Wie äussert sich die Freizeitkrankheit?
«Viele Menschen haben Schwierigkeiten, in ihrer Freizeit abzuschalten und sich zu erholen», sagt Frank Wieber (49), Professor für Gesundheitsförderung und Prävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Sie sind oft so sehr im Hamsterrad drin, dass sie ihre Erschöpfung gar nicht bemerken.» Die Folge: Sobald man sich entspannen kann, wird man krank. Typische Symptome dieser sogenannten Leisure Sickness oder Freizeitkrankheit sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Antriebslosigkeit und Erschöpfung. Auch grippeartige Erkältungen können auftreten. Die Freizeitkrankheit ist gemäss Wieber eine Vorstufe eines Burnouts. «Es ist ein typisches Symptom unserer Leistungsgesellschaft.»
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Was sind die Ursachen?
Bei Stress schalte unser Körper in den Not-Modus, sagt Wieber. Die Hormone Adrenalin und Cortisol sorgen dafür, dass unsere Energiereserven freigesetzt und auf die Aufgaben im Job oder im Alltag kanalisiert werden. «Die Stresshormone halten uns leistungsfähig und verhindern kurzfristig, dass wir erschöpft oder krank werden.» Hält der Stress über Wochen oder Monate an, wird unser Immunsystem und unser Wohlbefinden geschwächt. Sobald wir dann die Möglichkeit hätten, uns zu erholen, verlässt unser Körper den Not-Modus. Dann spüren wir die Erschöpfung und reagieren besonders empfindlich auf Krankheitserreger.
Wer ist besonders betroffen?
Von der Freizeitkrankheit betroffen sind insbesondere Menschen mit Hang zum Perfektionismus und solche, die ihre Arbeit nicht delegieren wollen. Früher sei man davon ausgegangen, dass das vor allem auf Chefs und Manager zutreffe, sagt Wieber. Heute wisse man, dass die Freizeitkrankheit alle Arbeitnehmenden treffen könne. «Wer im Alltag hohe Anforderungen an sich selbst stellt und sich nur wenig Momente zur Entspannung gönnt, hat auch in der Freizeit Mühe, sich zu entspannen.» Betroffene hätten zudem das Problem, dass sie ihre Freizeit ähnlich streng bewerten wie ihre Arbeit. «Sie bleiben beim Wandern, beim Wochenendbrunch oder in den Strandferien bei ihren leistungsbezogenen Denkgewohnheiten.»
Frank Wieber (49) befasst sich beruflich intensiv mit Gesundheitsförderung und Prävention. Er ist Professor und stellvertretender Leiter für Forschung am Institut für Public Health an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur ZH. Um im Arbeitsalltag zu regelmässigen Pausen zu kommen und die Erholung nicht nur auf das Wochenende oder die Ferien zu schieben, geht er täglich mit seinem Hund spazieren.
Frank Wieber (49) befasst sich beruflich intensiv mit Gesundheitsförderung und Prävention. Er ist Professor und stellvertretender Leiter für Forschung am Institut für Public Health an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur ZH. Um im Arbeitsalltag zu regelmässigen Pausen zu kommen und die Erholung nicht nur auf das Wochenende oder die Ferien zu schieben, geht er täglich mit seinem Hund spazieren.
Wie kann ich dagegen vorbeugen?
Laut Wieber sollten Menschen, die lange Zeit auf hoher Frequenz arbeiten, lernen, Pausen in ihren Alltag einzubauen. «Wir können nicht einfach auf Kommando entspannen. Wer sich das ganze Jahr abmüht und die Erholung nur auf die Sommerferien legt, wird scheitern.» Viel besser seien regelmässige Pausen von Arbeit und Alltag unter der Woche, über Mittag, oder morgens vor der Arbeit. «Das können kurze Entspannungs- oder Atemübungen sein. Oder man kann sich mit Freunden treffen, Sport treiben oder Musik hören.» Die Massnahmen gegen die Freizeitkrankheit begännen schon weit vor der eigentlichen Freizeit. Liegt eine solche Änderung des Alltags und des Lebensstils nicht drin, empfiehlt Wieber Folgendes: «Zumindest in der Woche vor der Ferienzeit sollte man versuchen, das Pensum zu reduzieren und nicht bis zur letzten Minute intensiv zu arbeiten.» So gelinge der Wechsel von Arbeit zu Erholung besser und der Körper habe die Möglichkeit, sich vor der Abreise auf die Erholung einzustimmen.