Urologe Christoph Pies erklärt, warum Erektionsstörungen ein Frühwarnzeichen sind
«Der Penis ist die Antenne des Herzens»

Erektionsstörungen sind nicht nur schlecht fürs Sexleben, sie können Frühwarnzeichen für schwere gesundheitliche Probleme sein. Gezieltes Training ist eines der Mittel, die bei fehlender Potenz helfen.
Publiziert: 08.10.2023 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2023 um 11:20 Uhr
Ein Kaktus, der an einen Penis erinnert. Beide werden von der Schwerkraft herausgefordert.
Foto: Getty Images
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Jonas DreyfusService-Team

Für die Betroffenen sind sie ein unübersehbares Problem – und trotzdem ist die Dunkelziffer bei Potenzproblemen hoch, weil kein Mann gern über sie spricht. Fakt ist: Anhaltende Erektionsstörungen sind sehr viel häufiger, als die meisten Männer glauben. Gemäss der «Massachusetts Male Aging Study» aus dem Jahr 2000 leidet jeder zweite Mann über 50 irgendwann daran.

Davor können Erektionsstörungen warnen

Bei einer Erektion füllen sich die Schwellkörper des Penis mit Blut. Die Blutgefässe des männlichen Geschlechtsorgans haben einen Durchmesser von ein bis zwei Millimetern und sind damit deutlich kleiner als die des Herzens mit drei bis vier Millimetern. Im Fall einer Verkalkung der Arterien, die den Blutfluss behindert, sind die Gefässe des Penis deshalb als Erstes betroffen. Eine erektile Dysfunktion kann folglich ein Warnhinweis für einen drohenden Herzinfarkt oder Schlaganfall sein. «Nicht umsonst gilt der Penis bei Medizinern als Antenne des Herzens», sagt der deutsche Urologe Christoph Pies (53).

Deshalb sollten Männer die Warnung ernst nehmen

Fast zwei Drittel aller Herzinfarkt-Patienten würden unter Potenzstörungen leiden – und das schon mehr als drei Jahre vor den ersten Symptomen am Herzen, schreibt Pies in seinem Ratgeber «Potenz auf Rezept». Gerade jüngere Männer müssen Potenzstörungen laut Pies sehr ernst nehmen, denn bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts in der Zukunft am höchsten. Erektionsstörungen können auch Folge von Übergewicht sein und als Anzeichen für einen negativen Gesundheitszustand im Allgemeinen betrachtet werden. 

Anhaltende Erektionsstörungen sind sehr viel häufiger, als die meisten Männer glauben.
Foto: Getty Images

So lassen sich Potenzstörungen überwinden

Bei Potenzstörungen denkt man schnell einmal an Viagra. Pies vergleicht solche Pillen mit einer Fahrradpumpe, die den platten Reifen kurzzeitig wieder aufpumpen. Die Ursache – das Loch im Schlauch – besteht jedoch weiterhin. Er empfiehlt deshalb einen ganzheitlichen Ansatz, der eine komplette Umstellung auf einen gesunden Lebensstil bedeutet – inklusive Anpassung der Ernährung, Ausüben von Achtsamkeitsübungen und, je nach Art der Potenzstörung, Besuch einer Sexualtherapie. Der am einfachsten umsetzbare Punkt ist das gezielte Trainieren des Beckenbodens. Fünf bis zehn Minuten pro Tag würden reichen, sagt der Experte. «Man kann sich das so angewöhnen wie Haare kämmen und Zähne putzen.»

Warum sich im Beckenboden vieles entscheidet

Es sei ein seltsames Organ mit widersprüchlichen Funktionen, sagt Pies über den Beckenboden. Er besteht aus einer mehrschichtigen Platte aus Muskeln und Bindegewebe, die den Bauchraum nach unten abschliesst – wie ein Sprungtuch der Feuerwehr, das Öffnungen hat. Beim Mann befinden sie sich hinten, wo der Enddarm, und vorn, wo die Harnröhre durchtritt. Bei einer Erektion drücken die Muskeln im Beckenboden die Blutgefässe zusammen, die aus den Schwellkörpern in den Penis kommen, und erschweren so den Rückfluss des Bluts. So kann die Erektion länger und kräftiger erhalten bleiben.

Urologe mit Unterhaltungswert

Christoph Pies (52) arbeitete viele Jahre als Urologe. Aufgrund einer Midlife-Crisis, sagt er, habe er sich vor einigen Jahren vermehrt auf seine Tätigkeit als Autor, Berater und Podcaster zu konzentrieren begonnen. Pies ist neben «Potenz auf Rezept» (Verlag Herbig) Autor von Büchern wie «Check-up Mann» oder «Männer Ü50». Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Aachen in Nordrhein-Westfalen.

Christoph Pies (52) arbeitete viele Jahre als Urologe. Aufgrund einer Midlife-Crisis, sagt er, habe er sich vor einigen Jahren vermehrt auf seine Tätigkeit als Autor, Berater und Podcaster zu konzentrieren begonnen. Pies ist neben «Potenz auf Rezept» (Verlag Herbig) Autor von Büchern wie «Check-up Mann» oder «Männer Ü50». Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Aachen in Nordrhein-Westfalen.

Wie ich die Muskeln finde

Weil man die Muskeln des Beckenbodens von aussen nicht sieht, muss man sie erspüren, bevor sie trainiert werden können. Das gelingt gemäss Pies am besten, wenn sich der Mann vorstellt, während des Wasserlassens den Harnstrahl zu unterbrechen. Man könne das vielleicht einmal auf dem WC ausprobieren, sagt Pies. Wenn man dann spüre, wie sich im Bereich des Afters und des Hodens etwas anspanne und zusammenziehe, habe man die richtige Beckenbodenmuskulatur gefunden. «Ab dann darf man sie aber nur noch gedanklich aktivieren. Sonst läuft man in Gefahr, zum Pinkelstotterer zu werden!»

Wie ich die Muskeln trainiere

Pies schlägt Übungen vor, die man jeweils acht- bis zehnmal wiederholt. Für eine legt sich der Mann auf den Rücken, legt die Arme ausgestreckt neben seinen Körper, winkelt die Knie an und stellt die Füsse ab. Aus dieser Position hebt und senkt er langsam abwechselnd das Becken – so, wie das Jane Fonda (85) in den 80er-Jahren in ihren Aerobic-Videos vorgemacht hat (Illustration 1). 

Illustration 1: Arme neben Körper, Becken anheben.
Foto: Mascha Greune

Bei einer anderen Übung presst man – auf dem Rücken liegend – zwischen den Knie ein Kissen oder einen weichen Ball zusammen (Illustration 2).

Illustration 2: Kissen zwischen Knie, Beine zusammenpressen.
Foto: Mascha Greune

Als Motivationshilfe, sagt Pies, helfe es, daran zu denken, dass Männer im Beckenboden besonders viele Testosteronrezeptoren haben. «Das heisst, dass die Muskeln dort besonders gut wachsen.»

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