SonntagsBlick: Frau Wetherall-Grujic, Sie sind keine Anhängerin des Muttertags. In einer Ihrer Podcast-Folgen bezeichnen Sie ihn als «fucking Feiertag». Warum diese Ablehnung?
Ana Wetherall-Grujic: Am Muttertag bekommen Mütter Anerkennung dafür, dass sie so viel leisten. Man beschenkt sie – aber die restlichen 364 Tage im Jahr ist es dennoch überfordernd, was Mütter leisten müssen. Mit dem Muttertag sagen wir: «Es ist immer zu viel. Danke dafür.» Das ist zynisch.
Wollen Sie Muttertag-Fans die Freude daran nehmen?
Auf keinen Fall. Ich wünsche allen einen schönen Muttertag. Nur: Ich hätte gern mehr Diskussionen um Hilfen für Mütter und weniger Sonderangebote für Parfüms am Muttertag.
Ana Wetherall-Grujic (34) ist Autorin und Journalistin. Geboren in Jugoslawien, aufgewachsen in Tirol, lebt sie heute mit ihrem Mann und ihrem bald einjährigen Kind in Wien. Die Mutterschaft hat sie zum Podcast «Keine Hand frei» inspiriert. Thema ist die Doppel- und Mehrfachbelastung von Müttern.
Ana Wetherall-Grujic (34) ist Autorin und Journalistin. Geboren in Jugoslawien, aufgewachsen in Tirol, lebt sie heute mit ihrem Mann und ihrem bald einjährigen Kind in Wien. Die Mutterschaft hat sie zum Podcast «Keine Hand frei» inspiriert. Thema ist die Doppel- und Mehrfachbelastung von Müttern.
Warum finden solche Diskussionen kaum statt?
Irrigerweise tun wir in unserer Gesellschaft so, als seien Kinder ein Privatvergnügen. Hans fischt gern, Martin fährt Rennrad, Ana hat ein Kind. Als wäre es ein Hobby. Ich habe mich dafür entschieden, soll mich also drum kümmern, so ist es halt.
Sie finden sich mit dem «So ist es halt» nicht ab.
Wir müssen anerkennen, wie schwierig gewisse Sachen sind, die wir als Normalität darstellen. Das gesellschaftliche Narrativ lautet zum Beispiel: Stillen ist super, es stärkt die Verbindung zwischen Mutter und Kind. Ich bin absolut dafür, dass jede Frau, die stillen möchte, jede Unterstützung bekommt. Aber wir sollten auch anerkennen, dass Stillen Schwerstarbeit ist. Es kann körperlich und psychisch enorm anstrengend sein, zu einer stabilen Stillbeziehung zu kommen.
Das wissen viele nicht.
Ein anderes Beispiel: Es ist wirklich fordernd, fünfmal am Tag Brei herzustellen. Mit einem Kind im Arm. Am besten bio, von lokalen Höfen. Kind und Mutter sind oft bekleckert. Es gab Monate, in denen ich mir ständig Brei aus den Haaren gezogen habe. Wir tun bei all diesen Dingen so, als wäre das der Standard, und alles, was davon abweicht, sei nicht so gut. Wir erkennen nicht an, dass dieser Standard mit Druck verbunden ist und auf Kosten der Mutter geht: auf Kosten ihrer freien Zeit, ihrer Gesundheit.
Sie haben ein Wutbuch geschrieben und es als Handbuch für die glückliche Mutter bezeichnet. Was macht Sie als Mutter glücklich?
Mutterschaft ist, was man daraus macht. Das, was für einen selbst passt, in Verbindung mit dem eigenen Kind. Ich bin immer dann glücklich, wenn ich frei Entscheidungen treffen kann.
Fällt das freie Entscheiden schwer als Mutter?
Wir alle lieben unsere Kinder und wollen das Beste für sie. Gleichzeitig gibt es in der Kindererziehung kaum ein komplett Richtig oder komplett Falsch. Trotzdem gibt es gesellschaftlich anerkannte Handlungsweisen und sehr starke Meinungen, die von Influencerinnen, Hebammen oder selbst ernannten Erziehungsexpertinnen geäussert werden.
Es gibt auch Bereiche, in denen es heute keine gesellschaftlich absolut vorherrschende Meinung gibt. Zum Beispiel bei der Frage, wo das Baby schlafen soll, oder bei der Beikost.
Aber die jeweiligen Expertinnen und Experten sind trotzdem zu 100 Prozent überzeugt von ihrer eigenen Position. Zum Thema Beikost habe ich Bücher gewälzt. Die einen empfehlen Brei, die anderen feste Nahrung, die das Kind in der Hand halten kann. Ich war verwirrt. Bei einer Routinekontrolle beim Kinderarzt haben wir ein Blatt bekommen, darauf stand: Keine Süssigkeiten. Da fragte ich mich: Was für einer privilegierten Diskussion stelle ich mich hier eigentlich? Es geht um Basics. Die Quintessenz ist einfacher, als man glaubt. Das andere sind freie Entscheidungen.
Das entlastet, oder?
Es kann verunsichern, weil ich jede meiner Entscheidungen infrage stellen kann, aber es kann auch Sicherheit geben. Ich kann nichts richtig falsch machen.
Wir sprechen viel über die Bürden, die die Mutter trägt. Der Partner oder die Partnerin sind in einer Zweierbeziehung aber auch noch da.
Und trotzdem bräuchten Mütter Unterstützung, sei dies in Form einer Haushaltshilfe, einer temporären Nachtschwester, psychologischer Unterstützung. Wir tun so, als wäre Kinderbetreuung gerade am Anfang keine Pflegesituation, sondern etwas, was man halt so wuppt als Mutter.
Manche werden sagen: Mütter haben das schon immer geschafft.
Bullshit! Ich rede mit vielen Frauen der Grosseltern- und Urgrosseltern-Generation. Die sehen das nicht so locker-flockig. Mütter haben immer hart gearbeitet. Manche sind gestorben. Heute könnten wir weiter sein. Warum muss Mutterschaft schwer sein? Warum kann es nicht etwas sein, was man gemeinsam zu etwas macht, was einfach Teil des Lebens ist, statt einer so krassen Herausforderung, einem Iron-Man-Lauf?
In Ihrem Buch setzen Sie die Bedürfnisse der Frau mit Kind ins Zentrum. Ist es das Beste für das Kind, wenn die Mutter glücklich ist?
Nein, umgekehrt: Es kann nicht das Beste für das Kind sein, wenn man dessen Mutter unter Druck setzt und leiden lässt. Kinderglück kommt nicht aus Mutterleid. Das mag dramatisch klingen, aber oft setzt man wirklich auf das Leiden der Mutter. So gilt etwa eine vaginale Geburt ohne Schmerzmittel als beste Geburt, während der Wunschkaiserschnitt als selbstsüchtige Wahl gilt. Als würde das Leiden der Mutter das Glück des Kindes verstärken.