes Wort ist: Ron Orp macht mittlerweile jährlich einen Umsatz im Millionenbereich. Ein früher Geniestreich war bestimmt, dass Klinner und Strebel fast gleichzeitig dieselbe Idee hatten wie Mark Zuckerberg: Leute zu vernetzen. Facebook ging 2004 zwei Monate früher an den Start als Ron Orp, Letzterer ist aber bis heute ungleich viel netter: Während Zuckerberg ursprünglich seinen Tech-Buddies eine Plattform bieten wollte, um das Äussere von Frauen zu bewerten, planten die beiden Zürcher Werber von Anfang an auf ihrer Webseite eine Funktion, mithilfe derer sich Leute vernetzen konnten: das Forum.

Und vernetzen taten und tun sie sich: Jemand hat ein Velo zu verkaufen, ein WG-Zimmer zu vergeben, sucht eine Wohnung, einen Tanzpartner für den Salsakurs oder einen Mitzieher für eine Business-Idee? Jemand organisiert ein Weihnachtsessen für Alleinstehende oder einen Flohmarkt in seinem Innenhof? All das und viel, viel mehr findet man seit 20 Jahren in Ron Orps Forum. Ohne die Webseite gäbe es zudem so manche Schweizer Familie und Kinder nicht – «auf unsere Rubrik ‹Hab dich gesehen›, auf der man jemanden suchen kann, der einem unterwegs aufgefallen ist, in der Hoffnung, dass sich die betreffende Person meldet, bin ich besonders stolz», sagt denn auch Klinner – er selbst hat seine Frau, wie könnte es anders sein, an einer Ron-Orp-Party kennengelernt.

Weniger stolz ist er auf die Expansion ins Ausland: London, Berlin, Paris, New York, Hamburg, München… – überall verbreitete Ron Orp einst seine Tipps, bevor «er» sich geschlagen aufs heimische Pflaster zurückzog. «Wir haben gemerkt, dass es unser Erfolgsrezept ist, die lokale Community zu kennen», sagt Klinner. Das sei im Ausland nicht der Fall gewesen.

Ein Werkzeug für Städter

Community, die lose Gemeinschaft, die Städter ausmacht, ist bis heute wohl das Herzstück der Agentur: «Wir konnten durch das Forum immer sehen, was die Leute beschäftigt und was die Themen sind. So entstanden viele Ideen und Rubriken sozusagen durch die Nutzer selbst», sagt Klinner. Ron Orp sei so ganz organisch auch zum Veranstalter von Events und Partys geworden, etwa von Rooftop Days, an denen Privatleute ihre Dachterrassen für Tanz oder Yoga öffnen, oder von Pétanque-Tagen in Privatgärten und Innenhöfen und so weiter. Dass Ron Orp Städter erreicht und vernetzt, haben längst auch andere, grössere Unternehmen bemerkt: So arbeitet Ron Orp etwa im Auftrag der SBB daran, die Europaallee in Zürich hipper zu gestalten, oder den Bernern aufzuzeigen, was eigentlich alles in ihrem Bahnhof läuft. Und Klinner und Strebel haben zwei Folgeprojekte gegründet: Auf We Talents können sich Auftraggeber mit Freelancern vernetzen, auf Crowdify finden Leute mit Ideen Geldgeber für die Umsetzung.

Wenn man nun nach all dem nochmals fragt: «Wer ist überhaupt dieser Ron Orp?», dann liegt die Antwort auf der Hand. Ron Orp ist ein sehr, sehr netter Kerl und der beste unsichtbare Kumpel, den man sich wünschen könnte.

Ron Orp feiert seinen 20. Geburtstag am 30. April mit einem Party-Rundlauf rund um die Zürcher Langstrasse. Mehr Informationen auf ronorp-geburtstag.net 

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