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Einfach Claudio fragen
Stimmt es, dass Käse auf italienischen Fischgerichten tabu ist?

Für den Kellner mögen wir kulinarische Banausen sein. Doch künftig kombinieren wir Fisch und Meeresfrüchte selbstbewusst mit passendem Käse. Denn unser Kolumnist Claudio Del Principe sagt: Man darf. Häufig jedenfalls.
Publiziert: 20.09.2024 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2024 um 16:20 Uhr
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In diesem Restaurant in Florida (USA) gibt es zu den Linguine mit Crevetten Käse dazu. In Italien würden das die meisten nicht goutieren.
Foto: Universal Images Group via Getty

Auf einen Blick

  • Viele Italiener lehnen Käse auf Fisch ab
  • Käse auf Fisch ist nicht immer ein Tabu
  • Spitzenköche kombinieren erfolgreich Fisch und Käse für intensives Umami
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Claudio Del Principe

Jemand wollte von mir wissen, ob es stimmt, dass man niemals Käse auf italienische Fischgerichte geben darf. Nein, das kann man nicht kategorisch sagen, auch wenn das in Italien 99 Prozent der Menschen behaupten. Dieses Käse-auf-Fisch-Tabu ist weit verbreitet und wird so selbstverständlich kolportiert – übrigens auch in Bezug auf Meeresfrüchte – als hätte es der liebe Gott persönlich in eine Marmortafel gemeisselt.

Oft verwerfen Kellner theatralisch die Hände, wenn ein Tourist sich erdreistet, Parmesan über, sagen wir, Spaghetti alle vongole zu streuen (in diesem Fall sogar zu Recht). Ich habe ein solches Drama schon einmal selbst verursacht.

Ich sass auf Hochzeitsreise in Venedig in einem Restaurant, in das sich Touristen (wie ich) verirrten. Ich bestellte Linguine mit Crevetten an einem «rosa sugo». Das heisst, an der Tomatensauce hatte es einen Gutsch Rahm. Dadurch war sie cremig und rosarot. Allein die Tatsache, Rahm an eine Tomatensauce zu kippen, ist eine Staatsaffäre und besonders in Süditalien verpönt.

Ich aber erfreute mich am dampfenden, duftenden Teller und griff zur Parmesanschale, die auf dem Tisch bereitstand. Ich hob den Klappdeckel hoch und hörte meine Angetraute sagen: «Du willst jetzt aber nicht Käse auf deine Crevetten streuen?» «Aber ganz sicher!», versicherte ich ihr selbstsicher und erklärte: «Das ist ja kein zarter Fisch oder eine leichte Fischsauce. Da ist herzhafter Tomatensugo mit Rahm, also kann ich da bedenkenlos ein weiteres Milchprodukt dazu kombinieren, um es noch vollmundiger zu machen.»

Sie schüttelte nur den Kopf, als ich löffelweise Parmesan über meinen Teller schneien liess. «Neeein!», schrie ein Kellner quer durch den ganzen Speisesaal, «Sie ruinieren mir meinen Fisch!» Alle starrten mich an – und ich erstarrte zur Salzsäule.

Woher diese unumstössliche Regel kommt, weiss niemand so recht. Die meisten argumentieren, der kräftige Geschmack von Käse sei zu dominant für den feinen Geschmack von Fisch. Das mag auf eine Kombination wie Gorgonzola auf Seezunge zutreffen. Aber es gibt durchaus milde Käse wie Ricotta, Stracciatella, Burrata und Mozzarella, die sehr gut mit geschmacksintensiven Fettfischen und Muscheln harmonieren.

Vielleicht liegt die Kombinationsscheu auch daran, dass Käse mehrheitlich im Landesinneren produziert wird und daher selten mit der fischorientierten Esskultur der Küstenregionen in Berührung kommt. Es gibt allerdings einige regionale Überschneidungen zwischen Küste und Landesinneren, bei denen sehr wohl traditionelle Gerichte mit Fisch und Käse vorkommen, zum Beispiel Pasta mit Miesmuscheln oder überbackene Austern mit Pecorino.

Zudem kombinieren heute auch immer mehr Spitzenköche in Italien Fisch und Meeresfrüchte auf gekonnte Weise mit Käse und steuern so ihren Saucen, Cremen und Füllungen intensives Umami bei. Zum Beispiel Tintenfische gefüllt mit Ricotta, Sardinen mit Provolone, Sardellen mit Burrata, Vongole mit Pecorinocreme oder Tiefseegarnelen mit Stracciatella – das sind alles überaus geglückte Genussfreuden, die die Lügen von Käsepessimisten strafen.

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