Studie zeigt, wie Trennungskinder heute leben
Wochenend-Papis sind Auslaufmodell

Jedes Jahr sind etwa 20'000 Kinder in der Schweiz davon betroffen, dass ihre Eltern den gemeinsamen Haushalt auflösen. Nun zeigt eine Studie, wie sich diese Familien nach der Trennung organisieren – und was für die Kinder wirklich wichtig ist.
Publiziert: 06.12.2022 um 08:13 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2022 um 15:07 Uhr
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Wie geht es einem Kind nach der Trennung oder Scheidung seiner Eltern? Das hängt von der Qualität der Beziehung des getrennten Paars ab.
Foto: Getty Images
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Über den Alltag und die Lebensumstände von Kindern, deren Eltern sich trennen oder scheiden, ist wenig bekannt. Dabei handelt es sich um eine Familiensituation mit wachsender Bedeutung: Fast eine Viertelmillion Kinder in der Schweiz leben nicht mit beiden biologischen Eltern zusammen.

Nun ist die Forschungslücke dank einer repräsentativen Studie geschlossen. Ein Bericht der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF) dazu zeigt: Der langjährige Standard «Kind lebt bei der Mutter, sieht Vater jedes zweite Wochenende» wurde abgelöst durch individuelle und vielfältige Modelle.

50:50 ist selten

Zwar teilen sich immer noch nur wenige Eltern die Betreuung absolut ausgeglichen auf: Sieben Prozent der Kinder verbringen je die Hälfte der Zeit bei der Mutter und beim Vater.

20 Prozent der Kinder leben aber bei beiden Elternteilen zu mindestens einem Drittel der Zeit. Die Kinder von 56 Prozent der Befragten haben schon sogenannt multilokal (also bei beiden Elternteilen) gelebt.

Die Studie kommt aber auch zum Schluss: Wer wie viel wann betreut, ist für das Wohlbefinden der Kinder nicht entscheidend. Auch Alter und Geschlecht der Kinder oder die finanzielle Situation der Eltern sind nicht so wichtig. Einzig die Beziehungsqualität der Eltern macht einen statistisch signifikanten Unterschied, wenn es um das Wohlergehen des gemeinsamen Kindes geht.

Obligatorische Beratung

Aus Kindersicht ist es also enorm wichtig, dass die Eltern einen konstruktiven Austausch pflegen. «Hochstrittige Fälle sollte man möglichst vermeiden», sagt Jonas Schweighauser (57), Vizepräsident der EKFF. Die Kommission empfiehlt deshalb eine gesetzliche Anpassung, damit eine Beratung oder Mediation angeordnet werden kann. In einigen Kantonen laufen hierzu Modellversuche. Der Kanton Basel-Stadt schickt uneinige Eltern seit 2016 in die Beratung, 75 Prozent von ihnen finden schliesslich einvernehmliche Lösungen.

Jonas Schweighauser von der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen sagt, unser Familienrecht sei nicht mehr zeitgemäss.

«Das Familienrecht ist nicht zeitgemäss»

Die EKFF ortet weitere Handlungsfelder. So stört sich über ein Drittel der Eltern daran, dass sie ihr Kind nur an einem Wohnsitz anmelden können. Die Folgen davon: Benachteiligungen bei den Steuerabzügen, Betreuungskosten oder den Prämienverbilligungen.

Nicht nur deshalb sagt Anwalt Jonas Schweighauser: «Unser Familienrecht ist nicht zeitgemäss.» Es sei immer noch statusorientiert, dabei sei heute alles viel fliessender. Getrennt lebende Eltern liessen sich heute nicht mehr in Schemen pressen.

Der EKFF-Vizepräsident sagt: «Es stösst bei Vätern auf Unverständnis, wenn sie die Obhut nicht haben, obwohl sie ihr Kind ebenso betreuen.» Die Kommission empfiehlt, den Begriff «Obhut» aus dem Gesetz zu streichen und zeitgemässer durch «gemeinsame Betreuungsverantwortung» zu ersetzen.

Reagieren auf gesellschaftliche Veränderungen

Dass ein Artikel im Zivilgesetzbuch, der erst 2014 formuliert wurde, bereits überarbeitet werden soll, empfindet der Jurist nicht als speziell. Anpassungen im Zivilrecht sind immer häufiger fällig, wie ein Blick auf das vergangene Jahrhundert zeigt: Zwischen 1907 und 1973 sei im Zivilgesetzbuch praktisch nichts passiert, sagt Schweighauser. Danach habe es bis 1989 vier grosse Revisionen gegeben. Und nun zwischen 1989 und 2022 ganze 20 Revisionen.

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