Vegan im Berner Oberland
So wird aus Rüebli Lachs und aus Cashews Camembert

Die Unternehmen Wild Foods von Juval Kürzi (33) und New Roots, gegründet von Freddy Hunziker (27), stellen im Berner Oberland vegane Produkte her. Mit ihren Alternativen zu Lachs und Käse treffen sie den Nerv der Zeit. Denn der Markt für vegane Ersatzprodukte boomt.
Publiziert: 07.03.2021 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2021 um 19:14 Uhr
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Das Unternehmen New Roots stellt Käse aus Cashewkernen her. Hier im Bild die Alternative zu Camembert.
Foto: Philippe Rossier
Anna Uebelhart

In der Küche schleppen vier Männer Bleche zu einem Räucherofen, aus dem ein unverkennbares Aroma strömt. Fertig geräuchert verpacken sie das lachsfarbene Produkt in eine Silberfolie. Auf der Verpackung prangt ein Angler-Logo.

Mitten in den Bergen bei Frutigen BE stellt Juval Kürzi, der Gründer von Wild Foods, seit einem Jahr Lachs her. Lachs aus Rüebli. Sein Produkt «Wood Smoked» ist eine Alternative zu Räucherlachs aus rein pflanzlichen Zutaten und erhältlich in Bio-Geschäften und mittlerweile auch in 40 Coop-Filialen. Er und sein Team produzieren in der Küche des ehemaligen Hotels Rustica, dessen früherer Koch für seine Fischmenüs bekannt war.

Camembert aus Cashews

Er ist nicht der einzige innovative Unternehmer in der Region. 35 Kilometer von hier entfernt gibt es ein weiteres Unternehmen, das für den wachsenden Markt veganer Lebensmittel produziert: New Roots in Oberdiessbach BE. Sie machen Käse aus Cashewkernen. Seit fünf Jahren gibt es den Lebensmittelproduzenten, dessen Produkte in den Filialen von Coop, Migros und diversen Bioläden zum Standardsortiment gehören. Darunter verschiedene Aufstriche, Joghurts und Käsealternativen – alles auf der Basis von Cashewkernen. Das beliebteste Produkt ist der «Soft White», ein pflanzenbasierter Camembert.

Bevor der Käse aus Cashewkernen schweizweit bekannt wurde, verkauften Gründer Freddy Hunziker und Co-Gründerin Alice Fauconnet ihre Käsealternative im Oekoladen Thun BE. Mittlerweile zählt New Roots 25 Mitarbeitende am Produktionsstandort in Oberdiessbach. Dort sind sie seit Anfang Februar, da der alte Standort in Thun zu klein für das Unternehmen wurde. Die Nachfrage nach dem Cashewkäse ist riesig. Und das nicht nur in der Schweiz. New Roots exportiert nach England, Frankreich, Belgien, Deutschland und in die Niederlande. «Im Moment ist die Nachfrage grösser als die Menge, die wir produzieren können», sagt Assi Grunder, Sales Manager bei New Roots.

Eine Tonne Rüebli pro Woche

Obwohl Juval Kürzi mit dem «Wood Smoked» erst seit ein paar Monaten auf dem Markt ist, spürt auch er die grosse Nachfrage nach veganen Produkten. «Wir befinden uns in einer aufregenden Zeit für die Lebensmittelbranche. Durch den wachsenden Markt öffnen sich Türen für vegane Unternehmen.» Angefangen hat der 33-Jährige im Keller der Futur Naturprodukte GmbH in Frutigen BE, für die er als Grafikdesigner arbeitete. In einer Räucherkammer konnte er dort seine Idee umsetzen und an seinem Produkt herumtüfteln, bis er damit zufrieden war. Das dauerte etwa sechs Monate. Mittlerweile verarbeitet Kürzi mit seinen elf Mitarbeitenden eine Tonne Rüebli pro Woche, Tendenz steigend.

Auf die Idee des Rüeblilachses kam Kürzi, weil er gerne Lachs ass, bevor er sich vegan zu ernähren begann. Besonders die Lachsbrötli an Weihnachten vermisste er. Und die Rüebli ähneln wegen ihrer Farbe und der faserigen Textur dem Lachs. Die lokal bezogenen Bio-Knospe-Rüebli werden nach traditionellem Verfahren verarbeitet und in einem Räucherofen mit Fichtenholz geräuchert. «That’s where the magic happens», erklärt Kürzi.

Es folgen weitere Wild-Foods-Produkte

Im Vergleich zu anderen Ersatzprodukten ist die Zutatenliste des «Wood Smoked» kurz.
Er besteht aus Rüebli, Sonnenblumenöl, Apfelessig und Meersalz. «Mich fasziniert die Simplizität des Produkts», sagt Kürzi. Es sei eine Challenge, aus Gemüse etwas zu entwickeln, das wie Fisch oder Fleisch aussieht und schmeckt. «Der ‹Wood Smoked› ist nur der Anfang», verrät der Gründer. Es seien weitere Produkte in Planung, die wie der Rüeblilachs aus regionalem Gemüse bestehen, aber wie Fleisch schmecken sollen. «Wir wollen Gemüse wieder sexy machen», so Kürzi.

Zwar bestehen die Produkte der Berner Konkurrenz New Roots nicht ausschliesslich aus regionalen Zutaten, doch auch hier ist die Zutatenliste bescheiden. Die Camembert-Alternative setzt sich aus Cashewkernen, Wasser, Steinsalz und veganen Fermentations- und Edelschimmelkulturen zusammen. Für die Herstellung verwendet das Unternehmen die traditionellen Methoden der Käseherstellung. Die Masse wird in Gussformen gefüllt und das frische Produkt teilweise mit Kräutern oder Gewürzen verfeinert. Dann wird der Käse in den Reiferäumen gelagert, bis er fertig abgepackt wird. Verantwortlich für die Entwicklung ist die gelernte Käserin Verena Looser. Sie verfügt über das Wissen über die Fermentations- und Reifungsprozesse. Diese seien die gleichen wie bei herkömmlichem Käse, erklärt Assi Grunder, nur mit Cashewmilch statt Kuhmilch.

Die biologisch angebauten Cashewkerne bezieht New Roots aus Vietnam und Burkina Faso. Trotz dem Transport sei dies eine nachhaltige Option. «Bei der Verarbeitung können wir
99 Prozent der Cashews verwenden, weil dank fehlender Ballaststoffe kaum Abfall anfällt», erklärt Grunder.

Auch bei Nicht-Veganern beliebt

Wild Foods und New Roots produzieren nicht nur für vegan lebende Menschen, sondern für alle, die gerne auch mal eine Alternative zu tierischen Produkten hätten, ohne auf Geschmack und Genuss verzichten zu müssen. «70 Prozent unserer Kundschaft ernähren sich nicht vegan», sagt Grunder von New Roots, und auch Kürzi meint: «Sogar Metzger und Köche haben den ‹Wood Smoked› schon in ihr Sortiment aufgenommen, weil sie das Produkt einfach cool finden und davon überzeugt sind.»

Auch die grossen Schweizer Detailhändler Migros und Coop haben den Trend erkannt. Gemäss einer Studie von Coop, die Ende 2020 veröffentlicht wurde, ist die Zahl der Flexitarier seit 2016 um 15 Prozent gestiegen. Der Report zeigt auch, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden bereits pflanzenbasierte Ersatzprodukte konsumiert. In einer Medienmitteilung schreibt Coop, man werde das Sortiment, das über tausend vegane Produkte umfasst, noch weiter ausbauen. Auch Migros will das Sortiment mit bisher 650 vegan zertifizierten Lebensmitteln noch erweitern. Unter den Neuheiten sind auch vegane Käsealternativen und eine pflanzliche Alternative zu Lachs, aktuell noch als «Limited Edition» gekennzeichnet, die dem Produkt von Juval Kürzi täuschend ähnlich sieht. Dieser lässt sich nicht beirren: «Wir sehen die Migros als Partnerin für die Zukunft und möchten keinen Krieg führen.»

Die Konkurrenz bei veganen Produkten wächst. Doch obwohl die zwei Berner Unternehmen Wild Foods und New Roots Konkurrenten sind, scheint von Rivalität keine Spur zu sein. Sie stehen sogar in regem Austausch miteinander und haben ein neues gemeinsames Produkt herausgebracht: Seit Anfang März gibt es an Schweizer Bahnhöfen in Avec-Filialen und beim K-Kiosk einen Bagel mit dem «Wood Smoked» von Wild Foods und einem Meerrettichaufstrich von New Roots.


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