«Signora, seit wann sind Sie heute auf den Beinen?», fragt der Fernsehreporter die Frau mit dem grossen, bunten Sonnenhut am Strand. «Seit drei Uhr in der Früh», gibt sie ins Mikrofon zu Protokoll. «Um zu kochen?», möchte der Reporter wissen. «Selbstverständlich», antwortet die Frau. «Ich habe alles vorbereitet. Es gibt unsere traditionellen Sonntagsgerichte, die nicht fehlen dürfen. Ich habe Panini zubereitet, Snacks, etwas für die Pausen am Nachmittag, Früchte, Desserts und natürlich jede Menge eisgekühlte Getränke und kalten Caffè.»
Ein ganz normaler Sonntag am Strand von Bari in Apulien. Viele Familien, die hier ans Meer gehen, kommen nicht, um zu schwimmen. Sondern um gemeinsam zu essen, zu trinken und um eine schöne Zeit unter der Sonne zu feiern. Von aussen betrachtet sieht es unter den improvisierten Zelten aus wie an einem Open-Air-Food-Festival.
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Die Rollen sind klar verteilt. Die Männer schleppen die vollen Kühltaschen, Liegestühle und Klapptische an, bauen das Biwak auf und konzentrieren sich beim ersten Bier auf Fussball und Politik. Die Frauen packen Auflaufformen, Aluschalen und Plastikgeschirr aus und errichten das Buffet.
Was es da alles gibt. Mamma mia! Antipasti in allen Formen und Farben. Das traditionelle apulische Gericht Riso, patate e cozze. Das ist überbackener Reis mit Kartoffeln und Miesmuscheln. Köstlich! Bucatini mit Fleischbällchen, Tagliatelle al pomodoro, Orecchiette al forno, Frittata, Vongole, kalter Braten, Pizza, Kuchen. Man könnte eine ganze Kompanie damit durchfüttern.
Als Erstes müssen aber die Kinder versorgt werden. Ständig werden sie beim Sandburgenbauen unterbrochen. «Nino, Mammà, ihr müsst jetzt essen, kommt.» «Maa, nein, ich hab keinen Hunger.» «Nichts da, es wird gegessen. Das habe ich alles für euch gekocht, los!» Kaum haben sie gegessen, kommt natürlich die unausweichliche Hiobsbotschaft für die Kinder. «Geht mir ja nicht ins Wasser, mit eurem vollen Bauch!» «Aber, Maaa?!»
So ist das. Das Sittengemälde des Südens. Die einen können es nicht fassen, dass man an den Strand kommt, um sich den Bauch vollzuschlagen. Die anderen haben unfassbar Mitleid mit den armen Strandbesuchern, die den ganzen Tag nur zwei Cracker knabbern.
«Schau mal, wie ausgehungert diese Frau aussieht, Tonino. Das ist ja traurig. Geh, frag sie, ob sie nicht mitessen möchte.» Zuerst ziert sich die Touristin ein wenig, folgt dann aber der Einladung mit einem erwartungsvollen Lachen. Und so sind alle happy. Die Mammas, die mit ihrem Essen Menschen glücklich machen, und die, die eigentlich zum Schwimmen gekommen sind, über die unvergleichliche und überschwängliche Gastfreundschaft.