Studien legen nahe, dass fast jeder Mensch regelmässig prokrastiniert. Jeder Fünfte leidet darunter. Das ewige Aufschieben von wichtigen Dingen kann depressiv machen und die Leistungsfähigkeit massiv beeinträchtigen.
Ökonom Christian Rieck erklärt im Spiegel-Bestseller «Anleitung zur Selbstüberlistung», warum uns kurzfristige Wünsche so leicht von langfristigen Zielen abbringen können. Wie du dich davor schützt, fasst er im Gespräch mit Blick in vier Punkten zusammen.
Bereite dich nicht unnötig lange vor
Du hast den Job gefasst, eine Statistik auszuwerten, empfindest diese Art von Arbeit als mühsam, und buchst deshalb erst einmal einen Statistik-Kurs. Möglicherweise tust du das unterbewusst, um möglichst lange nicht mit der Auswertung beginnen zu müssen. Etwas aufzuschieben sei manchmal durchaus sinnvoll, sagt Christian Rieck. Zum Beispiel beim Buchen von Ferien, wenn das Unternehmen sie noch nicht genehmigt hat. Rieck nennt das «aktive Prokrastination» oder «nützliche Aufschieberitis». «Der Haken daran: Sie kann auch als Vorwand benutzt werden, um möglichst nie mit etwas beginnen zu müssen.»
Erkenne, was dringlich ist
Viele Menschen hätten das Gefühl, mit Projekten zu spät anzufangen, sagt Rieck. Meistens sei das ein Trugschluss, denn es gebe immer Dinge, die im Moment wichtiger sind als ein Abgabetermin in zwei Wochen. Die Anmeldung der Kinder für den Kindergarten könnte das sein. Oder Aufgaben, deren Vernachlässigung mit Einschränkungen einhergehen. Die Reparatur des Autos oder Velos, zum Beispiel, und das rechtzeitige Eingeben der Spesen, ohne das man Geld verlieren würde. Dringlichkeit sei Wichtigkeit, die zeitgebunden ist, sagt Rieck. «Wer sie erkennt und priorisiert, macht alles richtig.»
Tappe nicht in die Nonfinisierungs-Falle
Stell dir jemanden vor, der eine Doktorarbeit schreibt. Der Einstieg war sehr, sehr schwierig, doch jetzt arbeitet die Person schon seit einem Jahr lang mit viel Disziplin. Sie weiss jeden Morgen, was es zu tun gibt, und ist jeden Abend stolz, etwas erreicht zu haben. Wer diese Art von Sicherheit zu sehr geniesst, läuft in Gefahr, kein Interesse am Beenden eines Projekts mehr zu haben. Denn danach müsste man sich in einer neuen Situation zurechtfinden, und der nächste schwierige Einstige käme bestimmt. Rieck nennt diesen Mechanismus Nonfinisierung. «Es handelt sich dabei um eine weniger bekannte Schwester der Prokrastination.»
Mach keine To-do-Liste
Praktisch jeder, der längerfristig mit einer To-do-Liste arbeitet, macht gemäss Rieck dieselbe Erfahrung: Die Liste wird nie kürzer, denn es kommt immer wieder Neues dazu. Rieck empfiehlt deshalb, langfristig ausgerichtete To-do-Listen als Ideen-Listen zu sehen, die nicht zwingend abgearbeitet werden müssen. «Ich mache mir für jeden Tag eine Liste mit Aufgaben, die sich aus der Aktualität heraus ergeben», sagt Rieck. «Dann schaue ich mir meine Ideen-Liste an und entscheide, ob sich etwas für den aktuellen Tag umzusetzen lohnt. Wenn ich etwas finde, setze ich es auf die Tagesliste.» Der Vorteil dieses Systems: Man realisiert einzelne Ideen, weil man sich nicht so unter Druck setzt, dass man gar nichts angeht.
Christian Rieck ist als Professor für Finanzwesen und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences tätig. Der Ökonom hat an der Goethe-Universität Frankfurt studiert. Er beschäftigt sich unter anderem mit der digitalen Zukunft der Finanzbranche. Zu seinen Veröffentlichungen gehören neben «Anleitung zur Selbstüberlistung» die Lehrbücher «Spieltheorie: Eine Einführung» und «Die 36 Strategeme der Krise – Erfolg haben, wenn andere scheitern».
Christian Rieck ist als Professor für Finanzwesen und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences tätig. Der Ökonom hat an der Goethe-Universität Frankfurt studiert. Er beschäftigt sich unter anderem mit der digitalen Zukunft der Finanzbranche. Zu seinen Veröffentlichungen gehören neben «Anleitung zur Selbstüberlistung» die Lehrbücher «Spieltheorie: Eine Einführung» und «Die 36 Strategeme der Krise – Erfolg haben, wenn andere scheitern».