Auch nach mehreren Hundert besuchten Weingütern bekomme ich noch fast jedes Mal Gänsehaut, wenn ich ein neues Weingut entdecken darf. Endlich kann ich lernen, welche Persönlichkeiten hinter einem Wein stecken und wie im Rebberg und Keller gearbeitet wird. Der Höhepunkt jedes Besuchs ist immer die Degustation der verschiedenen Fassmuster und fertigen Weine.
Im Laufe der Jahre habe ich von vielen Winzerinnen und Winzern gelernt, auf was es beim Besuch eines Weinguts ankommt. Je besser die Laune eines Winzers, desto grösser ist die Chance auf ein unvergessliches Erlebnis.
Unpünktlich, parfümiert und falsch angezogen
Die Tage eines Winzers sind meist voll und nur die wenigsten können es sich leisten, Zeit für Besucher zu nehmen. Schaffen sie es trotzdem, ist dies ein Privileg für die Besucherinnen und Besucher. Es erstaunt daher nicht, dass auf ein pünktliches Erscheinen grosser Wert gelegt wird. Steckst du im Stau oder kommt etwas anderes dazwischen, musst du dies dem Weingut unbedingt melden.
Verzichte beim Weingutsbesuch auf Parfum oder stark riechende Deodorants, da diese Gerüche bei einer Degustation störend sein können. Ich habe schon einmal erlebt, wie eine Besucherin wegen ihres Parfums vom Winzer gleich wieder vor die Tür gesetzt wurde. Herren verzichten besser auf stark riechende Rasierwasser.
Für den Besuch auf einem Weingut wählst du lockere Kleidung, etwa eine Jeans und ein Hemd oder eine Bluse. Anzug und Krawatte sind ebenso fehl am Platz wie ein Jogging-Outfit. Einzige Ausnahme: Bordeaux. Auf den aristokratischen Schlössern ist «dress to impress» angesagt. Je besser du in Bordeaux angezogen bist, desto aufmerksamer wirst du behandelt.
Uninformiert, wählerisch und mit voller Agenda
Es wird von niemandem erwartet, sich wochenlang auf einen Weingutsbesuch vorzubereiten. Doch wenn du einen Barolo-Winzer im Piemont fragst, ob er auch einen Tempranillo im Angebot hat, hinterlässt du keinen besonders guten Eindruck.
Viele Weingüter keltern eine Vielzahl von Weinen. Neben einfachen, eher günstigeren Weinen kommen oft teurere und qualitativ hochwertigere Exemplare hinzu. Üblicherweise werden dir zuerst einmal die einfacheren Weine zur Verkostung angeboten. Lehnst du sie ab, weil du nur wegen den teureren Weinen gekommen bist, machst du einen grossen Fehler. Probiere alles, was man dir anbietet, du musst es ja nicht hinunterschlucken.
Vor allem bei berühmten Weingütern kann es mehrere Anläufe brauchen, bis du einen Termin bekommst. Vermeide es deshalb, kurze Zeit nach deinem Besuchstermin gleich einen nächsten Termin in deine Agenda zu quetschen. Denn wenn du Glück hast und die Winzerin oder der Winzer gut gelaunt ist, werden unter Umständen rare Weine geöffnet und die Degustation kann sich in die Länge ziehen.
Zu viel Durst
Gerade bei den ersten Weinen solltest du dich davor hüten, gleich alles zu schlucken. Wenn die Winzer sehen, dass du nicht zum Degustieren gekommen bist, füllen sie dir nicht nur weniger Wein ins Glas, sondern lassen unter Umständen sogar ihre besten und rarsten Weine weg. Bei diesen darfst du den Wein aber auch mal ungeniert hinunterschlucken und anmerken, der Wein sei einfach zu gut, um ihn nicht zu trinken.