Auf einen Blick
- Genf ist der drittgrösste Weinbaukanton der Schweiz
- Die Idylle der Winzerdörfer so nahe bei der Stadt ist einmalig
- Innovative Betriebe bringen frischen Wind in die Weinszene
Auf einmal ist der dichte Verkehr weg, Industrie und Shopping-Center weichen Feldern. Die Strassen werden enger, kurviger und holpriger. Bäume spenden Schatten. Und fünf Minuten später tauchen die mit Bruchsteinmauern umgrenzten Rebberge von Peissy auf. Und weil ich diesem abrupten Wechsel von Stadt auf Land nicht gewohnt bin, fahre ich an meinem ersten Ziel, der Domaine des Charmes, vorbei.
Genf ist mit 1354 Hektar Rebfläche drittgrösster Weinbaukanton der Schweiz, nach dem Wallis und der Waadt. Spektakuläres Landschaftskino wie die steilen Rebterrassen im Rhonetal oder entlang des Genfersees in der Waadtländer Region Lavaux bietet Genf nicht. Der Reiz der Region liegt abseits der grossen Verkehrsrouten.
Mehr als Chasselas und Gamay
Chasselas ist bei den weissen Sorten der Spitzenreiter, Gamay bei den roten. Noch vor ein paar Jahrzehnten, als viele Weinbauern ihren Ertrag an die Genossenschaften ablieferten, gab es fast nichts anderes. Im Laufe der Zeit sind Chardonnay, Sauvignon blanc, Aligoté, Savagnin, Pinot noir und viele andere Sorten dazugekommen.
Ein Verdienst der Selbstkelterer, die Weinausbau und Vermarktung selbst in die Hand nahmen und mit viel Esprit und neuen Ideen dem Ansehen der Weine im Kanton erheblichen Auftrieb verschafften.
Domaine des Charmes: Griset mit Pfirsichduft
Olivier Conne (38) führt die Domaine des Charmes in der zweiten Generation. Vater Bernard (71) und Mutter Anne (63) kelterten 1989 in Peissy ihre erste Ernte. Bernard arbeitete als Agrar-Ingenieur an der ETH Zürich und Anne als Architektin. Bernards Familie besass einst Reben in Montreux VD. «Meiner Mutter fiel es schwer, unsere Flächen aufzugeben. ’Wenn du einmal die Möglichkeit hast, einen Rebberg zu kaufen, dann helfe ich dir’, sagte sie. Als es mich aus dem Akademiker-Leben ins Handwerk zog, löste Mutter ihr Versprechen ein», erzählt Bernard.
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Der Hof in Peissy stammt aus dem 17. Jahrhundert. Die Trauben lieferte der Vorbesitzer an die Genossenschaft. Anne Conne baute die Gebäude zu einer Kellerei um und gestaltete das Wohnhaus zu einem charmanten Paradies um, das direkt an die Rebberge anschliesst. Seit 2016 wird hier biologisch gewirtschaftet. 9,5 Hektar zählt die Rebfläche heute. Darunter ein halber Hektar der raren Sorte Griset, die auch als Findling oder Bouvier blanc bekannt ist und von der es nur noch 49 Hektar auf der Welt gibt — und einen Hektar im Kanton Genf. Der Weisswein mit den feinen Pfirsich-Aromen und dem Duft weisser Blüten schmeckt jung getrunken am besten.
Im Kanton Genf passen die Höhe der Rebstöcke und die dicht bepflanzten Parzellen perfekt für den Einsatz der tracteurs enjambeurs, diesen die Rebzeile überspannenden Maschinen. Damit lässt sich gut mechanisieren. Doch der Rebschnitt, das Ausbrechen überzähliger Triebe und die Lese sind nach wie vor Handarbeit auf der Domaine des Charmes.
Die Rebfläche im Kanton Genf umfasst eine Rebfläche von 1355 Hektar. 118 Hektar davon liegen auf französischem Staatsgebiet. Die Region wird in drei Bereiche eingeteilt. Der See und die beiden Flüsse Rhone und Arve grenzen die Gebiete ab.
Am rechten Seeufer und am rechten Ufer der Rhone liegt das Mandement. Mit rund 290 Hektar ist es das Grösste der drei Gebiete. Die Dörfer Peissy und Dardagny gehören zu diesem Bereich. Bernex liegt zwischen den Flüssen Arve und Rhone. Die nach Süden und Südwesten ausgerichteten Rebberge sind besonders windgeschützt. Tiefgründige Böden und sanfte Hügel prägen hier die Reblandschaft. Zwischen Genfersee und dem Fluss Arve liegen die grenzübergreifenden Weingärten. Hier wird auch viel Getreide und Gemüse angebaut.
L'Esprit de Genève
L'Esprit de Genève heisst eine Rotwein-Cuvée, die jedes Jahr von zwanzig Genfer Betrieben produziert wird. In der Cuvée müssen mindestens 50 Prozent Gamay und 20 Prozent Gamaret enthalten sein. Die restlichen roten Sorten dürfen die Produzenten frei wählen. Der Wein muss ganz oder teilweise in Eichenfässern ausgebaut werden.
Die Rebfläche im Kanton Genf umfasst eine Rebfläche von 1355 Hektar. 118 Hektar davon liegen auf französischem Staatsgebiet. Die Region wird in drei Bereiche eingeteilt. Der See und die beiden Flüsse Rhone und Arve grenzen die Gebiete ab.
Am rechten Seeufer und am rechten Ufer der Rhone liegt das Mandement. Mit rund 290 Hektar ist es das Grösste der drei Gebiete. Die Dörfer Peissy und Dardagny gehören zu diesem Bereich. Bernex liegt zwischen den Flüssen Arve und Rhone. Die nach Süden und Südwesten ausgerichteten Rebberge sind besonders windgeschützt. Tiefgründige Böden und sanfte Hügel prägen hier die Reblandschaft. Zwischen Genfersee und dem Fluss Arve liegen die grenzübergreifenden Weingärten. Hier wird auch viel Getreide und Gemüse angebaut.
L'Esprit de Genève
L'Esprit de Genève heisst eine Rotwein-Cuvée, die jedes Jahr von zwanzig Genfer Betrieben produziert wird. In der Cuvée müssen mindestens 50 Prozent Gamay und 20 Prozent Gamaret enthalten sein. Die restlichen roten Sorten dürfen die Produzenten frei wählen. Der Wein muss ganz oder teilweise in Eichenfässern ausgebaut werden.
Domaine Les Hutins: Genfer Klassiker und Naturwein
Ein paar Kilometer weiter, Hügel runter, Hügel rauf, liegt das malerische Örtchen Dardagny an der Grenze zu Frankreich.«Genf wird zu oft vergessen», sagt Émilienne Hutin Zumbach (55) und entkorkt eine Flasche Chasselas de Dardagny 2023. Ein Genfer Klassiker mit herrlich leichten 11,5 Volumenprozent, der immer sehr schnell ausverkauft ist. Die gelbfleischige Frucht, die saftige Säure und die Lebendigkeit am Gaumen erfrischt an diesem Sommertag. Die Feuchtigkeit vom Gewitter am Vorabend hängt immer noch in der Luft, aber vom Jura her weht ein sanftes Lüftchen.
Seit fünf Generationen betreiben die Hutins den Hof. Émiliennes Vater Jean übernahm den Hof gemeinsam mit seinem Bruder Pierre. «Mein Vater gehört zu den Winzern, die in den 1980ern das Potenzial der Region erkannten und einen Neuanfang wagten. 1982 waren die Chasselas-Preise im Keller», erzählt sie. «1982 pflanzte mein Vater Sauvignon blanc. Zusammen mit Hermann (Stikel) Schwarzenbach am Zürichsee war er einer der Ersten in der Schweiz, die sich an die Sorte wagten». Als Autodiktat – Jean Hutin ist Ingenieur und spielte von 1969 bis 1976 im Théâtre populaire romand – ist man oft freier, die Traditionen lasten weniger schwer.
Gegen Schluss meines Besuches probieren wir den Savagnin blanc L'effiJe 2022. Der Traminer-Duft ist so pur, die kühle Kräuterwürze so tiefgründig und die typischen Rosenaromen kleiden den Gaumen wie Seide aus. Und weil der so gut ist, setzt die Weinbau-Technologin noch einen drauf und präsentiert ihren Naturwein, einen Gamay 2022: dunkelbeerig und saftig, spontan vergoren im Edelstahltank, gefüllt ohne Filtration. «Die Produktion von Naturweinen hilft mir auch, meine anderen Weine zu verstehen», sagt Émilienne.
Domaine des Curiades: Aligoté-Pioniere
Ich überquere die Rhone und fahre wieder über ein paar Hügel näher an die Stadt. Bernex liegt an der Coteau de Lully. Dort lebt die Familie Dupraz auf der Domaine des Curiades eine ganz andere Geschichte. Ihre Familienbande reichen über hundert Jahre zurück. Die 14,5 Hektar eigene Weinberge liegen alle an der Flanke des sanften Hügels, der das Dörfchen Bernex vor kalten Winden aus dem Jura schützt. Benediktiner-Mönche haben dort im 13. Jahrhundert erstmals Reben gepflanzt. Trauben von acht Hektar kauft die Familie zu und produziert so 26 verschiedene Weine aus dreizehn Rebsorten.
Die Dupraz kelterten schon immer ihren eigenen Wein. Anfangs belieferten sie die Genfer Gastronomie mit Fässern, stellten aber schnell auf Flaschenwein um, weil die Margen höher sind. «Wir produzieren rund eine Viertelmillion Flaschen jährlich. 95 Prozent unserer Produktion verkaufen wir in der Region», erklärt Xavier Dupraz (34). Davon gehen 30 bis 40 Prozent in die Gastronomie. Stolz ist die Familie auf den Aligoté, denn es war Jules Dupraz, der anfangs des 20. Jahrhunderts erstmals die aus dem Burgund stammende, weisse Sorte in der Region pflanzte.
Ein Drittel der Sorte bildet mit zwei Drittel Pinot noir die Cuvée für einen Schaumwein, der so herrlich frisch ist und doch mit der Eleganz und der feinen Cremigkeit eines Champagners entzückt. Innovation und die Lust, neue Chancen auf einem umkämpften Weinmarkt auszuloten, ist auf diesem traditionellen Familienbetrieb das Ticket für die Zukunft.
«Genf wird nicht zu oft vergessen», denke ich auf der Heimfahrt, «dieses Juwel unter den Schweizer Weinregionen wurde noch gar nicht richtig entdeckt.»