Absetzen mit Folgen
Die Herausforderungen beim Beenden der Medikamenteneinnahme

Beim Absetzen von Medikamenten wie Blutdrucksenkern, Antidepressiva und Nasensprays können ernsthafte Probleme auftreten. Eine Apothekerin klärt über die drei häufigsten Phänomene auf und sagt, was du dagegen tun kannst.
Publiziert: 07.10.2024 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2024 um 13:18 Uhr
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Laut dem Universitätsspital Zürich leiden zwischen 10 und 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung einmal pro Woche an Sodbrennen.
Foto: Getty Images/Universal Images Group

Auf einen Blick

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Olivia RuffinerRedaktorin

Dass es bei der Einnahme von Medikamenten zu Nebenwirkungen kommen kann, ist unterdessen vielen von uns bewusst. Was einige aber nicht wissen: Es gibt Wirkstoffe, die auch beim Absetzen zu Problemen führen können. Hier sind die drei häufigsten Phänomene, die auftreten, wenn man bestimmte Medikamente absetzt.

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Der Rebound-Effekt

Ein häufiges Phänomen beim Absetzen von Protonenpumpenhemmern, Blutdrucksenkern, Nasensprays und Kortikosteroide ist der Rebound-Effekt. Dabei treten die ursprünglichen Symptome, die mit dem Medikament behandelt wurden, in verstärkter Form wieder auf. Das, weil der Körper sich an die Wirkung des Medikaments gewöhnt hat und beim plötzlichen Wegfall mit einer Überreaktion reagiert.

Izabela Milceva, Apothekerin beim Schweizerischen Apothekerverband Pharmasuisse erklärt den Effekt anhand der Medikamentengruppe Protonenpumpenhemmer – auch bekannt unter den Markennamen Pantoprazol und Esomeprazol. Leidet ein Patient an Sodbrennen und saurem Aufstossen, verschreibt die Ärztin einen Protonenpumpenhemmer, der die Produktion der Magensäure hemmt.

«Je nach Schweregrad des Refluxes, der verschriebenen Dosierung und der Dauer der Behandlung kann ein plötzliches Absetzen zu einem erneuten Auftreten des Säure-Refluxes führen», sagt Milceva.

Es ist wichtig, einen Rebound-Effekt von einem Rückfall der Grunderkrankung zu unterscheiden. Während ein Rebound-Effekt in der Regel vorübergehend ist, deutet ein anhaltender Rückfall möglicherweise darauf hin, dass die Behandlung noch nicht abgeschlossen werden sollte.

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Entzugserscheinungen

Besonders bei Medikamenten wie Opioiden und Beruhigungsmitteln kann es beim Absetzen zu Entzugserscheinungen kommen. Milceva sagt: «Dies ist auf den Wirkungsmechanismus dieser Medikamentenklasse zurückzuführen, hängt aber auch von der Dosierung und der Dauer ab.»

Opioide sind starke Schmerzmittel wie Morphium. Sie binden an spezielle Rezeptoren im Gehirn und Nervensystem. Diese Bindung führt zu einer Schmerzlinderung und oft auch zu einem Gefühl des Wohlbefindens. Bei regelmässiger Einnahme passt sich der Körper an die ständige Präsenz der Opioide an. Das Gehirn reduziert die eigene Produktion von Endorphinen und verändert die Empfindlichkeit der Opioid-Rezeptoren. Wenn das Mittel dann plötzlich abgesetzt wird, entsteht ein Ungleichgewicht im Körper. Das Gehirn und das Nervensystem müssen sich nun wieder umstellen und es kann zu Entzugserscheinungen kommen.

Neben Opioiden können auch sogenannte Benzodiazepine zu Entzugserscheinungen beim Absetzen führen. Das sind Beruhigungsmittel wie Xanax, Temesta und Cibradex.
Foto: Keystone

Die Entzugserscheinungen können von leichtem Grippegefühl bis zu starken Schmerzen, Angst, Unruhe und Krämpfen reichen. Die Apothekerin betont daher die Wichtigkeit, sich an die vorgegebene Dosierung der Ärztin zu halten.

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SSRI-Absetzsyndrom

Ein spezifisches Beispiel für Absetzerscheinungen ist das SSRI-Absetzsyndrom bei Antidepressiva. SSRI steht dabei für die Medikamentengruppe Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer – das sind Markenmittel wie Citalopram, Escitalopram, Sertralin und Cipralex. Im Gegensatz zu Schmerzmitteln führen diese nicht zu einer körperlichen Abhängigkeit. Das Absetzsyndrom ist eher eine Folge der plötzlichen Veränderung der Neurotransmitter-Balance im Gehirn.

SSRI erhöhen die Aufnahmefähigkeit der Serotoninrezeptoren, unterstützen so einen ausgeglichenen Tag- und Nachtrhythmus und hellen die Stimmung auf. Setzt man SSRI plötzlich ab, fällt dieser Prozess aus dem Gleichgewicht.

Das kann dazu führen, dass der Patient physische Symptome wie Schwindel, Übelkeit, Reizbarkeit und elektroschock-ähnliche Empfindungen verspürt. Dieses Phänomen wurde oft beim Absetzen von SSRI beobachtet, weshalb es SSRI-Absetzsyndrom genannt wird.

Was kann man dagegen tun?

«Eine Patentlösung gibt es nicht», sagt Milceva. Viel eher hängt es vom verschriebenen Medikament, seiner Dosierung und der Dauer der Einnahme ab. Um solche Absetzwirkungen zu minimieren, empfiehlt sie aber ein langsames Ausschleichen der Medikation, also eine schrittweise Reduktion der Dosierung. Bei Antidepressiva kann das beispielsweise eine Reduktion von 0,5 Milligramm jede zweite Woche sein, je nach Krankheit, Person und individueller Situation.

Milceva betont: «Da die Problematik mit dem Absetzen von Person zu Person unterschiedlich ist, benötigt es den Austausch mit einer Fachperson.»

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