Longevity-Boom
Mediziner warnt vor riskanten Verjüngungsmethoden

Longevity-Angebote breiten sich aus. Doch wie wirksam sind sie? Intensivmediziner Kai Zacharowski sagt: «Es wird ein Wirrwarr an Methoden angewendet.» Nicht alle beruhen auf wissenschaftlichen Fakten: «Von einigen rate ich dringend ab.»
Publiziert: 26.03.2025 um 13:26 Uhr
Sauerstoffbehandlungen gehören mittlerweile zum Standardangebot von zahlreichen Longevity-Kliniken.
Foto: Shutterstock

Darum gehts

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Erich Bürgler
Bilanz

Longevity-Angebote breiten sich in ganz Europa mit einem beeindruckenden Tempo aus. Immer mehr Unternehmen setzen auf das Geschäft mit Behandlungen, die ein längeres, gesundes Leben ermöglichen sollen. Wie sinnvoll sind solche Angebote? Kai Zacharowski, Intensivmediziner und stellvertretender Direktor des Universitätsklinikums Frankfurt, bringt wissenschaftliche Fakten in die Debatte über ein längeres Leben ein.

Herr Zacharowski, was halten Sie von Longevity-Behandlungen, wie sie spezialisierte Kliniken, aber auch zunehmend Fitnesscenter anbieten?
Da gibt es viele Arten von Therapien. Ein Teil davon ist sinnvoll. Bei anderen Behandlungen fehlt es an Studien, die einen positiven Effekt auf die Gesundheit belegen. Und von gewissen Longevity-Methoden rate ich dringend ab.

Kältebehandlungen, bei denen man sich in eine bis zu minus 110 Grad kalte Kammer begibt, sind gerade besonders angesagt. Sinnvoll?
Die entscheidende Frage ist: Was will man mit solch einer Behandlung überhaupt erreichen?

Prävention: Bei neuen Longevity-Angeboten fehlt es laut Kai Zacharowski oft an belastbaren wissenschaftlichen Daten zu ihrer Wirkung.
Foto: Frank Röth

Mehr Abwehrkräfte durch die Stärkung des Immunsystems verspricht die Longevity-Branche.
Dann soll man mir mal zeigen, woher diese Erkenntnisse stammen. Das würde bedeuten, dass zum Beispiel die Zahl der Atemwegsinfektionen bei Menschen, die sich dieser Behandlung unterziehen, tiefer ist als bei einer Vergleichsgruppe ohne Kältetherapie. Solche belastbaren Daten gibt es aber nicht. Was wir wissen, ist, dass man das Immunsystem damit anregt. Extreme Kälte sorgt dafür, dass der Körper mehr Energie aufwendet, der Kreislauf wird angekurbelt.

Also eine gute Sache?
Allein die Challenge kann für Glücksgefühle sorgen. Für Menschen mit stabiler Konstitution, die sich dadurch besser fühlen und keinen nachgewiesenen Effekt erwarten, spricht nichts dagegen. Man braucht dazu aber keine Kältekammer. Winterschwimmen im kalten See oder Fluss hat aus medizinischer Sicht denselben Effekt.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

Spitzensportler setzen auf Sauerstofftherapien. In einer Überdruckkammer wird Sauerstoff zugeführt, oder man simuliert mit einem speziellen Verfahren Höhenlagen von über 2000 Metern. Was bringt das?
Das machen tatsächlich viele Profisportler. Ein leistungsfördernder Effekt ist bewiesen. Doch was will man damit als durchschnittlich aktiver Mensch anfangen?

Kann das die Leistung im Arbeitsalltag im Büro steigern?
Das ist eher unwahrscheinlich. Das ist, als würden Sie mit dem Auto durch Zürich fahren: Egal, ob Sie einen PS-starken Sportwagen oder einen Kleinwagen fahren – mehr als 50 km/h sind nicht möglich. Übertreiben sollte man es mit solchen Behandlungen jedenfalls nicht. Eine häufig erhöhte Hämoglobin-Konzentration kann zu Bluthochdruck führen.

Health & Longevity Conference

SIP Medical Family Office und BILANZ veranstalten am 3. April eine Konferenz zu Präventivmedizin und Longevity, bei der führende Spezialisten die dringlichsten Themen in diesen Bereichen behandeln. Das Interesse an Gesundheit und Langlebigkeit ist so gross wie nie zuvor. Immer mehr Menschen streben ein Leben von 100 Jahren oder mehr an. Wirtschaft und Wissenschaft entwickeln neue Produkte und Strategien, um die gesunde Lebensspanne zu verlängern. Aber ist das realistisch? Was sind die Auswirkungen?

Die SIP-BILANZ Health & Longevity Conference wird sich mit den neuesten Trends und den wichtigsten Themen befassen, darunter präventives Gesundheitsmanagement, Sucht, Demenz, Langlebigkeitswissenschaft und damit verbundene Fragen der Finanzplanung. Die Konferenz wird verdeutlichen, dass die Gestaltung des medizinischen Systems eine zentrale Rolle für Gesundheit und Longevity spielt – nicht zuletzt, weil dieses selbst eine der Hauptursachen für Mortalität darstellt. Die Veranstaltung zielt auch darauf ab, herauszufinden, was am derzeitigen Hype um die Langlebigkeit real ist und was Unsinn. Die Konferenz bringt führende Gesundheits- und andere Experten sowie Referenten aus Medizin, Wissenschaft, Vermögensverwaltung und Wirtschaft zusammen. Hochkarätige Podiumsdiskussionen bieten wertvolle Einblicke in die neuesten Entwicklungen der Präventivmedizin und der Longevity-Forschung. Auch gibt es Networking-Möglichkeiten. Registrieren Sie sich jetzt zu Sonderkonditionen für BILANZ-Leserinnen und -Leser mit dem Code «B-SIP1» unter sip.ch/zurich2025.

Bilanz

SIP Medical Family Office und BILANZ veranstalten am 3. April eine Konferenz zu Präventivmedizin und Longevity, bei der führende Spezialisten die dringlichsten Themen in diesen Bereichen behandeln. Das Interesse an Gesundheit und Langlebigkeit ist so gross wie nie zuvor. Immer mehr Menschen streben ein Leben von 100 Jahren oder mehr an. Wirtschaft und Wissenschaft entwickeln neue Produkte und Strategien, um die gesunde Lebensspanne zu verlängern. Aber ist das realistisch? Was sind die Auswirkungen?

Die SIP-BILANZ Health & Longevity Conference wird sich mit den neuesten Trends und den wichtigsten Themen befassen, darunter präventives Gesundheitsmanagement, Sucht, Demenz, Langlebigkeitswissenschaft und damit verbundene Fragen der Finanzplanung. Die Konferenz wird verdeutlichen, dass die Gestaltung des medizinischen Systems eine zentrale Rolle für Gesundheit und Longevity spielt – nicht zuletzt, weil dieses selbst eine der Hauptursachen für Mortalität darstellt. Die Veranstaltung zielt auch darauf ab, herauszufinden, was am derzeitigen Hype um die Langlebigkeit real ist und was Unsinn. Die Konferenz bringt führende Gesundheits- und andere Experten sowie Referenten aus Medizin, Wissenschaft, Vermögensverwaltung und Wirtschaft zusammen. Hochkarätige Podiumsdiskussionen bieten wertvolle Einblicke in die neuesten Entwicklungen der Präventivmedizin und der Longevity-Forschung. Auch gibt es Networking-Möglichkeiten. Registrieren Sie sich jetzt zu Sonderkonditionen für BILANZ-Leserinnen und -Leser mit dem Code «B-SIP1» unter sip.ch/zurich2025.

Welche Vorsorgemassnahmen sind denn sinnvoll?
Das sind weniger spektakuläre Massnahmen, wie die Kontrolle des Vitamin-D-Wertes durch einen Bluttest. Bei einem Mangel helfen Vitaminpräparate, oder man geht einfach öfter an die Sonne. Ab einem Alter von etwa 50 Jahren ist eine Darmspiegelung sinnvoll. Wobei es Hinweise darauf gibt, dass Männer sogar deutlich früher eine Koloskopie machen sollten, weil sie sich tendenziell eher weniger gesund ernähren als Frauen. Bei der weiblichen Bevölkerung kommt dafür der Eisenmangel häufiger vor. Besonders bei einer relativ neuen Gruppe. Auch hier schafft ein Bluttest Klarheit.

Welche neue Bevölkerungsgruppe leidet unter Eisenmangel?
Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren. Sie sollten besonders darauf achten, genügend eisenhaltige pflanzliche Lebensmittel zu konsumieren und falls nötig mit Medikamenten nachzuhelfen. Und wenn wir von Longevity sprechen: Ein leider völlig unterschätztes Problem in diesem Zusammenhang ist die durch Eisenmangel verursachte Anämie, besonders vor operativen Eingriffen.

Worum geht es dabei?
Schätzungsweise über zwei Milliarden Menschen leiden an einer Anämie, einer sogenannten Blutarmut. Der Hämoglobinspiegel im Blut ist dabei niedriger als normal. Viele wissen nichts davon, weil sie im Alltag keine Einschränkungen spüren. Wenn es zu einem chirurgischen Eingriff kommt, kann eine unbehandelte Anämie verheerende Folgen haben.

Der gesundheitliche Nutzen von Longevity-Methoden wie der Kältetherapie ist nicht gesichert.
Foto: Shutterstock

Welche?
Das Risiko einer Komplikation während eines Eingriffs steigt stark. Das Problem heute ist, dass vor einer planbaren Operation viel zu selten abgeklärt wird, ob die Patientinnen und Patienten an einer Blutarmut leiden. Das Risiko, bei einer Operation zu sterben, steigt bei unbehandelten Anämien um das Fünf- bis Fünfzehnfache.

Damit steigen wohl auch die Kosten im Gesundheitssystem?
Wir haben an der Universitätsklinik Frankfurt ausgerechnet, dass pro tausend Betten pro Jahr eine Million Euro Kosten direkt und mehrere Millionen indirekt eingespart werden können, weil entsprechende Abklärungen vor Eingriffen getroffen werden.

Zurück zum Thema Longevity-Behandlungen. Der US-Unternehmer Bryan Johnson hat sich Transfusionen von Blut seines Sohns verabreichen lassen. Eine geeignete Verjüngungsmethode?
Nein. Bei Ratten und Mäusen hat man tatsächlich einen Verjüngungseffekt bei Versuchen festgestellt. Für den Menschen gibt es keine solche Evidenz, klar sind aber die Risiken: Die Verabreichung von Fremdblut kann zu Komplikationen führen. Es kann passieren, dass das Immunsystem gegen das Spenderblut ankämpft. Das ist der gleiche Effekt wie bei der Transplantation eines Organs. Solche Risiken sollte man nicht unnötig eingehen.

Zu den Angeboten im Markt gehört die Blutwäsche. Mikroplastik und Schwermetalle sollen mit einem speziellen Verfahren aus dem Körper entfernt werden. Ihre Meinung?
Davon rate ich dringend ab. Auch hier fehlen klinische Studien. Im Gegensatz zu Methoden wie der Kältebehandlung ist das aber ein Eingriff in den Körper, mit dem die Gefahr von Nebenwirkungen einhergeht.

Ist der ganze Longevity-Hype aus Ihrer Sicht reine Geldmacherei?
Das kann man so nicht sagen, weil ein Wirrwarr an Methoden angewendet wird. Bei einigen spielt sicher der Placeboeffekt eine Rolle. Es kann also gut sein, dass man sich besser fühlt, weil man von der Wirkung überzeugt ist. Wenn zum Programm auch eine Ernährungsberatung gehört, kann allein das für positive Effekte sorgen, wenn sich die Betroffenen dadurch bewusster ernähren. Auch Bluttests sind sinnvoll. Allerdings gilt es dabei zu differenzieren. Wenn gewisse Werte von der Norm abweichen, kann das für unnötige Beunruhigung sorgen.

Wie meinen Sie das?
Es gibt bestimmte Referenzwerte, die als normal gelten. Wenn diese Werte bei einer einzelnen Person in einem einzelnen Bluttest von der Norm abweichen, kann das über einen längeren Zeitraum betrachtet immer noch völlig in Ordnung sein. Eher ängstliche Menschen sind dann aber vielleicht beunruhigt, was sicher nicht zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt.

Was sind denn die grundlegenden Tipps für ein längeres und vor allem gesundes Leben?
Ausgewogene Ernährung, viel Bewegung, wenig oder kein Alkohol, nicht rauchen: Das sind alles Dinge, die man ja eigentlich weiss. Auch soziale Kontakte sind wichtig für ein gesundes Leben.

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