Namibia: das Land der Wüstenelefanten
Mit wedelnden Ohren und viel Lärm schreitet der Elefantenbulle auf unser Auto zu. Eine Tonne Kampfgewicht auf Rammkurs. Mit Vollgas treten wir den Rückzug über die Kuppe an. Das Herz rast, aber verübeln können wir dem Riesen sein Machtgehabe nicht, schliesslich haben wir den Boss und seinen Harem beim gemütlichen Zmorge gestört. Wir sind mit einem geländegängigen 4x4-Wagen im dünn besiedelten Damaraland im Nordwesten Namibias unterwegs. Es ist touristisch noch wenig erschlossen – nur gelegentlich findet man einen kleinen Campingplatz oder eine Lodge. Hier kann man vom Alltag abschalten, alles vergessen, zumal es hier oft nicht einmal Handy-Empfang gibt.
Was wissen wir über Namibia?
Die Frage, welcher Wochentag gerade ist, flirrt in der unendlichen Savannenlandschaft Namibias daher meist wie eine trügerische Fata Morgana umher. Keinen interessiert es – hier scheint die Zeit stillzustehen. Namibia, nördlich von Südafrika gelegen, ist 20-mal grösser als die Schweiz, bei nur knapp über zwei Millionen Einwohnern. Reisen ist hier dennoch relativ einfach. Mit einem guten Gelände-Cruiser kommt man auch in die entlegensten Ecken – allerdings oft im Schneckentempo. Viele der Strassen sind Schotterpisten. Das Auto ächzt und schnaubt, quietscht und stampft in den Kurven. Doch genau dies bedeutet auch Abenteuer pur! Einzige wichtige Regel: Tanken, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Oft kommt es vor, dass während Stunden oder Tagen keine Tankstelle am Wegrand auftaucht. Auch eine gute Routenplanung ist unerlässlich. Wir haben einen vollen Ersatzkanister und Werkzeug dabei, für den grössten Notfall sogar ein Satellitentelefon, mit dem man schnell Hilfe holen kann.
Ein echtes Safari-Erlebnis
Während wir unterwegs sind, breitet sich eine kontrastreiche Landschaft vor uns aus. Steinig, rotbraun und karg liegt sie da, bedeckt mit einem weissen Gräser-Flaum, der sich im Wind wiegt. Als ferne Kulisse erheben sich majestätisch anmutende Berge im Hintergrund. Mit gehörigem Abstand – eine der wichtigsten Regeln bei einer Safari zu Afrikas Wildtieren – beobachten wir schliesslich unsere entdeckte Gruppe Wüstenelefanten. Was uns geboten wird, ist Dokumentarkino auf höchstem Niveau. Und wer der Chef der Truppe ist, haben wir bereits unmissverständlich mitbekommen: Von den höchsten und saftigsten Baumkronen frisst der Boss, der uns zu Anfang in die Schranken gewiesen hat.
Die Weibchen laben sich an den Ästen weiter unten. Auffällig: Es herrscht keine Hektik, alles nimmt seinen geregelten Gang. Nur die kleinen Dickhäuter haben wie immer Unfug im Kopf, möchten mit den ausgewachsenen Familienmitgliedern spielen und tollen wild herum. Dies wird von den Müttern schnell unterbunden, die morgendliche Sanddusche steht an! Das Trockenbad dient der Reinigung der Haut und schützt die imposanten Tiere vor der heissen Wüstensonne. Während wir mit staunenden Blicken erneut die Zeit vergessen, ruft der Chef der Herde zum Aufbruch auf. Gemächlich und fast lautlos trotten die Elfanten davon und verschwinden im Dickicht.
Endlich Wüstenelefanten!
Namibia ist bekannt für seine weltweit seltenen Wüstenelefanten, die sich an das karge Leben in der Region gewöhnt haben. Die riesigen Tiere kommen mit weniger als 150 Millimetern Niederschlag pro Quadratmeter im Jahr aus – ganze vier Tage können sie gar ohne Wasser überleben. Eine Seltenheit in der Welt der Dickhäuter. Ihre Artgenossen im restlichen Afrika benötigen täglich mindestens 160 Liter Wasser.
Dass wir solch eine grosse Herde in der Wüste Namibias antreffen, ist keine Selbstverständlichkeit. Vor rund 80 Jahren lebten in Namibia noch rund 3000 Elefanten, Wilderer minimierten die Population in den 80er-Jahren auf gerade einmal 300 Stück. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1990 wurde der Naturschutz jedoch stetig verbessert, und so konnte sich die Population wieder etwas erholen. Heute leben rund 600 Wüstenelefanten ausserhalb der staatlichen Nationalparks – vor allem zwischen dem Ugab und Huab River im Damaraland. Die Hoffnungen sind gross, dass die Zahl weiter steigt. Während wir zum nächsten Highlight in unserem Geländewagen holpern, fragen wir uns schliesslich erneut: Welcher Tag ist nun heute? Wir wissen es noch immer nicht. Ein ausgesprochen gutes Gefühl!