Darum löschte «Momfluencerin» Nadine Huber (45) Kinderfotos von Instagram
Mit den Pädo-Kommentaren kam der Schock

Instagram, Facebook, Whatsapp: Eltern können Fotos von ihren Kinder mit einem Klick teilen. Doch das ist gefährlicher, als viele meinen.
Publiziert: 20.11.2021 um 17:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2021 um 19:00 Uhr
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Der Kinderschutz startet heute eine Kampagne zu dem Thema.
Foto: zVg
Lea Ernst

Mehr als 700'000 Menschen folgen Nadine Huber (45) auf Instagram. Täglich postete sie Bilder von ihrer Wohnung, ihren Kleidern – und ihrer dreijährigen Tochter. Zumindest bis vor kurzem. Denn die «Momfluencerin», die ihr Leben als Mutter auf Instagram teilt, hat nun jedes einzelne der 200 Kinderfotos gelöscht, auf denen das Gesicht ihrer Tochter erkennbar war.

«Dass Fremde meine Tochter in einer gewissen Weise kennen, bringt viele Gefahren mit sich», sagt Huber über ihren Schritt. Auch Kinderschutz Schweiz warnt vor «Sharenting», also dem Posten von Kinderbildern in den sozialen Medien. Zum heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte hat die Stiftung deshalb eine Sensibilisierungskampagne geplant. Denn Kinderfotos im Netz seien gefährlicher, als die meisten denken.

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Drei gruselige Erfahrungen

Bei Huber waren es drei Ereignisse, die zum Löschen der Fotos ihrer Tochter führten. Zuerst habe eine fremde Frau ihre Tochter auf dem Parkplatz angelächelt und mit Name begrüsst. «Das fand ich irgendwie gruselig», erinnert sich die Basler Bloggerin.

Ein paar Wochen später sah sie in einem Video, welche Kommentare Männer auf zwiespältigen Webseiten unter ganz alltägliche Kinderfotos geschrieben hatten. Und da war noch eine Bekannte Hubers, von Beruf Polizistin, die ihr schrieb: «Immer wenn wir im Internet Fotomaterial von Pädokriminellen durchgehen müssen, hoffe ich, deine Tochter ist nicht dabei.»

Daraufhin begann Huber, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und war geschockt: «Ich hatte keine Ahnung, wozu pädokriminelle Menschen fähig sein können. Ich als Mutter will mein Kind so gut wie möglich davor schützen», so Huber.

Ein Katalog für Pädokriminelle

Das Problem ist grösser denn je: Während Corona sei die bereits hohe Anzahl pädokrimineller Inhalte im Netz explodiert, sagt Regula Bernhard Hug (46), Leiterin der Geschäftsstelle Kinderschutz Schweiz. Unzählige Netzwerke seien darauf spezialisiert, private Kinderbilder zu sammeln und sie unter pädokriminellen Menschen zu verbreiten. Nicht nur in Badehosen oder Windeln: «Viele Pädokriminelle suchen nach komplett normalen, alltäglichen Bildern, zum Beispiel von einer Geburtstagsfeier», so Bernhard Hug.

Mit QR-Codes gegen «Sharenting»

Heute ist Internationaler Tag der Kinderrechte. Deshalb platziert Kinderschutz Schweiz auf drei Spielplätzen grosse Sticker mit versteckten QR-Codes. Fotografieren Eltern ihre Kinder mit den Stickern im Hintergrund, ploppt auf dem Smartphone-Bildschirm eine Warnmeldung auf. So sollen die Eltern auf die Gefahren des «Sharenting» (eine englische Wortkombination aus «sharing» und «parents», auf Deutsch «teilen» und «Eltern») aufmerksam gemacht werden.

Heute ist Internationaler Tag der Kinderrechte. Deshalb platziert Kinderschutz Schweiz auf drei Spielplätzen grosse Sticker mit versteckten QR-Codes. Fotografieren Eltern ihre Kinder mit den Stickern im Hintergrund, ploppt auf dem Smartphone-Bildschirm eine Warnmeldung auf. So sollen die Eltern auf die Gefahren des «Sharenting» (eine englische Wortkombination aus «sharing» und «parents», auf Deutsch «teilen» und «Eltern») aufmerksam gemacht werden.

Und damit nicht genug. «Manche pädokriminelle Menschen nutzen die Plattformen, um sich Kinder für sexuelle Übergriffe auszusuchen», so Bernhard Hug. Es brauche nur jemand einen echten Namen zu verwenden oder einen Ort oder einen Verein zu markieren, und schon werde die Familie auch in der realen Welt auffindbar. «Das Internet ist für pädokriminelle Menschen wie ein Katalog.»

Die Sicherheit im Netz? Trügerisch. Viele fühlen sich durch vermeintliche Privatsphäre-Einstellungen geschützt, erklärt Bernhard Hug. Doch könne man in keinem Fall wissen, was mit den Bildern geschehe. «In den sozialen Medien geben wir die Bildrechte unwiderruflich an die Plattform ab, auf die wir hochladen.» Trotz Datenlecks und Hackerangriffen.

Privatsphäre ist ein Kinderrecht

Bei immer mehr Menschen werde das gesamte Leben von klein auf im Internet festgehalten, sagt Regula Bernhard Hug. «Grosse Unternehmen machen davon Gebrauch.» Als Beispiel nennt sie Versicherungsunternehmen in den USA, die auf Kinderfotos der zu versichernden Personen Erbkrankheiten erkennen wollen. «Mit den immer besseren Programmen zur Gesichtserkennung kann man im Internet in kurzer Zeit gesamte Leben durchleuchten.»

Dass wir im Netz messbar sind, sei nichts Neues. «Aber beim Sharenting können die Kinder nicht selber darüber bestimmen», sagt Bernhard Hug. So sei Privatsphäre ein Kinderrecht. «Durch das Posten von Bildern beschneiden wir ihre Privatsphäre massiv.» Es sei toll, stolz auf das eigene Kind zu sein. «Aber in den sozialen Medien geht es meistens um die eigenen Interessen – nicht um die des Kindes.»

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Darauf sollten Sie vor dem Posten achten

Generell rät Kinderschutz Schweiz vom Posten von Kinderbildern ab. Für den Fall, dass es trotzdem dazu kommt, gibt die Stiftung folgende Sicherheitstipps:

→ Keine persönlichen Daten wie Name, Alter oder Herkunft angeben

→ Das Kind nicht frontal, sondern von der Seite fotografieren

→ Das Kind nur vollständig bekleidet ablichten

→ Das eigene Konto auf «privat» stellen

→ Regelmässig die Privatsphäre-Einstellungen der eigenen Konten überprüfen

→ Wenn das Kind alt genug ist: um Erlaubnis bitten, es zu fotografieren und das Bild zu posten

→ Sich vor dem Posten jedes Mal überlegen: Was bringt es dem Kind, wenn ich sein Bild in den sozialen Medien teile? Befriedige ich damit nur meine eigenen Bedürfnisse?

Getty Images

Generell rät Kinderschutz Schweiz vom Posten von Kinderbildern ab. Für den Fall, dass es trotzdem dazu kommt, gibt die Stiftung folgende Sicherheitstipps:

→ Keine persönlichen Daten wie Name, Alter oder Herkunft angeben

→ Das Kind nicht frontal, sondern von der Seite fotografieren

→ Das Kind nur vollständig bekleidet ablichten

→ Das eigene Konto auf «privat» stellen

→ Regelmässig die Privatsphäre-Einstellungen der eigenen Konten überprüfen

→ Wenn das Kind alt genug ist: um Erlaubnis bitten, es zu fotografieren und das Bild zu posten

→ Sich vor dem Posten jedes Mal überlegen: Was bringt es dem Kind, wenn ich sein Bild in den sozialen Medien teile? Befriedige ich damit nur meine eigenen Bedürfnisse?

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