Auf einen Blick
- Overtourism belastet beliebte Reiseziele
- Bali, Koh Samui und Agrigent leiden unter Massentourismus und Umweltproblemen
- Kreuzfahrttourismus wächst stark, bringt aber wenig Geld
Nicht alles, was in einem Reisekatalog oder auf einem Influencer-Blog glänzt, ist auch in Realität ein beglückendes Ferienerlebnis. Immer mehr Destinationen leiden an Overtourism und den daraus resultierenden Folgen: Vermüllung, steigende Preise, austauschbare Erlebnisse. Und ein Ende der steigenden Touristenzahlen ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Touristiker und Ökonomen rechnen mit einer starken Zunahme des internationalen Reiseverkehrs. Immer mehr Städte und Regionen werden in Zukunft mit den Folgen des Massentourismus zu kämpfen haben.
Die amerikanische Reiseplattform Fodor's veröffentlicht deshalb jedes Jahr eine No-Go-Liste, die Reiseziele in den Fokus nimmt, die unter den negativen Folgen des Tourismus leiden. Dabei geht es den Machern nicht um einen Reiseboykott, sondern um eine Schärfung des Bewusstseins für die Problematik in den Destinationen.
Bali, Indonesien: Digitalnomaden und Sauftourismus
Die indonesische Insel Bali ist – wie alle überfüllten Regionen – Opfer ihrer Schönheit und bezaubernden Kultur. Der Mix aus Bilderbuchstränden, Reisterrassen und hinduistischen Traditionen macht Bali zu einer der schönsten Inseln im südlichen Asien. Das empfinden auch die rund sechs Millionen Touristen so, die 2024 die kleine Insel besuchten. Unkontrollierte Bauwut und vor allem eine völlig unzureichende Abfallentsorgung machen den Charme zunichte. Die beliebten Touristenstrände in Seminyak und Kuta werden regelmässig unter angeschwemmten Müll begraben. Eine falsche Politik in Kombination mit den Touristenmassen zerstört zudem die traditionellen Lebensgrundlagen und damit die angestammte Kultur. Bali ist leider zum Negativbeispiel von unkontrolliertem Tourismus geworden.
Die Alternative: Klar, der hinduistische Glaube der Bevölkerung, der so nur in Bali vorkommt, verleiht der Insel ihr besonderes Flair. Allerdings verteilen sich auf dem indonesischen Staatsgebiet sage und schreibe 17'000 Inseln, wovon über 6000 bewohnt sind – Alternativen zu Bali gibt es also genug. Die Hauptinsel Java beispielsweise bietet von allem etwas: schöne Strände, Feuer spuckende Vulkane und Unesco-geehrte Tempel. Wers abenteuerlicher mag, geht auf die Insel Borneo zu den Orang-Utans oder wohnt auf Sulawesi den besonderen Bestattungsriten bei.
Koh Samui, Thailand: Luxusvillen und ein Müllberg
Von den vielen thailändischen Inseln ächzen zwei besonders unter den Touristenmassen: Phuket und Koh Samui. Insbesondere Letztere gilt als paradiesischer Hideaway mit traumhaften Stränden und luxuriösen Resorts. Mittlerweile zeigen sich allerdings die Folgen des Massentourismus (im vergangenen Jahr kamen 3,4 Millionen Besucher): ungeregelte Bauwut und ein kollabierendes Müllentsorgungs- und Abwassersystem. Laut thailändischen Umweltorganisationen lagern 200'000 Tonnen Müll – abgeschirmt von den Augen der Touristen – auf der Insel. Das Abwasser, so heisst es, würde ungefiltert ins Meer geleitet. Zudem würde Trinkwasser massenhaft per Schiff vom Festland auf die Insel gekarrt – ein ökologischer Unsinn. Für 2025 erwarten die Redaktoren von Fodor's zudem eine weitere Steigerung der Touristenzahlen: Dann erscheint die dritte Staffel der erfolgreichen HBO-Serie «The White Lotus», die diesmal auf Koh Samui spielt und wohl für einen neuen Boom sorgen wird.
Die Alternative: Ich bin der Meinung, dass man für Badetourismus nicht nach Thailand fliegen muss. Da gibt es rund ums Mittelmeer ebenfalls sehr schöne Spots. Das herrliche Thailand lohnt sich vor allem für seine buddhistischen Traditionen, die Nationalparks und das zauberhafte Essen. Und wenn man schon mal da ist, natürlich auch für ein paar Tage am Strand. Vom internationalen Massentourismus noch weitgehend verschont sind die drei Inseln im Osten des Landes: Koh Chang, Koh Mak und Koh Kut.
Agrigent, Sizilien: die grosse Dürre
Es sind vielleicht die schönsten Überbleibsel der Antike in Italien: die griechisch-römischen Tempel von Agrigent auf Sizilien, die teilweise in sehr guten Zustand erhalten sind. Insbesondere, wenn man zum Sonnenuntergang, also dann, wenn die meisten Touristen schon wieder in ihren Hotels sitzen, vorbeikommt, ist die Atmosphäre magisch. Doch die steigenden Touristenzahlen treffen auf eine wiederkehrende und sich verstärkende Dürre. Im vergangenen Jahr wurde das Wasser für die Anwohner teilweise rationiert, während es in den touristischen Resorts keine Massnahmen gab. Ein weiterer Anstieg der Besucherzahlen würde das Problem für die einheimische Bevölkerung zuspitzen.
Die Alternative: Die Magie im Tal der Tempel in Agrigent ist kaum zu toppen. Schöne Alternativen sind die archäologischen Stätten von Segesta im Nordwesten und Selinunt im Südosten. Beide Stätten bieten gut erhaltene Tempel.
Britische Jungferninseln: Kreuzfahrt-Mania
Keine Reiseart wächst so stark wie Kreuzfahrten – und das schon seit Jahren. Nach der Corona-Zeit haben Ferien auf den Weltmeeren noch mal zugelegt. Das lässt die Kassen der Reedereien klingeln. Der positive Effekt für die besuchten Orte ist allerdings gering, da Kreuzfahrttouristen in den Destinationen kaum Geld ausgeben. Ganz klar: Wer auf dem Schiff all-inclusive isst, trinkt beim Landgang unter Umständen nicht einmal einen Kaffee. Gleichzeitig leiden die angefahrenen Orte unter der Flut von teils mehreren Tausend Passagieren. Kritik an dieser Art des Tourismus wird in mehreren Destinationen laut. Neuerdings auch auf den britischen Jungferninseln in der Karibik, die mit ihren Traumstränden und Dutzender Inseln ein beliebter Stopp auf einer Karibik-Kreuzfahrt sind.
Die Alternative: Wer möchte, dass sein Feriengeld stärker bei der lokalen Bevölkerung ankommt, sollte seine gesamten Ferien auf einer einzigen Insel verbringen – Auswahl an traumhaften Spots gibt es in der Karibik ja zur Genüge.
Schottland: Stau am Ende der Welt
Es war Mitte der 90er-Jahre, als ich als armer Student in einem klapprigen Renault 5 durch Schottland tourte. Das Highlight war der Roadtrip entlang der Nordküste auf einem Strässchen, das teilweise kaum breiter war als ein Trottoir. Zu sehen gab es raue Küsten, verträumte Fischerdörfchen, verfallene Burgen und mehr Schafe als Einwohner. Herrlich. Mittlerweile wird die Rundtour mit grossem Aufwand als NC 500 vermarktet. Mit dem Ergebnis, dass die Infrastruktur für die steigenden Besucherzahlen nicht schritthalten kann. Grösstes Problem für die Anwohner seien laut Fodor's die verstopften Strassen, die zu einer deutlichen Verlängerung der Pendelzeiten zur Arbeit, zum Einkauf oder ins Krankenhaus führen.
Die Alternative: Anstatt mit dem Auto durch die Highlands zu cruisen, kann man dieses weite und wunderschöne Land unter die Wanderstiefel nehmen. Mein Tipp ist der John o' Groats Trail, der sich auf einer Länge von 325 Kilometern von Inverness bis nach John o' Groats entlang der Ostküste schlängelt.