Auf einen Blick
Kopfschmerzen gehören zu den am weitesten verbreiteten gesundheitlichen Leiden in Europa, gefolgt von Rückenschmerzen. Laut Statistiken werden rund drei Viertel der Erwachsenen mindestens einmal pro Monat von Kopfweh heimgesucht, rund 40 Prozent geben an, mehrmals im Monat Kopfschmerzen zu haben. Bei den Betroffenen führt das zu vielen Fragen. Benjamin Schäfer (40) leitender Physiotherapeut der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein und Autor von «Kopfschmerzen und Migräne – Das Übungsbuch» beantwortet die wichtigsten.
Wie weiss ich, ob meine Schmerzen harmlos sind oder ob mehr dahintersteckt?
In 90 Prozent der Fälle handelt es sich um Migräne oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp. «Beide sind primäre Schmerzerkrankungen», sagt Benjamin Schäfer. Das bedeutet, der Schmerz ist selbst die Erkrankung und nicht die Folge einer bestimmten Problematik. Auslöser können Stress, Schlafmangel, Emotionen oder ausgelassene Mahlzeiten sein. Bei einem Teil der Migränepatienten ist er auch erblich bedingt. In Schäfers Buch gibts auch einen Selbsttest, um herauszufinden, welche Art von Kopfschmerz man haben könnte.
«Zunehmende Kopfschmerzen, untypische Präsentation oder plötzlich auftretende Kopfschmerzen könnten auf sekundäre Kopfschmerzen hinweisen, also Schmerzen, deren Ursachen woanders liegen», so Schäfer. Dann empfiehlt der Fachmann, eine Neurologin zur Abklärung aufzusuchen. Auch wenn es sehr selten sei, dass sich hinter sekundären Kopfschmerzen eine lebensbedrohliche Ursache versteckt.
Ist es falsch, direkt ein Schmerzmittel zu nehmen?
«Das würde ich so nicht sagen. Oft ist es die einzige Möglichkeit, eine akute Kopfschmerzattacke zu lindern», so der Experte. Aber wenn man schnell zum Medikament greife, um weiter zu funktionieren, und nichts an der auslösenden Situation ändert, könne dies auf ein Durchhalteverhalten hinweisen. «Dies wiederum kann Kopfschmerzen verschlimmern.»
Personen, die viele Medikamente nehmen, sollten dies dokumentieren (zum Beispiel in der App der DMKG) und achtgeben, dass sie nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat Schmerzmittel einnehmen. Auch das sollte ärztlich besprochen werden. Und: «Wichtig zu wissen ist, dass es bei Migräne spezifische Medikamente gibt – auch zur Vorbeugung. Das ist ein weiterer Grund, weshalb ein Arztbesuch lohnend sein könnte.»
Was ist die Alternative zum Schmerzmittel?
Benjamin Schäfer empfiehlt Ruhe, Schlafen, Kälte, frische Luft sowie eine stressige oder laute Umgebung zu verlassen als erste Massnahmen, wenn der Kopf brummt. Auch längerfristig könne man viel selbst gegen Kopfschmerzen tun. «Insbesondere, wenn es sich um Migräne handelt. Von einer Veränderung des Lebensstils, über Sport und Entspannung bis hin zu körperlichen Übungen oder einer Psychotherapie.»
Personen mit regelmässigen Kopfschmerzen empfiehlt der Autor, einen Kopfschmerzkalender zu führen und sich mehr mit den Symptomen zu beschäftigen. «Für Letzteres sind Bücher wie das meine als Ratgeber sicherlich geeignet. Wer aber sehr oft Kopfweh hat, sollte unbedingt eine Spezialistin oder einen Spezialisten aufsuchen.»
Wie reagiere ich, wenn mein Kind Kopfweh hat?
Dass Kinder öfter sagen, sie hätten Kopfschmerzen, wenn ihnen vielleicht etwas ganz anderes fehlt, zum Beispiel psychisch, ist bekannt. «Es wäre aber fatal, einem Kind mit Schmerzen zu unterstellen, dass es simuliert», sagt Schäfer. «Migräne und Kopfschmerzen treten unter Kindern und Jugendlichen immer häufiger auf. Auch ohne erbliche Disposition. Oft sind die Attacken leichter und Schlafen hilft bereits. Dennoch würde ich Kopfschmerzen bei Kindern nicht unterschätzen und sie ernst nehmen.
Was man versuchen kann, sind Entspannungstechniken speziell für Kinder, da gibt es vieles online. Körperliche Übungen sollten einfach sein und für das Kind eine Relevanz besitzen. Mehr Sport zu treiben ist auch in den meisten Fällen gut.» Bezüglich medikamentöser Behandlung von Kindern sollte man unbedingt eine Arztpraxis konsultieren.