Einfach Claudio fragen
Darf ich dem Sommelier sagen, dass mir sein Geschwafel auf die Nerven geht?

Bei Wein kommen manche Sommeliers nicht mehr aus dem Plaudern raus – nur interessiert das nicht alle. Wie man darauf reagieren soll, verrät Kochbuchautor Claudio Del Principe.
Publiziert: 30.08.2024 um 15:17 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2024 um 15:21 Uhr
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Warum labern manche Sommeliers so viel?
Foto: Shutterstock

Auf einen Blick

  • Sommeliers schwärmen oft ausufernd über Wein
  • Gute Sommeliers dosieren ihr Wissen und erzählen nur auf Nachfrage
  • Was wirklich gute Weinexperten ausmacht
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Claudio Del Principe

Schwierig. Ganz schwierig. Wie soll das diplomatisch gehen? Weinfachleute lieben Wein nun mal so sehr, dass sie nicht anders können, als aus ganzem Herzen darüber zu schwärmen. Es ist ihnen beruflich wie privat die schönste und spannendste Sache auf der ganzen weiten Welt. Sie mussten zudem sehr lange und sehr hart für ihr Diplom ackern. Darum können sie fast nicht anders, als leidenschaftlich (um nicht zu sagen, streberhaft) jedes noch so kleine Detail hervorzuheben. Und all die für Gäste, die doch eigentlich nur einen entspannten Abend in einem guten Restaurant geniessen wollten, doch eher nebensächlichen Informationen von Anbaugebiet über Bodenbeschaffenheit bis zum Zuckergehalt ungefiltert auszuspucken. Nach der theoretischen Lektion folgt dann meistens der eher ungeschliffene Trinkbefehl: «Viel Spass!»

Da stelle ich mir jeweils vor, jemand würde in dieser ausufernden Länge und Breite die Zutaten auf dem Teller beschreiben: «Dieses perfekt marmorierte und trocken am Knochen gereifte Rib Eye vom Hereford-Rind kommt aus dem Südwesten von Irland. Genauer gesagt, aus Cahir, das liegt am Fluss Suir, im County Tipperary. Dort herrscht ein ideales Klima mit viel Regen und milden Temperaturen, die vom Golfstrom beeinflusst werden. Die Weiden von Beef-Farmer Declan McCabe, der vor 23 Jahren auf Bio umgestellt hat, weisen neben zahlreichen Gräsern auch viel Klee auf, der den Stickstoff im Boden bindet. Als ich im Frühjahr bei ihm war, hat er gerade die traditionellen Schichtsteinmauern aufgezogen, die die kleinen Muttertierherden vor dem bissigen Wind schützen, wenn sie auf der Weide stehen. Im Dezember, wenn es ausnahmsweise auch mal unter null Grad …»

Das willst du alles nicht hören, während du hungrig und erwartungsvoll auf deinen Teller starrst. Wenn es mir zu lange dauert, lächle ich den Sommelier freundlich an, bewaffne mich mit Messer und Gabel und unterbreche: «Grossartig, da bin ich ja mal gespannt, wie der Wein zu diesem fantastischen Gericht passt, ich werde berichten!» 

Bei meinen liebsten Sommelières und Sommeliers in der Schweiz ist das aber genau nie der Fall. Weil sie ein unglaublich gutes Gespür für die Dosierung ihres Wissens haben und eigentlich nur mehr über Wein und Winzer erzählen, wenn ich explizit danach frage. Von daher hält es sich mit guten Sommeliers wie mit besten Freunden: Wähle ich sie bewusst und mit Bedacht, freue ich mich jedes Mal, sie wiederzusehen und einen schönen Abend bei ihnen verbringen zu dürfen.

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