Der Bundesrat schlägt vor, die gewaltfreie Erziehung gesetzlich zu verankern. Ein Verbot von körperlicher Züchtigung wäre ein starkes Signal für die Art, wie ein Grossteil der Schweizer Eltern schon jetzt mit ihren Kindern umgehen wollen, sagt Yvonne Müller (55) von der Schweizer Beratungsstelle Elternnotruf. Dennoch hat sie immer wieder mit Eltern zu tun, die in extrem belastenden Situationen mit einem oder mehreren Kindern für einmal die Kontrolle verlieren und im Affekt zuschlagen, obwohl das dem kompletten Gegenteil ihrer erzieherischen Grundsätze entspricht.
Danach Schuldgefühle zu haben, sei normal, sagt Müller. Doch es bringe weder dem Kind noch den Eltern etwas, wenn man zu lange in ihnen verharre. «Wichtig ist, dass man etwas aus dem Vorfall lernt für die Zukunft, sodass diese Art von Kontrollverlust im Idealfall eine einmalige Sache bleibt.» Wie man die Beziehung zum Kind nach einer Ohrfeige kitten kann – dafür gibt es konkrete Tipps. Dass es erst gar nicht dazu kommt, will gelernt sein. Möglich ist es!
Was können psychische Folgen einer Ohrfeige sein?
Geringes Selbstwertgefühl, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen sind gemäss Kinderschutz Schweiz nur einige der Folgen von elterlicher physischer Gewalt gegenüber Kindern. Für jüngere Kinder sind die Folgen gravierender als für ältere. Unter anderem, weil die Eltern oft ihre einzigen Bezugspersonen sind und der Vertrauensbruch so besonders schwer wiegt.
Was kann ich unvermittelt tun, falls es dazu kommen sollte?
Eltern, denen im Affekt «die Hand ausrutscht», rät Yvonne Müller Folgendes: Das Kind sofort in den Arm nehmen, falls es das zulässt, ihm zu sagen, dass es einem leidtue, dass man die Kontrolle verloren habe und es auf keinen Fall schlagen wollte. «Wichtig ist, dass man sich gegenüber dem Kind nicht zu rechtfertigen versucht.»
Was kann ich längerfristig tun, um die Beziehung zu kitten?
Nach dem Vorfall, wenn der erste Schock abgeklungen ist, empfiehlt Müller, Gesten der Versöhnung zu zeigen und diese gegenüber dem Kind auch als solche zu benennen. Das kann zum Beispiel sein, dass man gemeinsam etwas Schönes unternimmt oder das Lieblingsessen des Kindes kocht. «Eltern, die zu ihren Fehlern stehen, verlieren nicht das Gesicht – im Gegenteil. Sie sind gute Vorbilder.»
Yvonne Müller (55) kümmert sich als Co-Geschäftsleiterin des Elternnotrufs um fachliche Belange und berät selbst am Telefon, per Mail und im Chat Eltern, die erzieherisch nicht mehr weiter kommen oder mit anderen Problemen konfrontiert sind. Die Beratungsstelle bietet auch Face-to-Face-Beratung an. Müller ist seit mehr als 25 Jahren als Sozialarbeiterin tätig und arbeitete vor ihrer jetzigen Stelle viele Jahre mit Eltern und Kindern im Bereich des Kindesschutzes. Sie hat einen 18-jährigen Sohn.
Yvonne Müller (55) kümmert sich als Co-Geschäftsleiterin des Elternnotrufs um fachliche Belange und berät selbst am Telefon, per Mail und im Chat Eltern, die erzieherisch nicht mehr weiter kommen oder mit anderen Problemen konfrontiert sind. Die Beratungsstelle bietet auch Face-to-Face-Beratung an. Müller ist seit mehr als 25 Jahren als Sozialarbeiterin tätig und arbeitete vor ihrer jetzigen Stelle viele Jahre mit Eltern und Kindern im Bereich des Kindesschutzes. Sie hat einen 18-jährigen Sohn.
Wie sorge ich dafür, dass es gar nicht so weit kommt?
Die Trotz- respektive Autonomiephase, die bei den meisten Kindern im dritten Lebensjahr beginnt, stellt die elterliche Geduld auf eine starke Probe. Bei chronischem Schlafmangel kann irgendwann der Moment kommen, in dem die besten Erziehungsabsichten vergessen gehen und eine Eskalation droht. In solchen Situationen rät sie Folgendes:
Deeskalation: Versuchen, sich räumlich aus einer Situation heraus zu nehmen, bevor man explodiert. Dem tobenden Kind im Kinderzimmer zum Beispiel sagen, dass man kurz ins Wohnzimmer geht, die Tür aber geöffnet lässt.
Machtkämpfe beenden: Eltern hören oft, dass sie konsequent sein müssen. In Situationen, die auszuarten drohen, rät Müller, aus der Dynamik auszusteigen und die Situation so zu entschärfen.
Für Eltern, Familien und Bezugspersonen in den Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch.
Telefonisch: 0848 35 45 55 (Festnetztarif)
E-Mail-, Chat- und Face-to-Face-Beratung: Kontakt via Link auf elternnotruf.ch
Für Eltern, Familien und Bezugspersonen in den Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch.
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E-Mail-, Chat- und Face-to-Face-Beratung: Kontakt via Link auf elternnotruf.ch
Sich Sätze zurechtlegen: Sich in einem kritischen Moment über eine angemessene Wortwahl Gedanken zu machen, ist nahezu unmöglich. Zum Beispiel, wenn ein Kind verletzende Worte gegen Mutter oder Vater verwendet. Es kann helfen, sagt Müller, für solche Situationen etwas einzuüben, wie: «So will ich nicht, dass wir miteinander umgehen. Ich gehe jetzt einen Moment weg und komme wieder.»
Die eigenen wunden Punkte kennen: Wer weiss, dass er auf bestimmte Dinge empfindlicher reagiert als andere, ist weniger überrumpelt, wenn er mit ihnen konfrontiert wird und kann eher einen kühleren Kopf bewahren.
Verhalten nicht persönlich nehmen: Kinder wollen ihren Eltern nicht willentlich schaden. Selbst hinter Verhalten, das als ablehnend erscheinen mag, steckt gemäss Müller meistens ein unbefriedigtes Bedürfnis, das in diesem Moment vielleicht von niemandem befriedigt werden kann.
Sich helfen lassen: Sei es, die Nachbarin zu fragen, ob sie eine Stunde Babysitten kann oder den Griff zum Telefonhörer oder zur Tastatur, um eine Beratungsstelle anzurufen. Müller empfiehlt Eltern, sich niemals dafür zu schämen, jemanden um Unterstützung zu bitten.