Zu Lebzeiten einen eigenen Kunsttempel zu haben, ist den wenigsten Künstlern vergönnt. Der Schweizer Maler Franz Gertsch ist eine Ausnahme: Vor genau 20 Jahren eröffnete das Museum Franz Gertsch in Burgdorf BE und bietet Raum für seine grossformatigen, fotorealistischen Werke. Am Mittwoch ist der Schöpfer im Alter von 92 Jahren gestorben.
1930 kommt er in Mörigen BE zur Welt und wächst als Sohn eines Lehrers und einer Liedersängerin am Bielersee auf. Nach dem Studium der Malerei hat Gertsch bereits 1949 seine erste Einzelausstellung in Bern. In den 1960er-Jahren sucht er eine Verbindung zwischen Malerei und Fotografie und schafft flächige Collagen, basierend auf Schnappschüssen.
Mit «Huaa…!» folgt 1969 das erste grossformatige fotorealistische Bild – Gertsch hat seine Bestimmung gefunden. In der Zeit der Studentenrevolten porträtiert er häufig junge Menschen und ist so ein Dokumentalist der Hippie-Generation. US-Drogenguru Timothy Leary (1920–1996) besuchte den Maler einmal in seinem Atelier und feierte ihn als «unseren neuen Zauberer».
20 mal 20 Zentimeter pro Tag
Nachdem Gertsch 1972 auf Einladung der Schweizer Kuratoren Harald Szeemann (1933–2005) und Jean-Christophe Ammann (1939–2015) an der «Documenta 5» in Kassel (D) teilnimmt, gelingt ihm in der Folge der internationale Durchbruch. Doch der Berner bleibt bescheiden und betreibt seine Kunst wie ein Handwerk.
So gibt er sich nicht zu erkennen, als er 1977 an einer Lesung der US-Sängerin Patti Smith (75) in Köln (D) teilnimmt, und macht stattdessen klammheimlich Fotos von der Rockpoetin. Daraus schafft er 1978 bis 1979 die Bild-Serie «Patti I–V» – jedes Einzelne ist heute Millionen wert.
Die Kunst ist aber nicht bloss wertvoll, der Künstler wird auch hochgeschätzt: So ist er im Künstler-Rating 2022 der «Bilanz» auf Platz 36. Noch bis ins hohe Alter übertrug er in Rüschegg BE Diaprojektionen mit Pinsel und Farbe in pointillistischem Stil auf Leinwand – bis zu 20 mal 20 Zentimeter pro Tag.
Gertsch war zweimal verheiratet und hinterlässt seine Frau und fünf Kinder.
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