Fleisch zum Frühstück, Mittag und Abendessen
Kann eine rein tierische Ernährung gesund sein?

Fleisch essen zu jeder Tageszeit soll Wunder wirken. Das zumindest versprechen tausende Videos in den sozialen Medien über die Carnivore-Diät. Blick hat mit einer Ernährungsexpertin gesprochen und erklärt dir, ob die Diät hält, was sie verspricht.
Publiziert: 14.07.2024 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2024 um 12:24 Uhr
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Der Amerikaner Ryan Parks beim Frühstück: Es gibt ein halbes Kilo Hackfleisch.
Foto: San Francisco Chronicle via Getty Images
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Olivia RuffinerRedaktorin

Ungesalzene Butter, Pouletflügeli und ein gutes halbes Kilo Hackfleisch mit einem Topf gelatinierter Knochenbouillon – das alles isst Youtuberin Bella an einem Tag. Auf ihrem Kanal «steakandbuttergal» verspricht sie, mit der Carnivore-Diät abgenommen, Hautunreinheiten beseitigt und ihre Konzentrationsfähigkeit verbessert zu haben. 

Der Clou: Vor fünf Jahren war Bella noch überzeugte Veganerin.

Bei der Carnivore-Diät handelt es sich um eine kohlenhydratarme und proteinreiche Ernährung, erklärt Christine Brombach (61). Die Dozentin für Ernährungswissenschaften an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften führt den Trend auf die Jahreszeit zurück. «Im Sommer geistern ständig neue Diäten durch das Land.»

Das Wort Carnivore kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Fleischfresser. Es kommen vor allem tierische Produkte wie Fisch, Fleisch, Milch und Eier auf den Teller – oft in roher Form. «Wissenschaftlich und medizinisch ist diese Ernährungsform nicht abgesichert, es gibt keine Langzeitstudien dazu», sagt Brombach. Im Gegenteil: Medizinerinnen und Mediziner raten von der Carnivore-Diät dringend ab.

Über die Ernährungsexpertin

Prof. Dr. Christine Brombach (61) ist Dozentin an der ZHAW Life Sciences und Facility Management in Wädenswil ZH. Sie ist Mitglied in mehreren Fachnetzwerken, wie der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, im Vorstand des Zürcher Ernährungsforums und Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, wo sie die Fachgruppe Ernährungsberatung leitet. Ausserdem ist sie Co-Autorin des Buches «Klimatopf», welches sie gemeinsam mit der Pädagogin Franziska Stöckli verfasst hat.

Frank Brüderli

Prof. Dr. Christine Brombach (61) ist Dozentin an der ZHAW Life Sciences und Facility Management in Wädenswil ZH. Sie ist Mitglied in mehreren Fachnetzwerken, wie der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, im Vorstand des Zürcher Ernährungsforums und Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, wo sie die Fachgruppe Ernährungsberatung leitet. Ausserdem ist sie Co-Autorin des Buches «Klimatopf», welches sie gemeinsam mit der Pädagogin Franziska Stöckli verfasst hat.

Achtung vor falschen Versprechungen

Carnivore schwärmen in den sozialen Medien von Gewichtsverlust, reiner Haut und voller Konzentration. «Das mag für kurze Zeit auch stimmen», sagt Brombach. Langfristig schade der Verzehr rein tierischen Produkten dem Körper aber mehr.

«Es fehlen Mineralstoffe und Vitamine wie Vitamin C, Kalium und Magensium sowie Ballaststoffe», sagt Brombach. Der hohe Anteil Harnsäure kann die Nieren belasten. Zudem beeinträchtige eine hohe Zufuhr von rohen Eiern die Blutgerinnung. Generell rät sie, die Nahrung zuzubereiten und zu erhitzen – Fleisch und Eier sollten nicht roh verzehrt werden, da dies gesundheitliche Risiken wie mikrobielle Verunreinigungen bergen kann. «Durch Erhitzen werden solche Keime unschädlich», sagt die Professorin.

Auch ein schöneres Hautbild stellt die Expertin infrage. Je nach Art der verzehrten Fette, zum Beispiel bei hohem Anteil ungesättigter Fettsäuren, könne genau das Gegenteil eintreten und die Hautunreinheiten wie auch Entzündungsprozesse im Körper verstärkt werden.

Menschen sind Alles-Esser

Fleischfresser argumentieren, dass tierische Produkte alle notwendigen Nährstoffe enthielten und Gemüse einen Antinährstoff bilde. Brombach widerspricht: «Diese sogenannten antinutritiven Substanzen kann man sehr gut durch die Zubereitung der Lebensmittel vermeiden.» Zum Beispiel durch Einweichen, Kochen oder Schälen.

Auch das Argument, dass sich unsere Vorfahren in der Steinzeit ausschliesslich tierisch ernährt haben, lässt Brombach nicht gelten. «Der Mensch hat sich evolutionär zum Allesfresser, zum Omnivoren entwickelt.» Während Fleischfresser einen langen Dünndarm und einen ganz kurzen Dickdarm haben und Pflanzenfresser umgekehrt ausgestattet sind, hat der Mensch einen langen Dünndarm und ausgeprägten Dickdarm, um omnivore Nahrung zu verdauen.

Löwen sind karnivor lebende Tiere und haben daher einen ganz kurzen Dickdarm.
Foto: imago images/Nature Picture Library

Damit war er bestens gerüstet, um sich überall auf der Welt anzusiedeln. Seine Ernährungsweise war dank der anatomischen Voraussetzungen extrem anpassungsfähig. Auch traditionell lebende Völker wie die Inuit in Alaska oder die Massai in Afrika, die vorwiegend eine tierische Ernährung haben, nehmen pflanzliche Nahrungsmittel zu sich.

Bunt ist gesund

Brombach rät klar von der Carnivore-Diät ab. Fachleute empfehlen die Planetary Health Diet (PHD). Diese sieht ein Viertel tierische und drei Viertel pflanzliche Produkte auf dem Teller vor. «In der Schweiz ist das Verhältnis oft umgekehrt», weiss Brombach. Diese Form der Ernährung verbinde Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte mit einer genussvollen, gesunden Ernährung. 

Bei dem anderen Extrem, dem veganen Lebensstil, empfiehlt die Ernährungsexpertin eine regelmässige Supplementierung von Vitamin B12, Eisen, Vitamin D, Kalzium und Omega-3-Fettsäuren, um einen möglichen Mangel zu vermeiden. 

Es geht aber auch anders. Je vielfältiger und abwechslungsreicher die Mahlzeiten sind, umso besser für den Körper und die Umwelt, wie es auch die PHD empfiehlt. «Bunt ist gesund», schlussfolgert die Expertin.

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