Kreisssaal-Knigge für den Mann
Was, wenn Papa bei der Geburt nicht dabei sein möchte?

Fotografieren, essen, am Laptop arbeiten: Was ist im Gebärsaal erlaubt, was nicht? Hebamme Andrea Messer erklärt den ungeschriebenen Kreisssaal-Knigge für Männer. Und sagt, was sie davon hält, wenn der werdende Vater bei der Geburt nicht dabei sein möchte.
Foto: Keystone
Kreisssaal-Knigge für Geburt im Spital: Das müssen Väter darüber müssen

Auf einen Blick

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Sylvie KempaRedaktorin Service
Publiziert: 04.11.2024 um 12:13 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2024 um 11:49 Uhr

Was tun, wenn die Geburt beginnt? Diese Frage stellt sich meist weder der gebärenden Frau noch der Hebamme. Beide sind intensiv damit beschäftigt, das Kind zur Welt zu bringen, während den werdenden Vätern nicht viel anderes übrig bleibt, als zuzuschauen und zu warten. Oder? Wir haben die Hebamme Andrea Messer (45), Abteilungsleiterin Geburtshilfe der Berner Universitätsklinik für Frauenheilkunde, gefragt, wie Mann sich auf die Stunden im Gebärsaal vorbereiten kann und welche Dos and Don'ts vor, während und nach der Geburt für die Väter gelten.

Hebamme Andrea Messer und leitet die Geburtsstation der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Berner Inselspital. Die Klinik ist als führendes Zentrum für Frauenheilkunde international anerkannt.
Foto: PASCAL GUGLER

Ist es okay, als Vater der Geburt fernzubleiben?

Es ist ein relativ junges Phänomen, dass Väter ihre gebärenden Partnerinnen in den Kreisssaal begleiten. Erst in den vergangenen vierzig Jahren hat sich die Anwesenheit des Vaters während einer Spitalgeburt etabliert. «Mittlerweile besteht diesbezüglich seitens der Gesellschaft grosser Druck: Es wird von einem Mann quasi erwartet, die Geburt seines Kindes mitzuerleben», beobachtet Andrea Messer. «Obwohl das grundsätzlich eine schöne Entwicklung ist, bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich für alle Paare das Beste ist», fügt sie an.

Manche Männer fühlen sich mit dieser Situation überfordert – gerade, wenn sie aus Kulturkreisen kommen, in denen die Geburt eine reine Frauensache ist. «Ich finde unbedingt, dass Männer dies ansprechen und ihre Zweifel und Ängste äussern sollen. Es muss einem Mann zugestanden werden, selbst zu bestimmen, ob er die Geburt miterleben will.»

Wichtig sei, dass sich das Paar austausche und gemeinsam eine Lösung finde. «Und dass die Frau eine Bezugsperson bei der Geburt dabei hat.» Dies muss jedoch in den Augen der Expertin nicht zwingend der Papa des Babys sein.

So vertreibt man sich die Zeit im Gebärsaal

Eine Erstgeburt dauert im Durchschnitt acht bis zwölf Stunden, aber es kann auch vorkommen, dass eine Frau 24 Stunden oder länger in den Wehen liegt. Das ist eine ziemlich lange Zeitspanne, um einfach nur danebenzusitzen. Seitens des Spitalpersonals erwarte das auch niemand von den Vätern, sagt Andrea Messer. Gegen ein wenig Ablenkung und Beschäftigung für die Papas sei nichts einzuwenden. «Natürlich muss jedes Paar für sich entscheiden, was für beide in Ordnung ist. Das medizinische Personal stört es jedoch nicht, wenn man ein Buch zum Lesen mitbringt.»

Sogar das Büro dürfe der Mann mit in den Gebärsaal bringen, ohne dass sich das medizinische Personal daran störe. «Ich finde sogar, dass der Mann ruhig den Laptop mitnehmen kann, falls er noch etwas arbeiten muss.»

Tatsächlich wollen manche Frauen gar nicht, dass ihnen der Mann stundenlang die Hand hält, sagt Messer. «Oft fühlen sie sich mit der Hebamme bereits gut umsorgt. Dann wirken manche Männer etwas verloren und sind froh, wenn sie nicht einfach untätig herumsitzen müssen, bis die Presswehen einsetzen.»

Sobald die Presswehen einsetzen, sind viele Frauen froh um Unterstützung einer Bezugsperson.
Foto: Shutterstock

Essen ist im Gebärsaal erlaubt – aber bitte nur Snacks

Während viele Gebärende während der Wehen keinen Hunger oder Appetit verspüren, muss die Begleitperson diesen oft stundenlangen Prozess nicht mit grummelndem Magen aushalten. «Essen ist im Gebärsaal natürlich erlaubt», sagt Andrea Messer. Sie empfiehlt, Energielieferanten wie Müsliriegel oder Nüsse einzupacken.

Speisen, die stark riechen, sollte man vermeiden, da vielen Frauen unter der Geburt übel wird. Die drei Hauptmahlzeiten des Tages – Zmorge, Zmittag und Znacht – gibt es übrigens aus der Spitalküche.

Wenn Papa mit in die Wanne will …

Viele Frauen entscheiden sich, ihr Kind in der Gebärwanne zur Welt zu bringen. Warmes Wasser entspannt den Körper und trägt damit auf natürliche Weise zur Erleichterung der Wehenschmerzen bei. Manche Väter möchten ihre Partnerinnen unterstützen, indem sie mit in die Wanne steigen. «Diesen Fall hatten wir auch schon», sagt Andrea Messer. «Grundsätzlich darf ein Mann mit rein, wenn das Paar dies wünscht. Allerdings bitte mit einer Badehose. Denn für uns Hebammen entsteht sonst eine unangenehme Situation.»

Ausserdem sollten Paare, die gemeinsam in die Gebärwanne steigen möchten, sich bewusst sein, «dass sich die Freude darüber bei manchen Hebammen in Grenzen hält», so Messer weiter. «Diese Wannen sind recht klein und auf eine Person ausgelegt. Wir Hebammen können unseren Job grundsätzlich besser erledigen, wenn es in der Wanne nicht allzu eng ist. Deswegen bevorzuge ich es, wenn nur die Frau die Gebärwanne besteigt.»

Nicht nur die Badehose, auch ein Pyjama für den Papa gehört ins Gepäck. Viele Paare nutzen in den ersten Nächten mit ihrem Baby ein Familienzimmer im Krankenhaus. «Wenn der Mann im Spital übernachten möchte, ist es ratsam, dass er ein Paar Shorts und ein T-Shirt einpackt», rät Andrea Messer. So lassen sich unangenehme Situationen vermeiden. «Die Hebammen müssen nachts immer wieder ins Zimmer kommen, und es kann für sie befremdlich sein, wenn ein Mann in seiner Unterwäsche daliegt.»

Immer häufiger wird bei Geburten gefilmt oder fotografiert.
Foto: Shutterstock

Fotografieren im Spital – das gilt es zu beachten!

Die Geburt mit dem Smartphone fotografisch zu begleiten, gehört zur modernen Normalität. Das findet Andrea Messer auch völlig in Ordnung – unter gewissen Voraussetzungen. «Man sollte die anwesenden Hebammen und das medizinische Personal unbedingt fragen, ob es für sie ok ist, wenn sie auf Fotos zu sehen sind.»

Sie beobachtet auch des Öfteren, dass Elternpaare nach der Geburt so mit dem Fotografieren ihres Babys beschäftigt sind, dass sie Gefahr laufen, die wertvollen und magischen ersten Momente mit dem Kind zu verschenken. «Wir leben jetzt in dieser digitalen Welt. Es ist normal, dass man in den ersten Minuten nach der Geburt schon Fotos macht. Aber manchmal erinnere ich Eltern daran, dass sie doch kurz das Telefon weglegen und den Moment mit ihrem Baby geniessen sollen», sagt Andrea Messer. «Fotos kann man auch zwei Stunden später noch machen. Eine zweite Chance, um den ersten Moment nach der Geburt zu geniessen, erhält man nicht.»

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