Ausstellung zeigt Fotos von Werner Bischof erstmals farbig
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«Unseen Colours» in Lugano:Ausstellung zeigt Fotos von Werner Bischof erstmals farbig

Ein Blick durch seine Kamera
Die unbekannten Fotos des Werner Bischof

Werner Bischof gehört zu den einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Das Kunstmuseum Lugano zeigt die bisher unveröffentlichten Farbfotos des Schweizers. Sein Sohn erzählt uns die Geschichte seines Vaters.
Publiziert: 28.05.2023 um 14:03 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2023 um 08:36 Uhr
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Marco Bischof (73) spricht über das Werk seines Vaters.
Foto: © Ti-Press / Ti-Press
Kathrin Brunner Artho

Die Farben von Lugano leuchten – blau der See, grün die Berge, rot und gelb die Fassaden der Häuser. Es scheint beinahe, als ob sich das Wetter draussen der Kunst im Inneren des Kunstmuseums MASI Lugano angepasst hat. «Unseen Colours» heisst die neue Ausstellung, und was sie zeigt, lässt sich aus dem Namen erraten: Zum ersten Mal kommen Farbfotografien des Schweizer Fotografen Werner Bischof (1916–1954) an die Öffentlichkeit. Fotografien, die über 80 Jahre im Archiv gelegen haben, die höchst kompliziert produziert wurden und die einen weiteren Einblick in das Leben des berühmten Fotografen geben.

Die Bilder gefunden und untersucht hat Sohn Marco Bischof (73). Da sein Vater die Aufnahmen mit einer sperrigen Devin-Tri-Color-Kamera machte, wurden die Negative auf kleine Glasplatten belichtet. «Bis jetzt hatte ich immer sehr grossen Respekt davor, diese kleinen Glasnegative anzufassen», erzählt Marco Bischof. «Wenn eines zerbricht, dann ist das Bild verloren.»

Nun hat er sich trotzdem getraut, die Bilder anzusehen, und festgestellt, dass es für jedes Motiv drei gleiche Bilder gab. Das liegt daran, dass eine Tri-Color-Kamera drei verschiedene Negative eines Bilds machte. Je ein Negativ für eine der Grundfarben Rot, Blau und Gelb. Legt man dann alle drei Bilder übereinander, ergeben sie ein Farbfoto. Unsere modernen Drucker funktionieren nach dem gleichen System.

Die Farben Europas und Asiens

Nach fünf Jahren Entwickeln und Restaurieren kann Marco Bischof nun durch die Ausstellung gehen. Die Ausstellung «Unseen Colours» beginnt mit einem Zeitstrahl, der Werner Bischofs Leben aufzeigt. Nebst Jahreszahlen und Beschreibungen hängen chronologische Aufnahmen, die Werner zeigen: Als junger Mann im Porträt, als Student in seinem Studio, als Fotojournalist aus einem Cockpit winkend oder zuletzt in der antiken Inka-Stadt Machu Picchu, umgeben von Einheimischen, die alle in die Kamera lächeln. An einer drei Meter langen Wand hängt das gesamte Leben des Fotografen und gibt einen intimen Blick in seine Privatsphäre. Marco Bischof sieht sich den Zeitstrahl an: «Unsere Wohnung, heute würde man Loft sagen, nannten meine Eltern Glashüsli», sagt er und deutet auf eine Aufnahme, die eine Wohnung mit grossen Fenstern zeigt, «Da bin ich immer mit dem Dreirad herumgefahren.» Marco war vier Jahre alt, als sein Vater in den peruanischen Anden tödlich verunglückte. «Wenn ich es ausrechne, habe ich meinen Vater nur fünf Monate zu Gesicht bekommen», sagt er. Kennengelernt hat er seinen Vater durch Briefe, Tagebücher und Fotos.

Foto: © Ti-Press / Ti-Press

Werner Bischof kam als Sohn eines Kaufmanns in Kilchberg ZH zur Welt. Er besuchte das Lehrerseminar Schiers GR, um Zeichen- und Sportlehrer zu werden. Doch ihm erging es, wie es vielen Studenten ergeht: Es gefiel ihm nicht, und so wechselte er an die Zürcher Kunstgewerbeschule, wo er bei Hans Finsler und Alfred Willimann die Fachklasse für Fotografie besuchte. Fasziniert von der Kunst, reiste Bischof 1939 nach Paris und arbeitete dort als Grafiker und Werbefotograf. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Werner Bischof vom Bund eingezogen, um im Militär zu dienen.

Während in Europa die Bomben fielen, sass Bischof in seinem Studio in Zürich fest und widmete sich der Fotografie von Naturmotiven. Während dieser Zeit entstanden viele Werbeplakate und einige der Farbfotografien, die in der Ausstellung zu sehen sind. Bischof spielte zu dieser Zeit viel mit Farbe und Kompositionen, die seiner Zeit voraus waren.

1945 schlugen die Alliierten die deutschen Truppen, und der Krieg war vorbei. Langsam öffneten sich die Grenzen, und Werner Bischof packte seine Kamera und verliess sein Zürcher «Glashüsli». Für das Monatsmagazin «Du» reiste er durch das zerstörte Europa.

Aus jener Zeit stammen die berühmten Schwarz-Weiss-Fotografien, die Bischof im Magazin veröffentlichte. Doch wie die Ausstellung zeigt, hatte er nicht nur seine treue Leica, sondern auch die Devin-Tri-Color-Kamera im Reisegepäck. Er fotografierte das zerstörte Berlin in Farbe und hielt auch Szenen in gebeutelten Ländern wie Frankreich, den Niederlanden und Italien fest. Mit seinen Fotografien gab er all dem Elend einen farbigen Anstrich und machte es auf diese Art nur noch schauriger.

Ein Jahr nach Marcos Geburt (1950) reiste Bischof nach Asien, wo er über die Hungersnot im indischen Bihar und über den Indochinakrieg berichtete. Von Japan war er so fasziniert, dass er kurzerhand seinen Aufenthalt verlängerte, sodass aus einigen Monaten ein Jahr wurde. Mit seinen Fotografien hielt er das farbenfrohe Leben der Kultur fest.

«Mein Vater war eine Reise-Seele, stets wollte er Neues entdecken und sehen», sagt Marco Bischof. «Dabei war er ein sehr grosser Perfektionist», fügt er mit einem Lächeln hinzu und erzählt, wie Werner Bischof immer zuerst das skizziert hat, was er fotografieren wollte, damit das Foto perfekt aufgenommen wurde. Den Drang zu reisen, brachte Werner Bischof schliesslich nach Peru, wo er am 16. Mai 1954 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. In Peru schoss er sein letztes Bild, das eines Flöte spielenden Jungen: «Auf dem Weg nach Cuzco, in der Nähe von Pisac, Valle Sagrado».

«Unseen Colours» ist bis zum 16. Juli 2023 im Museo d'arte in Lugano zu sehen.

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