Schluss mit Body Positivity?
Der Trend «Heroin Chic» feiert knochige Models

Körpervielfalt hat zunehmend an Bedeutung gewonnen. Jetzt soll damit wieder Schluss sein: «Heroin Chic» glorifiziert dünne Körper. Eine Expertin vermutet dahinter eine Marketingstrategie von Modelabels.
Publiziert: 09.12.2022 um 18:22 Uhr
|
Aktualisiert: 11.12.2022 um 20:27 Uhr
1/11
Model Bella Hadid (26) posiert für die Herbstkampagne des spanischen Modelabels Balenciaga.
Foto: BALENCIAGA/Nadia Lee Cohen
Jana Giger

Die Knochen um ihre Schultern stechen markant hervor, und ihre Rippen zeichnen sich unter der Haut ab. Model Bella Hadid (26) liess sich für die Herbstkampagne von Balenciaga mit dünner Figur oben ohne fotografieren. Fast zeitgleich nahm Kim Kardashian (42) innerhalb weniger Wochen sieben Kilogramm ab, um in ihr Kleid für die Met Gala zu passen. Seither zeigt sich die Unternehmerin, die für ihre weiblichen Rundungen bekannt ist, mit sehr schlankem Körper.

Die Gewichtsveränderungen der beiden Frauen nahm die US-Zeitung «New York Post» zum Anlass, das Comeback von dünnen Körpern zu verkünden. Sie titelte: «Bye-bye booty: Heroin Chic is back».

Damit ist ein Trend aus der Modebranche in den 1990er- und 2000er-Jahren gemeint, der Frauen mit abgemagerter Figur, blasser Haut und dunklen Ringen unter den Augen verherrlichte. Merkmale, die mit dem Konsum von Heroin oder anderen Drogen in Verbindung gebracht werden. Als Vertreterin dieser «Heroin Chic»-Ästhetik galt damals Supermodel Kate Moss (48) in der Anfangsphase ihrer Karriere.

«Unsere Körper sind keine Trends»

Dass «Heroin Chic» nun zurück sein soll, löst in den sozialen Medien Ablehnung aus. Die britische Schauspielerin Jameela Jamil (36), die auf ihren Plattformen den gesunden Umgang mit dem eigenen Körper propagiert, zeigte sich entrüstet und schrieb auf Instagram: «Unsere Körper sind keine Trends.» Viele ihrer 3,7 Millionen Follower stimmten ihr in den Kommentaren zu.

Über diesen Widerstand gegen «Heroin Chic» freut sich Elisabeth Lechner (32), Kulturwissenschaftlerin und Autorin. Sie hat an der Uni Wien zu Body Positivity promoviert und setzt sich seit mehreren Jahren mit dem weiblichen Körperbild auseinander. «Die Reaktion zeigt, dass ein Umdenken stattgefunden und die Body-Positivity-Bewegung viel erreicht hat», sagt sie zu Blick. «Viel mehr Leute wissen heute: Gesundheit ist mehr als eine Zahl auf der Waage.»

Das liegt daran, dass auf den Laufstegen, in der Werbung und in der Popkultur zunehmend unterschiedliche Körper vertreten sind. US-Sängerin Lizzo (34), die stolz ist auf ihre dicke Figur, ist eine der erfolgreichsten Musikerinnen der letzten Jahre, und bei Versace liefen 2020 erstmals gleich drei Curvy Models über den Runway. «Das hat Frauen aufgezeigt, dass Schönheit vielfältig ist und es bei dünnen Körpern vor allem um die Vermarktung eines profitablen, unerreichbaren Ideals geht», so Lechner.

«Marketingstrategie von Modelabels, um relevant zu bleiben»

Obwohl das Schönheitsideal der schlanken Frau nie verschwunden war, sondern laut der Expertin in den letzten Jahren einfach in den Hintergrund gerückt ist, glaubt sie nicht, dass «Heroin Chic» von der breiten Masse angenommen wird. Es sei zu viel kritisches Wissen vorhanden.

Doch weshalb kommt der Trend gerade jetzt wieder zur Sprache? «Schönheitsideale ändern sich immer, dahinter stecken ökonomische Interessen der Mode- und Diätindustrie», sagt Lechner. «Um relevant zu bleiben, muss diese neue Ideale vermarkten und Akzente setzen.» Es sei eine Marketingstrategie von Labels wie Balenciaga, extra mit einem bekannten Model, das plötzlich noch viel dünner ist als sonst, eine Kampagne zu machen. Offensichtlich ist es ihnen gelungen, damit für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?