Aus Stolz oder um Likes zu bekommen, posten zahlreiche Eltern Fotos ihrer Kinder in den sozialen Medien. Das Phänomen nennt sich Sharenting und setzt sich aus den Worten «share» (teilen) und «parenting» (Erziehung) zusammen. Sharenting ist gut gemeint, doch Kinderfotos online zugänglich zu machen, ist äusserst gefährlich. Eltern sollten sich deshalb folgende Dinge bewusst machen, bevor sie ein Foto ihres Kindes ins Netz stellen:
Auch harmlose Bilder können im Darknet landen
Harmlose Alltagsbilder von Geburtstagspartys, den Sommerferien oder einem Fussballturnier landen verstärkt im Fokus von Pädosexuellen. Das zeigt eine Datenanalyse des ARD-Magazins «Panorama» und des Reportageformats STRG_F. Die Täter kopieren die Kinderfotos aus privaten Social-Media-Profilen und laden sie in Foren hoch, in denen sich auch Fotos befinden, die schweren Missbrauch zeigen. Häufig werden die Aufnahmen obszön kommentiert, manchmal nennen die Täter auch Namen und Alter des Kindes und verlinken sogar die ursprünglichen Social-Media-Profile. Auf einer der grössten illegalen Fotoplattformen für Pädosexuelle stammt mindestens jedes vierte Bild ursprünglich von Facebook oder Instagram. Regula Bernhard Hug (48), Leiterin der Stiftung Kinderschutz Schweiz, sagt: «Im Moment, in dem die Eltern ein Foto ihres Kindes posten, geben sie die Kontrolle darüber für immer ab.»
Nicht alle anonymisierten Bilder sind sicher
Manche Eltern verdecken das Gesicht ihres Kindes auf Fotos mit einem Emoji. «Das ist eine trügerische Sicherheitsmassnahme», sagt Bernhard Hug. Emojis würden sich mit Programmen entfernen lassen. «Fotos zu verpixeln, mag aktuell noch eine gute Lösung sein», fügt Bernhard an. Doch mit Blick auf die rasante Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz rät sie selbst davon ab. «Um das Kind möglichst unkenntlich zu machen, ist es am sichersten, wenn es auf dem Foto nur von hinten oder von der Seite zu sehen ist.» Zudem sollten sich Eltern bewusst sein, dass sie auf den meisten Apps mit der Zustimmung der allgemeinen Geschäftsbedingungen den Plattformen erlauben, die persönlichen Daten zu Werbezwecken zu verwenden oder zu Werbezwecken an Dritte weiterzugeben.
Die Fotos können die Stellensuche beeinflussen
Der digitale Fussabdruck, den man mit Kinderfotos im Netz hinterlässt, könne sich unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt nachteilig auf den Bewerbungsprozess auswirken, sagt die Basler Kinderanwältin Rita Jedelhauser (43). Zum Beispiel, wenn gesundheitliche Beschwerden wie Sehbeeinträchtigungen auf den Fotos sichtbar sind oder thematisiert werden. «Der Arbeitgeber kann sich anhand der Fotos und der darauf erkennbaren Informationen gegen einen Bewerber entscheiden, obwohl das Leiden überwunden wurde.» Als Entscheidungshilfe, ob man ein Bild posten soll, hilft es laut Jedelhauser, sich folgende Frage zu stellen: Würde ich dieses Foto meines Kindes für immer als Plakat an einem öffentlichen Ort aufhängen?
Den Kindern können die Fotos peinlich sein
«Ein Foto, das Eltern als herzig empfinden oder das sie mit Stolz erfüllt, kann bereits bei sechsjährigen Kindern Schamgefühle auslösen», sagt Jedelhauser. Deshalb legt sie Eltern ans Herz, das Kind ab dem Primarschulalter immer zu fragen, ob es okay sei, ein Foto zu posten. Ein Nein gelte es unbedingt zu akzeptieren, sagt die Expertin. «Das ist nicht nur respektvoll, sondern lehrt die Kinder auch den Umgang mit Grenzen und der eigenen Privatsphäre auf Social Media.»
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Bereits Babys haben ein Recht am eigenen Bild
Das Recht am eigenen Bild ist Teil des Persönlichkeitsrechts. «Babys und kleinen Kindern steht das genauso zu wie Erwachsenen», sagt Jedelhauser. Bei Babys sind die Eltern für die Einhaltung derer Persönlichkeitsrechte verantwortlich, da Säuglinge noch keine Einwilligung geben können. Was sich Eltern bewusst sein müssen: Das Selbstbestimmungsrecht kann rückwirkend eingefordert werden. Das heisst, dass Erwachsene rechtlich gegen ihre Eltern vorgehen können, die ein Babyfoto von ihnen veröffentlicht haben. Ab etwa drei Jahren sind Kinder in der Lage, den Eltern durch Wegdrehen zu signalisieren, dass sie nicht fotografiert werden wollen. Jedelhausen: «Eltern sollten diese Zeichen nicht ignorieren.»