Ein Herzinfarkt ist ein einschneidendes Erlebnis. Laut Daten des Bundesamtes für Statistik ist es eine der häufigsten Todesursachen in der Schweiz. Im Jahr 2022 hatten rund 20'000 Schweizerinnen und Schweizer einen Herzinfarkt – gut 70 Prozent überlebten den Vorfall.
«Herzinfarkt ist noch immer ein wichtiges Thema in der Bevölkerung, wir haben zunehmend auch junge Patienten», sagt Christophe Wyss, Kardiologe an der Herzklinik Hirslanden in Zürich.
Wer einen Anfall überlebt, gilt in der Medizin anschliessend als Hochrisikopatient für einen zweiten. Blick sprach mit dem Herzexperten über konkrete Massnahmen, dieses Risiko zu minimieren.
Disziplin bei der Medikamenteneinnahme
Rund fünf Prozent der Patienten, die einen Herzinfarkt hatten, erleiden im folgenden Jahr einen zweiten. «Es ist wichtig, dass die Patienten ihre Medikamente langfristig regelmässig einnehmen», sagt Wyss. Je nach Auslöser des ersten Herzinfarkts können unterschiedliche Medikamente verschrieben werden, in den meisten Fällen wird zudem ein Blutverdünner eingesetzt.
Christophe Wyss (49) ist Facharzt für Kardiologie an der Herzklinik Hirslanden in Zürich. Seine Kerngebiete sind Diagnoseverfahren und Herzuntersuchungen von invasiver und nicht-invasiver Natur sowie die Akutbehandlung eines Herzinfarkts.
Christophe Wyss (49) ist Facharzt für Kardiologie an der Herzklinik Hirslanden in Zürich. Seine Kerngebiete sind Diagnoseverfahren und Herzuntersuchungen von invasiver und nicht-invasiver Natur sowie die Akutbehandlung eines Herzinfarkts.
Operative Massnahmen, um einen weiteren Infarkt vorzubeugen, gebe es keine. Dafür müsste man wissen, welche Gefässe sich als Nächstes verengen. «Das herauszufinden, ist der heilige Gral meiner Fachrichtung», meint der Arzt.
Sich auskennen
Um einem weiteren Herzinfarkt vorzubeugen, muss man zunächst wissen, was beim ersten passiert ist. Bei einem Herzinfarkt verengen sich die Herzkranzarterien. Das Herz wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und der Blutkreislauf wird unterbrochen. Übergewicht, Bluthochdruck, Nikotinkonsum, hohe Blutzucker- und Cholesterinwerte können Ablagerungen in den Gefässen und somit Verengungen begünstigen.
Viele Herzpatienten sind überrascht, wenn sie nach einem Infarkt Cholesterinsenker verschrieben bekommen. «Für Patienten nach einem Herzinfarkt gelten andere Richtwerte», erklärt Wyss. So kann es sein, dass man Cholesterinsenker einnehmen muss, obwohl der Hausarzt die Werte vor dem Herzinfarkt immer für gut befunden hat.
Gesund und bedarfsgerecht ernähren
«Ein Herzinfarkt passiert zu einem Drittel aufgrund genetischer Veranlagung, ein Drittel machen die Risikofaktoren aus und das letzte Drittel ist auch einfach Glück», sagt Wyss. Das zweite Drittel, die Risikofaktoren wie Übergewicht, hoher Blutdruck und Blutzucker, sind durch Ernährung und Lebensstil beeinflussbar.
Der Arzt empfiehlt eine «bedarfsgerechte» Ernährung. Als Ernährungsmuster wird eine mediterrane oder pflanzliche Kost empfohlen. Besonderes Augenmerk sollte auf den Salzgehalt (nicht mehr als 5 Gramm pro Tag) und den Verzehr von rotem Fleisch (nicht mehr als 300–500 Gramm pro Woche) gelegt werden. Fisch sollte 1–2 Mal pro Woche auf dem Teller liegen.
Auch das Glas Rotwein darf sein. In der Herzklinik empfiehlt man, nicht mehr als 2 Deziliter Wein oder 3 Deziliter Bier am Tag zu trinken und an zwei Tagen in der Woche gar keinen Alkohol zu konsumieren. Zum Knabbern rät Wyss zu ungesalzenen Nüssen statt Schokoriegel oder Chips. Vor allem Zucker – auch in Form von Fruchtsäften – sollte vermieden werden. Das setzt schnell Fett an. Der Kardiologe betont, dass es aber auch wichtig ist, grundsätzlich fit zu sein.
Körperlich aktiv sein
Um nach einem Herzinfarkt fit zu bleiben, rät Wyss zu zwei bis vier Stunden moderatem Training pro Woche. Wer vorher wenig oder gar keinen Sport getrieben hat, sollte langsam mit mässig intensivem Training beginnen. «Nach einem Herzinfarkt sollte man nicht plötzlich einen Marathon laufen wollen.»
Besser ist es, sich langsam an intensive Aktivitäten heranzutasten, aber zu Beginn nicht mehr als zwei Stunden pro Woche. Ist man im Arbeitsalltag bereits körperlich aktiv, zählt das auch als Training. Wer im Büro arbeitet, sollte sitzende Tätigkeiten so weit wie möglich reduzieren – zum Beispiel mit einem Stehpult. Zudem ist es sinnvoll, körperliche Aktivität in Alltagstätigkeiten zu integrieren – zum Beispiel die Treppe nehmen statt dem Lift, mit dem Velo zur Arbeit oder eine Bushaltestelle vorher aussteigen und weiter zu Fuss gehen.
Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln
In der Hausapotheke tauchen immer wieder Omega-3-Fischölkapseln auf. Wyss ist davon nicht überzeugt. Zum einen würden sie meist aus ökologisch fragwürdigen Fischabfällen hergestellt, zum anderen sei die psychologische Sicherheit, die sie vermittelten, sehr trügerisch.
Die Devise: «Nützt nichts, so schadets nicht», sei in diesem Punkt falsch. Zu viel Omega-3-Fettsäuren im Körper können zu Herzrhythmusstörungen führen. Als Hochrisikopatient fährt man laut Wyss am besten mit den offiziellen Empfehlungen, also den Medikamenten und Nahrungsergänzungsmittel, die medizinisch gesehen Sinn machen, bedarfsgerechter Ernährung und sportlicher Aktivität.