Wendy Wood (68) ist einer der renommiertesten Forscherinnen auf dem Gebiet der Verhaltenspsychologie. In ihrem Sachbuch «Good Habits, Bad Habits – Gewohnheiten für immer ändern» erklärt die Professorin der University of Southern California die Mechanismen hinter unseren Gewohnheiten und wie wir sie ändern können. Im Interview gibt die Britin Tipps, die sie selbst befolgt.
Frau Wood, wie gewöhnt man sich schlechte Gewohnheiten ab?
Wendy Wood: Man muss sich Hürden schaffen, die einem den Rückfall in alte Gewohnheiten erschweren. Je mehr Aufwand ich betreiben muss, um etwas zu tun, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ich es tue.
Ein Beispiel?
Das können kleinere Sachen sein, wie das Smartphone mit dem Bildschirm nach unten auf den Tisch zu legen, damit man nicht versucht ist, ständig zu kontrollieren, ob man eine Message erhalten hat. Man muss Hürden errichten, die einem vom richtigen Weg abbringen. Und Hürden abbauen, die einem im Weg stehen.
Sie haben in einem Interview erzählt, dass Sie die Hürde, sich morgens für den Sport zu kleiden, auf eine spezielle Art abbauen.
Ich gehe gleich im Sportoutfit ins Bett. Eine Spass-Komponente zu finden, war für einen Bewegungsmuffel wie mich genauso wichtig. Sie besteht darin, dass ich auf einem Cross-Trainer laufe und währenddessen Schundromane lese. Die Nähe zu meinem Fitnesscenter spielt aber die grösste Rolle.
Warum?
Eine Firma für Datenanalyse hat das im Rahmen einer Studie untersucht, indem sie die Bewegungen von Tausenden Mobiltelefonen untersuchte. Menschen, deren Fitnesscenter 6 Kilometer von zu Hause entfernt war, besuchten es im Schnitt fünfmal pro Monat. Menschen, die 8 Kilometer zurücklegen mussten, nur einmal.
Nur wegen drei Kilometern gingen sie so viel seltener?
Absolut. Das Ergebnis der Studie widerspricht der Vorstellung, die wir haben, wenn wir uns vornehmen, etwas für unseren Körper zu tun. Wir denken, dass uns unsere Willenskraft ans Ziel bringt. Das mag die ersten paar Wochen funktionieren, doch auf Dauer ist es viel wichtiger, dass wir Sport leicht in unseren Alltag integrieren können. Selbstdisziplin ist überbewertet.
Sie sagen, man müsse etwas zwei Monate lang tun, bis es zur Gewohnheit wird. Warum?
So lange dauert es, bis eine Gewohnheit im Gehirn abgespeichert ist. Wenn wir etwas tun, ohne darüber nachdenken zu müssen, beansprucht das eine andere Hirnregion, wie wenn wir aktiv Entscheidungen fällen. 43 Prozent von allem, was wir tun, tun wir automatisch. Dazu gehören Tätigkeiten wie Zähneputzen. Doch auch ein grosser Teil von dem, was uns erfolgreich macht, basiert auf Gewohnheit.
Inwiefern?
Wer es nicht gewohnt ist, sich am Morgen vor den Computer zu setzen, hat es in vielen Berufen schwer. Es gibt sehr viele Menschen, die sehr begabt sind, aber nichts auf die Reihe kriegen. Es liegt daran, dass sie keine Gewohnheiten entwickeln können, die ihnen helfen, ihre Ziele zu verfolgen. Oder anders gesagt: Sie lassen sich zu schnell ablenken. Zum Beispiel, wenn sie von zuhause aus arbeiten. Man muss dort täglich sehr viele Entscheidungen treffen.
Wie meinen Sie das?
In den eigenen vier Wänden gibt es viele Hürden in Form von Ablenkung, die einen davon abhalten, etwas zu tun, was ansteht. Man läuft nicht zur Tram- oder Busstation – die Struktur, die ein Tag im Büro vorgibt, fällt weg.
Warum ist es für viele Menschen so schwierig, das zu tun, was sie ans Ziel bringt?
Man nennt das den ironischen Effekt der Selbstverweigerung. Je mehr man versucht, etwas nicht zu tun, desto grösser ist die Versuchung, es zu tun. Das kann bei einer Diät passieren, zu der man sich zwingt und plötzlich nur noch ans Essen denken kann. Oder abends im Bett. Wahrscheinlich hält einen nichts besser wach, wie wenn man krampfhaft versucht, einzuschlafen.