Mr. Champagne Green Hat meint:
«Die kleinen Sünden sind doch wie das Salz in der Suppe»

Dominik Betschart (52) ist einer der gefragtesten Champagner-Experten im deutschsprachigen Raum. Seine Erfahrung gibt er an Events und Tastings gerne weiter. Im Interview verrät er Blick, weshalb Champagner so einzigartig und darum eine Sünde wert ist.
Publiziert: 28.02.2025 um 14:03 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2025 um 17:18 Uhr
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Dominik Betschart (52) weiss alles über Schaumweine. Champagner ist seine grosse Leidenschaft und der grüne Hut sein Markenzeichen.
Foto: Ursula Geiger

Darum gehts

  • Dominik Betschart hat seine Leidenschaft für Champagner zum Beruf gemacht
  • Die steigenden Preise auf dem Champagner-Markt sieht er kritisch
  • Im Interview erklärt er, weshalb Champagner zum Essen die beste Wahl ist
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ursula GeigerRedaktorin Wein

Blick: In den letzten zwei Jahren schrumpfte der Champagner-Absatz um 54 Millionen Flaschen, dabei liegt Schaumwein im Trend, wie kann das sein?
Dominik Betschart:
Inflation, hohe Energie- und Krankenkassenkosten schmälern das Budget. Dazu kommt die global instabile Lage, das macht die Menschen nachdenklicher und preissensibler.

Ist Champagner zu teuer?
Generell nein, die Herstellung von der Handlese bis zum Verkauf dauert Jahre und ist durch die zweite Gärung in der Flasche kosten- und arbeitsintensiv. Doch teils wurden die Preise durch die Produzenten zu massiv erhöht. Man hat sich am Burgund orientiert. Dort mutierten gewisse Winzer zu Superstars und ihre Weine wurden «to the moon» hochgeschraubt. Die Blase ist geplatzt, zuerst im Burgund und nun auch in der Champagne.

Kommt jetzt die Trendwende?
Die Zahlen sind eindeutig: Nein, der Champagnerabsatz sinkt, andere Schaumweinregionen legen zu. Der Druck auf die Produzenten steigt. Es ist an der Zeit, über die Bücher zu gehen. Auch weil sich die Konsumenten nicht nur an der Qualität orientieren, sondern auch an der Frage: Wie viel Geld bin ich bereit auszugeben?

Ist Champagner zu elitär?
Für mich nicht. Champagner ist Wein und Lebensfreude und will getrunken werden. Viele nehmen Champagner lediglich als eine teure Produktekategorie wahr und sind sich der Vielfältigkeit, die dieses herrliche Getränk bietet, nicht bewusst. Die verschiedenen Böden, die Kelterung der Grundweine und die Dosage schaffen enorm viele Möglichkeiten zur Diversifizierung.

Apropos Dosage: Ich mag ab und zu ganz gerne Extra-Dry-Champagner mit mehr Süsse. Bin ich ein Banause?
(Lacht) Nein, höchstens aus der Mode geraten. In den Anfangszeiten der Champagnerproduktion lagen die Zuckergehalte bei 80 bis zu 200 Gramm pro Liter. Die Dosage ist ein wichtiges Stilmittel beim Champagner. Sie kann als Zuckerlösung zugesetzt werden, als Süsswein oder als Likör. Heute werden grösstenteils Champagner mit einer Dosage unter sechs Gramm pro Liter konsumiert. Dank Klimaerwärmung braucht es keine Schminke mehr, um die hohen Säurewerte zu puffern. Extra-Dry Champagner mit 12 bis 17 Gramm pro Liter sind selten geworden, doch sie passen hervorragend zu Wild, scharfen asiatischen Speisen, Dessert oder Käse. Es lebe die Vielfältigkeit!

Champagner passt zum Essen?
Definitiv, wie kein anderer Wein. Champagner kann jedes Menü von der Vorspeise bis zum Dessert begleiten, die Vielfältigkeit der Champagne ist gross. Das Diner au Champagne ist in der Region um Reims und Épernay fest etabliert, hat es aber noch nicht ganz über die Grenzen geschafft. Hier hat Italien eine Vorreiterfunktion: Schaumwein wird dort auch zu Pasta und Pizza getrunken.

Was gibt Champagner den speziellen Kick?
Die erfrischende Säure und die Kohlensäure aus der zweiten Gärung in der Flasche! Die Kohlensäure zeigt sich als Perlage im Glas. Am Gaumen sorgt sie als Mousse für Erfrischung und ist zudem ein sehr guter Geschmacksträger. Die Säure ist erfrischend und ist ein herrlicher Sparringspartner zu Speisen.

Selbstkasteiung liegt gerade im Trend. Kann Champagner ein Zeichen setzen gegen die grassierende Genussfeindlichkeit?
Ich denke nicht, dass Menschen dazu geschaffen sind, ein ganzes Leben auf Genuss zu verzichten. Die kleinen Sünden sind doch wie das Salz in der Suppe. Ob das ein Truffes-Brioche oder ein Glas Schaumwein ist: Wir leben nur einmal und in dieser Zeit soll man das Leben auch geniessen dürfen.

Mehr zu Dominik Betschart

Dominik Betschart (52), aka Champagne Green Hat, hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Seit fast vier Jahren handelt er mit Champagner und betreibt seit Herbst 2024 in bester Lage in Zürich mit drei Partnern die Champagner-Bar und den Laden «Les Bulles». Zwischen 2007 und 2018 bewirtschaftete Betschart mit einem befreundeten Winzer ein kleines Weingut an der Mosel in Deutschland und lernte die harte Arbeit in den Steillagen und im Keller kennen. Über dieses Projekt kam er mit anderen Produzenten in Kontakt und reiste 2010 das erste Mal in die Champagne. Ab da saugte Betschart die Szene in sich auf und ist heute ein gefragter Champagner-Experte und Eventorganisator. Legendär waren seine Montagsverkostungen im damaligen «Gustav» an der Zürcher Europaallee. Fünfzehn Champagner-Fans brachten je eine Flasche Champagner zu einem bestimmten Thema und Antonio Colaianni kochte dazu ein passendes Menü. Pure Lebenskunst.

Dominik Betschart (52), aka Champagne Green Hat, hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Seit fast vier Jahren handelt er mit Champagner und betreibt seit Herbst 2024 in bester Lage in Zürich mit drei Partnern die Champagner-Bar und den Laden «Les Bulles». Zwischen 2007 und 2018 bewirtschaftete Betschart mit einem befreundeten Winzer ein kleines Weingut an der Mosel in Deutschland und lernte die harte Arbeit in den Steillagen und im Keller kennen. Über dieses Projekt kam er mit anderen Produzenten in Kontakt und reiste 2010 das erste Mal in die Champagne. Ab da saugte Betschart die Szene in sich auf und ist heute ein gefragter Champagner-Experte und Eventorganisator. Legendär waren seine Montagsverkostungen im damaligen «Gustav» an der Zürcher Europaallee. Fünfzehn Champagner-Fans brachten je eine Flasche Champagner zu einem bestimmten Thema und Antonio Colaianni kochte dazu ein passendes Menü. Pure Lebenskunst.

Wann begann ihre Leidenschaft für Champagner?
Mit meinem ersten Besuch in der Champagne im Jahr 2010. Wir besuchten Marie-Noëlle Ledru, die Grande Dame der Winzerchampagner. Zum Abschluss unserer Verkostung nahm sie eine Flasche vom Stapel, degorgierte diese und schenkte ein: Grossartig! Es war ein Jahrgangschampagner 1988. Das beste Champagner-Jahr der letzten sechzig Jahre. Seither lässt mich Champagner nicht mehr los.

Warum lieber Champagner als Wein?
Champagner ist pure Lebensfreude, macht nicht müde. Er belebt. Am nächsten Morgen wacht man fit auf und ist präsent für den Tag.

Welchen Champagner werden Sie am Wochenende trinken?
Bestimmt einige, es könnte aber auch Schaumwein aus der Schweiz, England, Deutschland, Cava oder Pet-Nat sein. Denn am «about-bubbles-Festival» im Züricher 25-Hours-Hotel an der Langstrasse kann man sich von Freitag bis Sonntag durch die Schaumwein-Welt probieren.

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