Der Schutz der Geier kann auch zahlreiche Menschenleben retten. Zu diesem Schluss kommen zwei Umweltökonomen in einer Studie, die im Fachblatt «American Economic Review» erschienen ist. Sie schauten sich Sterbezahlen in Indien in den Jahren 2000 bis 2005 an und kommen zu dem Schluss: Als dort die Geier fast vollständig verschwanden, starben jährlich mehr als 100'000 Menschen zusätzlich.
Anant Sudarshan von der University of Warwick in Grossbritannien und Eyal Frank von der University of Chicago in den USA führen die zusätzlichen Todesfälle auf die herumliegenden Tierkadaver zurück. Weil die Geier ihrer Funktion im Ökosystem nicht mehr nachkamen, vermehrten sich andere Aasfresser, die Menschen eher krank machen. Ausserdem entsorgten viele Bauern die Tierkadaver in Flüssen und Seen, was das Trinkwasser verschmutzte.
Die beiden Autoren erinnern in ihrer Studie daran, dass wir uns derzeit in einem Massensterben nie gekannten Ausmasses befinden. «Da es leider unmöglich ist, jedes Aussterben zu verhindern, muss die Naturschutzpolitik ein entscheidendes Zielproblem lösen: Welche der vielen gefährdeten Arten sollten wir schützen oder wieder ansiedeln?», fragen sie.
Derzeit würde jede Menge Geld ausgegeben, um besonders süsse oder besonders prächtige Tiere zu schützen, ergänzt Sudarshan im dpa-Interview. Dazu gehörten Pandabären oder Tiger. «Wir sagen nicht, dass das schlecht ist, aber wir wollen darauf hinweisen, dass das Wohlergehen des Menschen mit dem anderer Arten in einer Wechselbeziehung steht.» Es gebe einige Schlüsselarten im Ökosystem, die für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen besonders zentral seien.