«Kann jederzeit passieren»
Wie reagiere ich, wenn jemand einen Herzinfarkt hat?

Das Herz erhalte in der Gesundheitsvorsorge zu wenig Beachtung – vor allem bei Frauen. Das sagt die Rettungssanitäterin Luzia Jenny im Interview. Sie weiss, worauf es bei einem Herzinfarkt ankommt.
Publiziert: 30.01.2024 um 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2024 um 11:56 Uhr
Ein Stechen in der Brust ist ein typisches Symptom eines Herzinfarkts. Es gibt aber noch viele weitere Warnzeichen, die kaum beachtet werden.
Foto: Getty Images

Frau Jenny, wie erkenne ich die Symptome eines Herzinfarkts?
Ganz typisch sind plötzliche und starke Brustschmerzen, oft noch verbunden mit Atemnot. Meistens gibt es einen heftigen Druck auf der Brust, der teilweise in Arm, Kiefer, Bauch oder andere Regionen des Körpers ausstrahlt. Bei Frauen können es aber auch ganz andere Symptome sein.

Zum Beispiel?
Es kann, wie bei Männern, der klassische Brustschmerz mit Ausstrahlung in andere Körperteile sein. Wir beobachten jedoch, dass Frauen solche Beschwerden an sich selbst eher verdrängen und sie oft erst auf gezielte Nachfrage benennen. Symptome wie Abgeschlagenheit, Schwäche, Übelkeit, Schweissausbrüche, Angstzustände, Erschöpfung und Kurzatmigkeit sind bei Frauen präsenter und dürfen nicht ignoriert werden.

Was kann man beim Herzinfarkt sonst noch falsch machen?
Denken, dass es junge, fitte Menschen nicht trifft. Das stimmt schlichtweg nicht. Es sterben 30-Jährige an einem Herzinfarkt. Auch die Annahme, Frauen seien kaum betroffen, ist ein verbreiteter Irrtum. Auf die Frage nach der häufigsten Todesursache bei Frauen wird meist Brustkrebs genannt. Der ist präsent, die meisten Frauen gehen regelmässig in die Kontrolle. Das ist sehr gut, doch die häufigste Todesursache bei Frauen sind tatsächlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit auch der Herzinfarkt. Das Herz erhält in der Gesundheitsvorsorge bei Frauen zu wenig Aufmerksamkeit. Das wäre jedoch besonders nach der Menopause wichtig.

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Weshalb?
Östrogene schützen die Gefässe teilweise vor Verkalkung, einige Jahre nach der Menopause werden Frauen deshalb anfälliger auf Herzinfarkte.

Wie oft werden Sie im Alltag zu einem Herzinfarkt gerufen?
Tatsächlich dreht sich ein grosser Teil unserer Einsätze um Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Dazu gehören neben dem Herzinfarkt auch Schlaganfälle und Lungenembolien.

Welche Sofortmassnahmen trifft der Rettungsdienst bei Patienten mit vermutetem Herzinfarkt?
Wir machen als Erstes ein EKG, ein Elektrokardiogramm, und messen die Vitalwerte wie zum Beispiel den Blutdruck und die Sauerstoffsättigung. Zudem klären wir die Vorgeschichte des Patienten oder der Patientin ab, das heisst: nebst Symptomen auch Vorerkrankungen, Allergien, vorbestehende Medikationen und weiteres. Handelt es sich um einen Herzinfarkt und lassen es die Abklärungen zu, verabreichen wir Aspirin, Morphin und bei Bedarf auch Sauerstoff und Nitroglycerin. Wichtig ist dann, die Person so schnell und schonend wie möglich in das nächste Spital mit der Möglichkeit für Herzkatheterbehandlungen zu bringen.

Früher Bäuerin, heute Rettungssanitäterin

Luzia Jenny (33) ist Rettungssanitäterin beim Kantonsspital Luzern, aufgewachsen und wohnhaft ist sie im Entlebuch. Auf dem ersten Bildungsweg lernte sie Medizinische Praxisassistentin und Bäuerin.

CHRISTOF SCHUERPF

Luzia Jenny (33) ist Rettungssanitäterin beim Kantonsspital Luzern, aufgewachsen und wohnhaft ist sie im Entlebuch. Auf dem ersten Bildungsweg lernte sie Medizinische Praxisassistentin und Bäuerin.

Was kann man als Laie tun, wenn jemand die genannten Symptome hat?
Das Wichtigste: sofort via Notrufnummer 144 die Rettungssanität alarmieren. Im Fall eines Herzinfarkts gilt: «Zeit ist Muskelmasse.» Je länger das Herzmuskelgewebe mit Sauerstoff unterversorgt ist, desto mehr stirbt es irreversibel ab. Sobald alarmiert ist, muss man darauf achten, dass die Person aufrecht sitzt, tief und langsam atmet. Eng anliegende Kleider öffnen, vielleicht auch ein Fenster. Die Person soll das Gefühl haben, genug Luft zu bekommen. Wichtig ist es, ruhig zu bleiben, denn jeglicher Stress belastet das Herz zusätzlich. Ebenfalls sollte man die Person, bis die Rettungskräfte eintreffen, nie allein lassen, um im Notfall sofort reagieren zu können.

Bei einem Verdacht sollten Angehörige sofort die Notfallnummer 144 wählen.
Foto: PIUS KOLLER

Was heisst das?
Wird die Person bewusstlos, bringt man sie in die stabile Seitenlage und kontrolliert weiter. Kommt es gar zum Herzstillstand, ist es überlebenswichtig, sofort mit der Reanimation – der Herzdruckmassage – zu beginnen.

Kann man als Nicht-Profi nicht auch viel falsch machen bei der Ersten Hilfe?
Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, nichts zu machen. Schon die Alarmierung des Rettungsdienstes ist Teil der Ersten Hilfe. Und Kommunikation ist in dem Moment enorm wichtig. Wenn ich mit den Leuten spreche, ihnen erkläre, was passiert, dann fühlen sie sich viel sicherer, als wenn ich stumm meine Arbeit tue oder im Gespräch mit meinen Kolleginnen über ihren Kopf hinweg mit Fachwörtern um mich werfe.

Als Profi hat man diese Ruhe. Aber wie schafft man das ohne Erfahrung? Wie überwindet man die Angst, etwas falsch zu machen?
Mit Training. Es gibt Vereine und Betriebe, die regelmässig an Schulungen teilnehmen, das ist super. Man kann aber auch selbst einen Nothelferkurs besuchen. Der nimmt einem die Angst, etwas falsch zu machen. Damit hilft man sowohl sich selbst als auch der Gesellschaft und seinem Umfeld. Denn tatsächlich kann jederzeit etwas passieren.

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