So zerbricht die Liebe nicht am Baby
«Männer denken oft, dass alles stimmt, wenn man Sex hat»

Wenn aus einem Zweiergespann ein Trio wird, steht die Beziehung erst mal kopf. Zwei, die es wissen müssen, verraten, wie die Liebe trotz Baby bestehen und sogar wachsen kann: Jeannette und Thomas Schärer Hansen sind Paar-Coaches, ein Ehepaar und zweifache Eltern.
Publiziert: 09.01.2025 um 19:45 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2025 um 20:26 Uhr
Beziehungen verändern sich, wenn Nachwuchs kommt: Vor allem dem Fokus der Frau wird alles abverlangt.
Foto: IMAGO/Addictive Stock

Auf einen Blick

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Maja ZivadinovicFreie Journalistin Service-Team

Dass Babys die Beziehung ihrer Eltern erst mal auf die Probe stellen, ist kein Geheimnis. Warum aber ist das so und was können Paare machen, um trotz Kindern die Liebe aufrechtzuerhalten? Zwei, die es wissen, sind das Coaching- und Ehepaar Jeannette Hansen Schärer (49) und Thomas Schärer (52). Die Zweifach-Eltern sind seit 26 Jahren verheiratet und sagen: «Es ist gar nicht so schwer, zusammenzubleiben.»

Jeannette Hansen Schärer und Thomas Schärer, wie verändert sich eine Beziehung, wenn aus einem Paar eine Familie wird?
Thomas: Vor allem dem Fokus der Frau wird alles abverlangt. Sie hat es quasi in der DNA, dass sie eine perfekte und liebevolle Mutter sein will. Dazu kommt, dass sie erst geboren hat. Nebenbei soll sie aber auch noch eine tolle Ehefrau sein. Das ist so viel, dass das fast nicht zu bewältigen ist.
Jeannette: Am Anfang beginnt die Frau, ihre Liebe zu verteilen. Instinktiv fühlt sie, dass das Baby ganz viel Liebe und Geborgenheit braucht. Also richtet sie ihren kompletten Fokus auf das neue Familienmitglied. Der Mann sieht sich plötzlich mit einer neuen Situation konfrontiert. Er verliert quasi seine Partnerin und hat plötzlich ein Mami neben sich, das ihm nicht mehr die Aufmerksamkeit gibt, die er gewohnt war. So wird der frisch gebackene Vater mit seiner eigenen Bedürftigkeit konfrontiert.

Was sind konkret die grossen Herausforderungen, wenn aus einem Paar eine Familie wird?
Thomas: Männer erleben oft Existenzängste. Der Druck, eine Familie ernähren zu müssen, ist sehr gross. Die Frau will die perfekte Mutter sein, im Inneren und im Äusseren will sie alles bestens im Griff haben.
Jeannette: Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft. Leider haben wir keine Zeit für Ruhe, Entspannung und dafür, in uns reinzuhorchen und rauszufinden, was wir denn brauchen und was uns antreibt.

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Das Coaching-Ehepaar

Jeannette Hansen Schärer (49) und Thomas Schärer (52) sind ein Coaching- und Ehepaar. Sie sind seit 26 Jahren verheiratet und haben zwei erwachsene Söhne. Als Coaches spannen sie seit gut zehn Jahren auch beruflich zusammen. In ihren Coaching-Räumlichkeiten in Riniken AG bieten sie Paarberatungen sowohl vor Ort als auch online an.

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Jeannette Hansen Schärer (49) und Thomas Schärer (52) sind ein Coaching- und Ehepaar. Sie sind seit 26 Jahren verheiratet und haben zwei erwachsene Söhne. Als Coaches spannen sie seit gut zehn Jahren auch beruflich zusammen. In ihren Coaching-Räumlichkeiten in Riniken AG bieten sie Paarberatungen sowohl vor Ort als auch online an.

Bei vielen Paaren, die ein Kind bekommen, wird aus Nähe Distanz. Warum?
Jeannette: Ich erkläre diese Situation gerne anhand von Käse. Wir kommen als Emmentaler zusammen. Wir haben viele Löcher, unsere Mängel sind nicht gedeckt. Als Paar werden wir quasi zum Magneten. Wir decken gegenseitig unsere Bedürfnisse ab. Das funktioniert so lange, bis ein Baby da ist. Ist ein Kind auf der Welt, verlagert sich alles. Wir sind aber immer noch Emmentaler und haben Löcher. Wenn wir aber leer und ausgelaugt sind, können wir keine Löcher mehr stopfen.
Thomas: Wenn Kinder da sind, werden auch eigene Bedürfnisse stärker. Männer wollen Nähe und Zärtlichkeit, Frauen derweil haben in dieser ersten Zeit dem Baby schon den ganzen Tag viel körperliche Nähe gegeben und mögen einfach nicht mehr. Da prallen zwei Welten aufeinander, die im Teufelskreis enden, wenn das Paar nicht aktiv etwas dagegen tut. 

Kann man sagen, dass der Familienalltag ein Liebeskiller ist?
Jeannette: Ja, absolut! Unterstützung und Entlastung zu holen, ist für viele Paare ganz schön herausfordernd oder sogar befremdend, wir haben die Erwartung an uns, es alleine schaffen zu müssen.

Reden wir über körperliche Nähe: Wie kann man das Sexleben trotz Elternschaft aufrechterhalten?
Jeannette: Indem man die Sexualität als Ganzes sieht. Damit diese funktionieren kann, braucht es, so unsexy es klingt, Kommunikation. Nähe und Intimität entstehen dann, wenn man sich verletzlich und ehrlich begegnen kann.
Thomas: Oft sind die Bedürfnisse unterschiedlich. Die Frau will emotionale Nähe, der Mann körperliche. Oft denken Männer, dass alles stimmt, wenn man Sex hat. Dabei geht es auch Männern gar nicht primär um den klassischen Sex, sondern um die Nähe, Zuneigung und Verbindung. Man kann dem Partner auch gut mal einfach eine Massage schenken und so den sexuellen Druck rausnehmen.

Wird es für ein Paar einfacher, wenn die Kinder grösser werden?
Thomas: Wir erleben oft das Gegenteil. Viele halten quasi durch, bis die Kinder raus sind. Meist sind sie sich dann schon sehr fern, sind fremdgegangen und haben sich schon längst innerlich verloren. Beide fühlen sich nicht mehr wohl miteinander, denken aber, dass sie den Kindern zuliebe etwas durchziehen müssen, das sie eigentlich schon lange nicht mehr fühlen.

Wann soll ein Paar in die Therapie?
Jeannette: Am besten schon, bevor man Kinder bekommt! Kinder sind die besten Spiegel, um uns dahin zu bringen, wo wir noch nicht hingeschaut haben. Es wäre einfacher und angenehmer, wenn man das schon im Vorfeld erledigen würde.

Und wann soll sich ein Paar trennen?
Thomas: In den meisten Fällen wäre das gar nicht nötig. Wenn man den Zugang zu sich und zum Gegenüber findet, ist es gar nicht so schwer, zusammenzubleiben.
Jeannette: Wir hatten gerade ein Paar in der Beratung, das 50 Jahre lang gestritten hat und sich sehr fern war. In der letzten Sitzung sassen sie da, hielten Händchen und fühlten sich einander wieder sehr nahe. Das hat uns sehr berührt. Wir sind sicher, dass sich zu viele Paare bekriegen. Und wir sind sicher, dass man diese Kriege beenden kann.

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