Unterwegs auf dem Donauradweg
Wandern auf Rädern

Veloferien verbinden Sport und Erholung. Und sie machen Spass. Die schönste Strecke Deutschlands ist der Donauradweg.
Publiziert: 08.09.2020 um 13:43 Uhr
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Aktualisiert: 23.02.2022 um 12:59 Uhr
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Einer der schönsten Abschnitte: Die Weltenburger Enge mit 80 Meter hohen Felswänden.
Foto: Christian Bauer
Von Christian Bauer

Die Donauquelle in Donaueschingen macht grad Pause. Der berühmte Brunnen im Schwarzwald ist eingepackt in Baugerüst und Abdeckplanen. Daneben steht ein monströser Bagger wie ein Bodyguard, der neugierige Touristen aus aller Welt fernhalten will. Gut macht er seinen Job nicht: Die genervten Besucher hieven den Bauzaun kurzerhand zur Seite und quetschen sich durch eine Lücke, um wenigstens einen kurzen Blick auf die Quelle des mystischen Flusses zu werfen. Kameras klicken, und Asiaten blättern hektisch in ihrem Reiseführer: «Kann dieses eingefasste Loch wirklich die Donauquelle sein?»

Die Frage ist schon 2000 Jahre alt. Damals kamen die Römer hier vorbei und bestimmten das blubbernde Wasserloch als Quelle der Donau. Das gilt bis heute – sehr zur Freude des kleinen Städtchens Donaueschingen, dessen grösste Besucher-Attraktion besagte Quelle ist. Sie ist zwar legendär, ein geologischer Fakt aber ist sie nicht. Aus dem karstigen Gestein steigt zwar Regenwasser an die Oberfläche und fliesst in den kleinen Fluss Brigach, der ein paar Meter entfernt ist. Der «echte» Beginn der Donau aber liegt etwa einen Kilometer vor den Toren der Stadt, dort, wo die Flüsschen Brigach und Breg zusammenfliessen.

Donauradwegs - 600 Kilometer von Donaueschingen bis nach Passau

Ab hier heisst der Fluss Donau. Und hier beginnt der deutsche Teil des Donauradwegs, der sich auf 600 Kilometern von Donaueschingen bis nach Passau der Donau entlang schlängelt. Er führt vorbei an den Städten Ulm, Ingolstadt, Regensburg und Passau, schlängelt sich durch die Schwäbische Alb, das Donaubergland sowie den Naturpark Altmühltal und den Bayerischen Wald.

Mehrere Zehntausend Velofahrer sind pro Jahr auf dem Donauradweg unterwegs. Er zieht sich 2850 Kilometer von der Quelle in Deutschland bis zur Mündung im Schwarzen Meer in Rumänien. Auf ihrem Weg streift und durchströmt die Donau zehn Länder – so viele wie kein anderer Fluss der Welt. Eine weitere Besonderheit: Die ­Donau ist der einzige europäische Fluss, der von Westen nach Osten fliesst.

Die Radwanderstrecke ist mehrheitlich gut ausgebaut. Auf dem Balkan freilich etwas weniger als in Deutschland, Österreich oder Ungarn. Die deutsche Teilstrecke wählen unsere nördlichen Nachbarn seit Jahren zu einem ihrer beliebtesten Fernradwege – hinter dem Elberadweg und der Tour entlang des Mains. Der Abschnitt von Passau bis Wien zählt gar zu der meistbefahrenen Velostrecken in Europa.

Das passt zum Zeitgeist: Radeln ist die beliebteste Sportart quer durch alle Altersstufen. Ein Drittel aller Schweizer steigen regelmässig aufs Velo. Entsprechend boomen organisierte oder individuelle Veloferien. Das Wegnetz überall in ­Europa wird stetig ausgebaut und verbessert. Wir entscheiden uns für den Abschnitt von Donaueschingen bis kurz vor Regensburg. Es ist faszinierend, wie sich der längste Fluss Mitteleuropas langsam zum mächtigen Strom entwickelt. In diesem Abschnitt gibt es noch keine Schifffahrt, was der Reise eine angenehme Ruhe verleiht.

An einem herrlichen sonnigen Hochsommertag geht es los. Wir fahren entlang dieses mächtigen Gewässers, das an seinem Anfang ein mickriges Würmchen ist. Etwas mysteriös wird es 30 Kilometer weiter beim Städtchen Tuttlingen: Im Hochsommer verschwindet die Donau schlichtweg. Das Wasser versickert im porösen Untergrund und kommt erst zwölf Kilometer weiter südlich beim Aachtopf wieder zum Vorschein.

Von der Quelle zum mächtigen Strom

Die Landschaft entlang der jungen Donau ist urromantisch: Tief eingeschnitten im karstigen Hochland mäandert der Fluss dahin, flankiert von romantischen mittelalterlichen Dörfern, an dessen Bergflanken Burgen und Schlösser thronen. Highlight ist Schloss Sigmaringen. Wie ein wahr gewordener Märchentraum erhebt es sich auf einem Felssporn über der Donau. Auch im Innern in den Prunkräumen geht es märchenhaft zu. Gold, Gobelins, Waffen, Ölgemälde – das ganze Programm. Unglaublich: Dieses Märchenschloss ist noch heute in Privatbesitz. Es ist das Stammhaus der baden-württembergischen Linie der Hohenzollern, dem ehemaligen deutschen Hochadel. Bei einer Führung lernt man viel über die Familiengeschichte und noch mehr über das Leben vergangener Zeiten. Für Familien und Kinder gibt es besondere Themenführungen.

Hundert Kilometer von Sigmaringen entfernt, in Ulm, steht der höchste Kirchturm der Welt. Exakt 161,53 Meter erhebt sich der filigrane Finger Gottes in die Höhe. Vor dem Münster reihen sich die Velos aneinander. Die Fahrer sind derweil am Aufstieg: 758 Stufen sind es bis zur Aussichtsplattform auf 142 Meter Höhe.

Dort blickt das Rentnerehepaar Hermann und Rita erschöpft in die Ferne. «Das zwiebelt ganz schön in den Beinen», stöhnt er, «dagegen ist das Radeln ein Kinderspiel.» Gattin Rita zeigt auf die weite Ebene und die Stadt und meint: «Das ist einfach nur schön.»

Ursprüngliches Ulm und seine schiefen Häuser

Am ursprünglichsten ist Ulm im Fischer- und Gerberviertel. Entlang der Kanäle stehen windschiefe Riegelhäuser, in denen heute Hotels, Bars und Restaurants sind. Eines trägt den bezeichnenden Namen «Zur Forelle». Wenn man schon an einem Fluss unterwegs ist, muss man die Hausspezialität probieren: Forelle gebraten nach Ulmer Art in Mandelbutter. Herrlich.

Hinter der Stadt wird es flacher, und die Donau weitet sich allmählich zu einem ernst zu nehmenden Fluss. Die Tage vergehe, und die Seele kommt zusehends zur Ruhe. Der Rhythmus ist jeden Tag gleich: Von Dörfchen zu Dörfchen, etwas Sightseeing und wenn der Hunger kommt, in einem der vielen Landgasthöfe anhalten. Danach weiterradeln bis zu einem schattigen Plätzchen. Pause machen. Oder einen Biergarten besuchen.

Keiner muss sich überanstrengen, die Wege sind angenehm flach und mit einem Tourenvelo leicht zu bewältigen. Der perfekte Chillout-Platz wartet bei der Abtei Weltenburg. Dort fliesst die Donau ruhig an der Landzunge vorbei. Dahinter beginnt der Donaudurchbruch der Weltenburger Enge, die tiefste und schmalste Schlucht der deutschen Donau.

Am kiesigen Ufer steht die älteste Abtei Bayerns, erbaut 617. Um sechs Uhr kommen die Mönche zur Vesper zusammen, erfüllen den Raum mit ihrem gregorianischen Gesang. Und wenn das Stundengebet schon Vesper heisst, wird es Zeit fürs Znacht im schönen Biergarten im Klosterhof. Der Brotzeitteller quillt über mit landestypischen Wurstwaren und Käse. Dazu gibt es das Weltenburger Kloster Barock Dunkel, hier gebraut in der ältesten Klosterbrauerei der Welt von anno 1050. Der Abschluss unserer Tour ist herrlich romantisch. Über dem breiten Kiesstrand spannt sich der Sternenhimmel. Die tiefdunkle ­Donau gluckst, Wildgänse watscheln schnatternd vorbei – welch traumhafte Ferien!

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