Die Anzeichen sind anders, als wir denken
Soll ich mein Kind auf Hochbegabung abklären lassen?

Das erste Quartal des neuen Schuljahres geht zu Ende – eine erste Standortbestimmung für Kinder und Eltern. Was, wenn der Nachwuchs alle Erwartungen übertrifft? Soll man ihn abklären lassen? Und dann? Fördern? Eine Klasse überspringen? Eine Expertin erzählt.
Publiziert: 04.10.2024 um 12:41 Uhr
Gut in der Schule? Das ist nicht immer ein Zeichen für Hochbegabung!
Foto: imago/photothek

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
Maja Zivadinovic
Maja ZivadinovicFreie Journalistin Schweizer Illustrierte

Ab einem IQ von 130 gilt man als hochbegabt. In der Schweiz gehören zwei Prozent der Bevölkerung zu diesen sogenannten Wunderkindern. Von aktuell rund 950'000 Schulkindern sind 19'000 hochbegabt. Wie erkennt man eine Hochbegabung? Soll man sie abklären und fördern? Und was kostet das? Regula Haag, Geschäftsführerin von hochbegabt.ch, weiss Rat.

Hochbegabt oder nicht? Ist doch egal!

Dein Kind zeigt in der Schule Höchstleistungen, lernt Telefonbücher auswendig oder kann schon in der ersten Klasse Rechenaufgaben lösen, die für Sechstklässler gedacht sind? Oder du merkst, dass es an anderen Sachen als die meisten anderen Kinder interessiert ist, und es sich anders beschäftigt als Gleichaltrige? Oder befreundete Elternpaare, die schon ältere Kinder haben, sagen öfter Dinge wie «Euer Kind ist schon sehr weit und sehr reif für sein Alter»? 

Dann liegt der Gang zum schulpsychologischen Dienst für eine Abklärung auf Hochbegabung nahe. Oder? «Nein, wir raten davon ab, Kinder abzuklären, um ihnen einfach den Stempel ‹hochbegabt› aufzusetzen. Eine Abklärung macht nur Sinn, wenn es zu Problemen kommt», sagt Regula Haag, Geschäftsführerin von hochbegabt.ch, einer Stiftung für hochbegabte Kinder. 

«Viele Hochbegabte kommen unauffällig durch die Schulzeit, sie sind einfach klug und alles geht ganz locker für sie», so Regula Haag. «Wenn Sie selber an Ihre Schulzeit zurückdenken, fällt Ihnen sicher ein Kind von damals ein, für das alles so einfach gegangen ist.» Schön für das Kind – und die Eltern. Ob so ein Kind nun hochbegabt ist oder nicht, ist doch egal! 

Hochbegabung ist oft anders, als wir denken

Das Mathegenie oder der Sprachvirtuose mit den fantastischen Noten – da muss doch eine Hochbegabung vorliegen, denkt man, gerade als stolze Eltern. Aber: Hochbegabung zeigt sich oft ganz anders, erklärt die Expertin: «Mädchen klagen oft über Kopf- und Bauchweh. Sie sind häufiger beim Kinderarzt, sie sagen, dass sie nicht in die Schule wollen und fühlen sich sehr unwohl. Bei Jungs beobachten wir, dass sie laut werden. Sie stören den Unterricht, sind aggressiv und leiden. Oft werden sie zuerst auf ADHS untersucht, bevor man auf die Idee der Hochbegabung kommt. Das liegt unter anderem daran, dass Hochbegabte oft abhängen und sich nicht mehr für den Schulstoff interessieren. Die Folge daraus ist, dass sie dann, trotz ihres hohen IQs, schlechte Noten schreiben.» 

Dann wird die Hochbegabung zum Problem: Das Kind langweilt sich, ist unterfordert, muss ständig alles repetieren, das es schon längst begriffen hat. Es kann zu einem Bore-out kommen. 

Oft sind es Lehrpersonen, welchen die Hochbegabung eines Kindes auffallen.
Foto: Keystone

Hochbegabung kostet nichts

Ist ein gewisser Leidensdruck vorhanden, und hegen Eltern und/oder Lehrpersonen den Verdacht auf eine Hochbegabung, ist der schulpsychologische Dienst die erste Anlaufstelle. Regula Haag: «Da sitzen wir Fachpersonen, die dann eine Abklärung machen, die für Eltern kostenlos ist. Wird eine Hochbegabung diagnostiziert, muss die Schule die Konsequenzen tragen und dem Kind eine adäquate Förderung bieten.» Diese besteht zum Beispiel aus Zusatzaufgaben – «das ist oft besser als Kinder einfach den gesamten Schulstoff im Voraus erarbeiten zu lassen» – oder auch aus zusätzlichen Angeboten, wo Hochbegabte eigenen Projekten nachgehen können. Wichtig sei vor allem, Langweile zu vermeiden.

Je nachdem macht es auch Sinn, dass ein Kind eine Klasse überspringt. Dabei muss aber einiges beachtet werden: Will das Kind überhaupt? Wenn ja, soll es die Chance bekommen, in der neuen Klasse schnuppern zu dürfen. «Wenn es sich nicht wohlfühlt und nicht will, dann sollte man seine Gefühle respektieren und in einem halben Jahr wieder schauen, was der nächste Schritt sein könnte», so Regula Haag. Übrigens: Für Mädchen ist das Überspringen einer Klasse oft einfacher. Kommt ein jüngeres Mädchen in eine neue Klasse, kümmern sich die älteren Mädchen gerne um sie. Sie finden sie herzig und nehmen sie in Schutz. Buben sind da oft brutaler. Kommt ein «Bubi», das noch nicht so weit ist wie sie, kann es zu Hänseleien kommen.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?