Infarkt-Alarm bei Fussball-WM
Emotionaler Stress gefährdet Männer- und Frauenherzen gleichermassen

Herzinfarkte treten bei Frauen im höheren Alter auf als bei Männern. Neben bekannten Auslösern gibt es zudem geschlechtsspezifische Risikofaktoren – Fussballspiele oder Erektionsprobleme zum Beispiel. Ein Kardiologe erklärt, wieso.
Publiziert: 15:15 Uhr
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Aktualisiert: 16:55 Uhr
Die Emotionen sind hoch während einer WM, die Statistikzahlen zu Herzproblemen bei Männern in der gleichen Zeit ebenfalls.
Foto: imago/HMB-Media

Auf einen Blick

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Olivia RuffinerRedaktorin

Frauen sterben häufiger an einem Herzinfarkt als Männer. Das zeigte eine Studie der deutschen Gesellschaft für Kardiologie bereits 2017. Das Herz ist seither ein Schwerpunkt der Gendermedizin, ein Gebiet, auf das sich auch der Assistenzarzt Rubén Fuentes (29) von der Universitätsklinik für Kardiologie im Inselspital Bern spezialisiert hat. «Die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit Herzinfarkt ist tatsächlich höher als bei Männern», sagt er.

Ein Grund sei das höhere Alter der Frauen zum Zeitpunkt des Infarkts und entsprechende Begleiterkrankungen. «Bis zum 60. Lebensjahr haben Männer zwei- bis dreimal häufiger Herzinfarkte als Frauen. Das heisst: Männer haben mit 60 Jahren am häufigsten einen Herzinfarkt und Frauen mit ungefähr 70 Jahren – mit entsprechenden Ausnahmen», sagt Fuentes.

Östrogen schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Bis zu diesem Alter profitieren Frauen vom schützenden Effekt des Östrogens auf das Herz-Kreislauf-System. Fuentes: «Nach der Menopause steigt das Risiko jedoch auch bei Frauen und gleicht sich dem der Männer an.» 

Die Überlebenschancen von Frauen sind auch deshalb geringer, weil diese später zum Arzt gehen. Frauen können laut Fuentes an den bekannten Symptomen leiden, dem Engegefühl in der Brust und den Schmerzen im linken Arm. Jedoch können bei ihnen häufiger als bei Männern unspezifische Symptome wie Übelkeit, Oberbauchschmerzen oder Atemnot auftreten. Fuentes betont: «Aber auch bei einem Mann kann sich ein Herzinfarkt mit unspezifischen Symptomen äussern.»

Früherkennung Erektionsstörung?

Ähnlich verhält es sich mit den Auslösern des Herzinfarkts: Es gibt zum einen klassische Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel sowie genetische Veranlagungen, die bei beiden Geschlechtern gelten. Zum andern bestehen geschlechtsspezifische Risikofaktoren: «Bei Männern können beispielsweise Erektionsprobleme auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko hinweisen», sagt Fuentes.

Bei Frauen können eine frühe Menopause und bestimmte Chemotherapien bei Brustkrebs das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen. Ebenfalls beobachten Forschende einen Zusammenhang zwischen Schwangerschaftskomplikationen und Herzinfarkten.

Oberbauchschmerzen sind ein unspezifisches Symptom eines Herzinfarkts, das häufiger bei Frauen auftritt.
Foto: IMAGO/Zoonar II

Anders als gemeinhin angenommen betreffen neuere Risikofaktoren wie Depression oder emotionaler Stress beide Geschlechter gleichermassen. «Das hat man besonders während der Fussball-WM 2006 beobachtet, als die Herzinfarktrate bei männlichen Zuschauern im Vergleich zu weiblichen im Zeitraum des Events deutlich anstieg.» 

Eine Herzkrankheit, die Frauen etwas häufiger betrifft als Männer, ist das Syndrom des gebrochenen Herzens, bekannt als Takotsubo. «Hier verhält sich das Herz unter emotionalem Stress wie bei einem Herzinfarkt, ohne dass die Herzkranzgefässe verstopft sind», so Fuentes.

Experte in der Gendermedizin

Rubén Fuentes ist Assistenzarzt mit einem CAS in Sex- and Gender-Specific Medicine. Er behandelt Patientinnen und Patienten in der Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital Bern.

Inselspital Bern

Rubén Fuentes ist Assistenzarzt mit einem CAS in Sex- and Gender-Specific Medicine. Er behandelt Patientinnen und Patienten in der Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital Bern.

Die soziale Verantwortung von Frauen

Neben den biologischen Gründen für die hohe Sterberate von Frauen bei einem Herzinfarkt spielen auch soziologische Bedingungen eine Rolle. «Studien zeigen, dass sich ältere Frauen in Bezug auf die eigene Gesundheit öfter zurücknehmen und auf die Zähne beissen als Männer», sagt Fuentes.

Frauen nehmen sich wegen häuslicher Verpflichtungen oft nicht die Zeit, gänzlich zu genesen.
Foto: IMAGO/Cavan Images

Häufig haben sie viel zu tun, kümmern sich um kranke Ehemänner oder hüten Enkelkinder und stemmen einen grossen Teil der Hausarbeit. «Frauen nehmen auch seltener an Herzrehabilitationen teil und brechen sie häufiger ab», sagt er. 

Zudem seien klassische Rehabilitationen nicht genügend auf Frauen zugeschnitten. Dem wird aber nach und nach Rechnung getragen: Die üblichen Sportprogramme werden mit achtsamkeitsbasierten Trainings ergänzt, und die Programme können zunehmend auch zu Hause durchgeführt werden.

«Was die Versorgung betrifft, besteht in der Schweiz aufgrund der hohen Spitaldichte und der Qualität der Medizin kein wesentlicher Unterschied zwischen Männern und Frauen», betont Fuentes. Es sei wichtig, sich bei Beschwerden in ärztliche Abklärung zu begeben und die Symptome nicht zu ignorieren.

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